Deutschland — ein Leitmarkt für Elektromobilität?

Wer den drit­ten Fortschritts­bericht der Nationalen Plat­tform Elek­tro­mo­bil­ität (NPE) richtig liest, erken­nt neben zu erwartenden Fortschrit­ten in Forschung und Entwick­lung (FuE) und bei den Schaufen­stern Elek­tro­mo­bil­ität deut­lich­es Unbe­ha­gen: Set­zt die Poli­tik die seit 2009 erre­icht­en Ergeb­nisse auch um? Wird sie den bish­eri­gen Dri­ve aufrechter­hal­ten? Denn »eine Abwe­ichung von den vorgeschla­ge­nen För­der­maß­nah­men zur Mark­ten­twick­lung oder deren Verzögerung kön­nte sich direkt in der Reduk­tion ein­er erre­ich­baren Absatzen­twick­lung in Deutsch­land nieder­schla­gen.« Zu »eng gefasste Bemes­sungskri­te­rien« und »weit­ere Hür­den« wür­den die Fahrzeu­gan­zahl weit­er reduzieren, fürchtet die NPE. Kurz: Sie hält ohne zusät­zliche Förderung (»mon­etär­er und nicht-mon­etär­er Anreize«) das Ziel von ein­er Mil­lion eAu­tos bis 2020 für aussichtslos.
In anderen Län­dern wer­den Anschaf­fung und Akzep­tanz von Elek­tro­fahrzeu­gen direkt durch Preis­ab­schläge oder durch Steuervergün­s­ti­gun­gen gespon­sert bzw. Fahrzeuge mit Ver­bren­nungsmo­tor mit Sank­tio­nen belegt. Deutsch­land wird deshalb ohne kräftige staatliche Förderung und Lenkung wohl kaum Leit­markt. Doch die Regierung drückt sich davor, weil der Staat drastisch sparen muss und die Abwrack­prämie schon ein­mal nach hin­ten los­ging. Vor allem aus­ländis­che Klein­wa­gen­pro­duzen­ten prof­i­tierten damals vom Gel­dregen, nicht die deutschen Autoschmieden und schon gar nicht das Kfz-Gewerbe.
Anschaf­fungskosten in Deutsch­land zu hoch
Wenn nicht grund­sät­zlich etwas passiert, bleiben Elek­troau­tos für die Kun­den zu teuer. Unter Berück­sich­ti­gung der hohen Anschaf­fungskosten liegen die Gesamtkosten (TCO — Total Cost of Own­er­ship) für die ersten Jahre um mehrere tausend Euro über denen eines ver­gle­ich­baren Pkw mit Ver­bren­nungsmo­tor (TCO-Lücke). Auch wenn der Betrieb eines Elek­tro­fahrzeugs zum heuti­gen Strompreis im Ver­gle­ich mit einem kon­ven­tionellen Pkw mit seinem Kraft­stof­fver­brauch und ‑preis deut­lich gün­stiger ist. Das gilt auch, wenn nur eine Karosserie gekauft und die Bat­terie geleast wird, wie das Renault oder Mer­cedes ihren Kun­den anbi­eten. Der Smart ed ist mit knapp 19.000 Euro plus 65 Euro für das Bat­terieleas­ing immer noch fast dop­pelt so teuer, wie die klas­sis­che Ver­sion mit Benzinmotor.
Zwar ist das derzeit­ige Ange­bot an Stromern nicht ger­ade üppig, aber bei akzept­ablen Anschaf­fung­spreisen kön­nten in Deutsch­land mehr Pkw mit Elek­tro­mo­tor abge­set­zt wer­den, als die ger­ade mal 2.154 Stück, die 2011 einen Inter­essen­ten fan­den. Das Zeital­ter der Elek­tro­mo­bil­ität lässt sich vor diesem Hin­ter­grund in Deutsch­land noch nicht aus­machen: Die rund 5.000 zuge­lasse­nen Elek­tro­fahrzeuge ver­lieren sich im Gesamtbe­stand der 43 Mil­lio­nen Autos.
