Ein Kommentar zur Konsumentenverantwortung

17.03.2022 / Kolumne / Kommentar von Christian Heep

Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Oder bestimmt das Angebot die Nachfrage..? Das ist gar nicht so einfach zu klären. Beides ist wohl zutreffend. Die Evolution von einer freien Marktwirtschaft zu einer sozialen ist eine Errungenschaft und keine Entwicklung hin zu einer reinen Planwirtschaft. Und da will auch niemand hin. Staatliche Eingriffe haben ihre Berechtigung und regeln das Marktgeschehen mehr oder weniger gut über wirtschafts- und sozialpolitische Korrekturen, um auf einen sozialen Ausgleich hinzuwirken. Zudem haben sich viele Unternehmen auf einen CSR-Kurs verständigt und nehmen damit ihre Corporate Social Responsibility u.a. als Nachhaltigkeitsstrategie in ihr unternehmerisches Wirken auf. Manchmal allerdings auch nur auf dem Papier..

Mir fällt auf, dass zunehmend eine Konsumenten-Verantwortung als alleiniges Regulativ für verschiedene Marktsituationen bemüht wird. So haben die Verbraucher*innen ja schliesslich die Entscheidungshoheit über ihr Konsumverhalten und können damit quasi das Angebot beherrschen. Diese Abwälzung von Verantwortung auf die Verbraucherseite finde ich grundsätzlich schwierig. Leider ist dies inzwischen gängige Praxis in vielen Bereichen unseres Konsums und verlagert vermeintliches Lösungspotenzial auf die Konsument*innen ohne dabei in angemessenem Verhältnis die Inverkehrbringer und die Legislative zu adressieren. Insbesondere die Politik ist hier gefordert, ein Regelwerk aufzusetzen, das geeignet ist über entsprechende Lenkungswirkungen Missstände abzubauen. Solche Rahmenbedingungen können Klarheit, Planungs- und Finanzierungssicherheit schaffen und vermeiden damit Verzerrungen im Marktumfeld. Es handelt sich um ein systemisches produkt- und branchenübergreifendes Problem und nicht um eine Herausforderung, die alleine der Verbraucher lösen können wird. Diesen Eindruck zu erwecken ist falsch.

Es kann doch nicht sein, dass es im 21. Jahrhundert – insbesondere in unseren fortschrittlichen und humanitären Gesellschaften – überhaupt noch erlaubt ist, Produkte auf den Markt zu bringen, die z.B. auch nur den Hauch von Kinderarbeit vermuten lassen. Dies gehört natürlich strengstens sanktioniert und dies gilt für alle Bereiche und alle Produkte, die den Weg nach Europa finden wollen. Beispielhaft möchte ich hier den Vorwurf der Kinderarbeit beim Abbau von Kobalt erwähnen.

Zudem ist es wichtig, zu verstehen, dass gerade Lithium und Kobalt vorgeschobene Pseudo-Argumente sind, um Elektromobilität zu diskreditieren. Es ist ja nun eben nicht so, dass wir diese Rohstoffe ausschliesslich für eAutos abbauen und benötigen. Die letzten 40 Jahre hat das niemanden interessiert – wie es uns Verbraucher auch nur marginal tangiert, wo unsere T-Shirts herkommen, wo unser Plastik landet, wo unser Wohlstandsmüll entsorgt wird, etc. Sich dieser Verantwortung auf Seiten Politik und Wirtschaft mit dem perfiden Argument der privaten Selbstverantwortung zu entziehen – wohlwissend, dass das in einer nicht perfekten Gesellschaft – nicht klappen wird, ist ein genialer Schachzug, der bei genauem Hinsehen eben diese Verantwortungsbereiche externalisiert und einen Status Quo wahrt, der nur dazu führt, dass sich Prozesse eben nur sehr langsam zum Besseren hin verändern.

Genau hier wird das neue Lieferkettengesetz greifen, das im Frühjahr 2022 von der EU-Kommission als Legislativvorschlag zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt eingebracht werden soll. Unternehmen werden sodann frühestens ab 2023 dazu verpflichtet, auch im Ausland ökologische und soziale Mindeststandards durchzusetzen. Das bedeutet: weg von rein freiwilliger Corporate Social Responsibility hin zu verbindlichen Sorgfaltspflichten.

Das ist nur folgerichtig und ich begrüsse das sehr. Denn an den vorherrschenden Markt- und Angebots-Strukturen können die Verbraucher*innen nur theoretisch etwas verändern. Die Lebenswirklichkeit und der tatsächliche Impact sehen anders aus. Ein verantwortliches Konsumentenverhalten braucht es natürlich dennoch, um erste Marktsignale auszudrücken und Druck auf die Politik auszuüben..! Es ist ja nicht falsch, sich ethisch, moralisch und umweltgerecht zu verhalten. Ganz im Gegenteil: Dieses vorbildliche Verhalten, der Diskurs und die damit verbundene Sensibilisierung innerhalb der Gesellschaft ist der Auslöser für Veränderungsprozesse, für Transformationen und für insgesamt bessere Lebensverhältnisse für uns und nachfolgende Generationen. Am wichtigsten sind in diesem Prozess am Ende also die regulatorischen Rahmenbedingungen. Der politische Gestaltungsauftrag als Kernelement einer sozialen und hoffentlich zunehmend nachhaltigen Marktwirtschaft. Zudem kann klassisches Bonus-Malus einen wertvollen Beitrag leisten, wenn man es denn richtig macht, um hier tatsächlich ein positives Konsum- und Verbraucherverhalten in der Breite der Gesellschaft zu befördern. Und das macht Poltik ja auch – nur nicht immer mit den richtigen Hebeln. So werden beispielsweise eSUV ja toll gefördert; Leichtfahrzeuge aber eben (noch) nicht. Hier sehe ich einen Auftrag an die Verbraucher und die institutionellen Organisationen, um beständig als Korrektiv zu wirken und gesellschaftspolitische Eingaben zu formulieren.

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