Elek­tro­mo­bil­ität als Lifestyle
Neben mon­etären Kau­fan­reizen kön­nte auch eine bessere PR für die umwelt­fre­undliche und nach­haltige Mobil­ität wer­ben, so wie das der Bun­desver­band eMo­bil­ität seit Jahren fordert und selb­st prak­tiziert. Endlich hat auch das CAR Cen­ter Auto­mo­tive Research der Uni­ver­sität Duis­burg-Essen bei ein­er Studie mit »nor­malen Aut­o­fahrern« her­aus­ge­fun­den, dass jemand, der ein­mal selb­st elek­trisch gefahren ist, davon begeis­tert ist und das gern wieder­holen möchte — auch wenn es etwas teur­er ist. Doch die gängi­gen Autozeitun­gen bleiben bei ihrer antiquierten Gigan­tomanie mit Hubraum, PS, Drehzahl oder Reich­weite. In ihren Redak­tio­nen herrscht intellek­tueller Black­out, wenn beispiel­sweise ein röhren­der Porsche oder SLS bejubelt wird (vor allem dann, wenn man die teuren Autos selb­st mal eine Woche zum Test hat­te). Ver­brauch, Kohlen­diox­ide­mis­sion und Nach­haltigkeit fris­ten bei den von der Auto­mo­bilin­dus­trie ver­hätschel­ten Jour­nal­is­ten ein Schat­ten­da­sein. Dabei hat ein Elek­troau­to gar nichts mit Verzicht zu tun. Es kön­nte in der öffentlichen Aufmerk­samkeit viel deut­lich­er ein Aus­druck mod­er­nen Lebens­ge­fühls sein. Miet- und Dienst­wa­gen­flot­ten oder Car­shar­ing-Fir­men kön­nten dabei eine bedeu­tende Ver­mit­tler­rolle übernehmen.
Deutsch­land als Leitanbieter?
Obwohl die deutsche Indus­trie in den kom­menden drei bis vier Jahren branchenüber­greifend bis zu 17 Mil­liar­den Euro in die Elek­tro­mo­bil­ität investieren wird, darunter 10 bis 12 Mil­liar­den Euro allein im Auto­mo­bil­bau, dominiert hierzu­lande der klas­sis­che Ver­bren­nungsmo­tor. Noch ist die Nach­frage nach Zwölfzylin­dern und Gelän­dewa­gen Made in Ger­many in Chi­na und ander­swo unge­brochen. Das hin­dert die deutschen OEMs am grund­sät­zlichen Umbau ihrer Pro­duk­tion — weg von der Mechanik hin zu Elek­trik und Elek­tron­ik. Lediglich 40% aller FuE-Aufwen­dun­gen für Antrieb­stech­nik dienen der Entwick­lung alter­na­tiv­er Antriebe. Solange man Investi­tio­nen in Ver­bren­nungsmo­tor­bau, Press­werke und Mon­tages­traßen ohne Aufwand weit­er nutzen kann, gibt es eben keinen zwin­gen­den Grund, sich schnell und mit hohem Risiko auf das bish­er unbekan­nte Ter­rain elek­trisch­er Antriebe zu wagen.
Doch das wird so nicht weit­erge­hen. Zwar belegt der Bericht gewisse Fortschritte, doch Deutsch­land befind­et sich immer noch auf Aufhol­jagd. Es darf bezweifelt wer­den, dass die deutsche Wis­senschaft und Forschung den Abstand von über 10 Jahren in Bat­terie- und eAntrieb­stech­nik gegenüber Japan, Korea, Chi­na und den USA aufge­holt hat. Allein in den USA vervier­fachte sich der Absatz des Toy­ota-Hybrid­mod­ells Prius im Juni 2012 gegenüber dem Vor­jahres­monat von 4.340 Ein­heit­en auf 19.150 Mod­elle. Davon kön­nen deutsche Her­steller nur träu­men. Erst »bis 2014 wer­den die deutschen Her­steller 15 neue elek­tri­fizierte Mod­elle auf den Markt brin­gen«, darunter auch den BMW i3 und Elek­tro­mod­elle von Audi, VW, Porsche und anderen Herstellern.
Poli­tik wird Flop nicht zugeben
Tech­nol­o­gisch im Hin­tertr­e­f­fen sind die Deutschen immer noch in der Bat­teri­etech­nik. Sie ist immer noch der Haupt­grund für die hohen Anschaf­fungs- und TCO-Kosten — auch wenn in Dres­den, München, Mün­ster und Ulm Kom­pe­tenzzen­tren für die Bat­terieen­twick­lung entste­hen sollen. Von ein­er Mil­liarde Euro, mit der die Regierung die Entwick­lung von Bat­terie­ma­te­ri­alien und ‑sys­te­men fördern wollte, kann die Hälfte nicht aus­gegeben wer­den, weil das kom­pe­tente Per­son­al fehlt oder die Beteiligten ihr Wis­sen nicht teilen wollen.
Doch es wäre die erste Bun­desregierung, die einen Flop zugäbe, wenn sie ihr selb­st gesteck­tes Ziel ver­fehlen sollte. Also wird wohl alles, was einen Elek­tro­mo­tor an Bord hat, als »Elek­tro­fahrzeug« hochgerech­net wer­den. Von vier Rädern und fünf Pas­sagieren war ja nie die Rede! Also zählen wir doch flugs alle Hybrid- und Brennstof­fzel­len­fahrzeuge, alle Busse, Lkw, Ped­elecs, Elek­tro­roller und Golf­cad­dys dazu und über­bi­eten so die Zielmarke!
Dr. Dr. Rein­hard Löser
BEM-Beirat

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