Leitmarkt — kein realistisches Ziel ohne echte Anreize

Die Mark­tvor­bere­itungsphase zur Ein­führung der Elek­tro­mo­bil­ität läuft dem Vernehmen nach auf Hoch­touren. Der dritte Fortschritts­bericht der Nationalen Plat­tform Elek­tro­mo­bil­ität (NPE) vom Juni 2012 berichtet, dass die deutsche Indus­trie während dieser Phase 17 Mil­liar­den Euro in die Forschung und Entwick­lung von Elek­tro­mo­bil­ität investieren wird. Doch damit diese gewalti­gen Sum­men mehr als nur Konzepte und Stu­di­en für die großen Messen her­vor­brin­gen, bedarf es drin­gend ein­er kon­se­quenten Umset­zung von mon­etären und nicht-mon­etären Anreizmechanismen.
Nur das Zusam­men­spiel von wet­tbe­werb­s­getrieben­er Inno­va­tions­forschung und Anreizmech­a­nis­men, besten­falls in Gestalt aus­d­if­feren­ziert­er geset­zlich­er Rah­menbe­din­gun­gen für Elek­tro­mo­bil­ität, bieten die notwendi­ge Basis, damit Deutsch­land die Chance erhält, seine hochgesteck­ten Ziele zu erreichen.
Mon­etäre Anreizmechanismen
Um die Kaufentschei­dung für ein Elek­troau­to zu erle­ichtern, wer­den von Poli­tik und Geset­zge­ber ver­schiedene Anreizmech­a­nis­men disku­tiert. Diese lassen sich grob in mon­etäre, also finanzielle Anreize und nicht-mon­etäre Anreize unterteilen. Den mon­etären Anreizmech­a­nis­men unter­fall­en klas­sis­cher­weise Instru­men­tarien wie Steuer­begün­s­ti­gun­gen und die vield­isku­tierte Kauf- bzw. Abwrackprämie.
Das Kraft­fahrzeug­s­teuerge­setz normiert heute für reine eAu­tos in den ersten fünf Jahren ab dem erst­ma­li­gen Tag der Zulas­sung eine voll­ständi­ge Steuer­be­freiung mit ein­er anschließend nur anteili­gen Steuerzahlungspflicht (50%). Der Regierungsen­twurf eines Verkehrss­teuerän­derungs­ge­set­zes vom 23.05.2012 sieht nun eine Aus­dehnung der Kraft­fahrzeug­s­teuer­be­freiung bei Fahrzeu­gen mit Erstzu­las­sung bis 31.12.2015 auf zehn Jahre vor. Bei ein­er Erstzu­las­sung im Zeitraum 01.01.2016 bis 31.12.2020 soll immer­hin noch eine fün­fjährige Steuer­be­freiung gelten.
Außer­dem plante die Bun­desregierung bere­its seit Län­gerem eine Anpas­sung der Dienst­wa­genbesteuerung. Da der Lis­ten­preis des Kraft­fahrzeugs als Besteuerungs­grund­lage für seine pri­vate Nutzung als Dienst­wa­gen dient, sind die gegenüber kon­ven­tionellen Kraft­fahrzeu­gen mit Ver­bren­nungsmo­tor kosten­in­ten­siv­eren Elek­troau­tos klar benachteiligt. Diesen Nachteil will die Bun­desregierung mit ihrem Beschluss zum Jahress­teuerge­setz vom 23. Mai 2012 aus­gle­ichen. Zukün­ftig soll der Lis­ten­preis des Elek­troau­tos um die (fik­tiv­en) Kosten der Bat­terie gekürzt werden.
Weit­ere direk­te finanzielle Anreizmech­a­nis­men stellen staatliche Zuschüsse und Kred­it­pro­gramme für den Erwerb von Fahrzeu­gen dar, wobei nur das Let­ztere für die Bun­desregierung in Betra­cht kommt. Schließlich sollen weit­ere Steuer­begün­s­ti­gun­gen und Son­der­ab­schrei­bungsmöglichkeit­en für Unternehmen die mon­etären Anreize abrunden.
Nicht-mon­etäre Anreizmechanismen
Häu­fig unter­schätzt, aber nicht weniger ein­flussre­ich auf die Kaufentschei­dung sind nicht-mon­etäre Anreize. Diese zie­len darauf ab, die Nutzer von Elek­tro­fahrzeu­gen im All­t­ag zu begün­sti­gen. Disku­tiert wer­den hier beispiel­sweise Son­der­park­flächen für Elek­tro­fahrzeuge und die Ein­rich­tung sog. »0‑E­mis­sions-Zonen«, die nur mit Elek­troau­tos befahren wer­den dür­fen. Das Regierung­spro­gramm Elek­tro­mo­bil­ität schlägt in diesem Zusam­men­hang die Aufhe­bung von Zufahrtsver­boten für Elek­troau­tos vor. Betrof­fen sind hier­von gegen­wär­tig kon­ven­tionell betriebene Fahrzeuge auf­grund des von ihnen aus­ge­hen­den erhöht­en Lär­maufkom­mens bzw. den ein­herge­hen­den Abgas­beläs­ti­gun­gen. Auch die Freiga­be von Busspuren für Elek­tro­fahrzeuge wird disku­tiert. Eben­so wer­den Son­der­fahrspuren bzw. Lade­spuren für Elek­tro­fahrzeuge angedacht. Eine Erprobung im Rah­men der Schaufen­ster­pro­jek­te soll zeigen, ob von diesem Ansatz eine Anreizwirkung für die Zukun­ft ausgeht.
Ver­voll­ständigt wer­den sollen diese nutzer­be­zo­ge­nen nicht­mon­etären Anreizmech­a­nis­men durch reg­u­la­torische Vor­gaben. Hier set­zt der Staat ord­nungspoli­tis­che Rah­menbe­din­gun­gen, die sich auf den Elek­tro­mo­bil­itäts-Markt förder­lich auswirken sollen. Als solche sind etwa die Ein­führung bzw. Ausweitung von Umwelt­zo­nen, die Ein­führung ein­er schad­stof­fab­hängi­gen City­maut sowie die Fest­set­zung bes­timmter Flot­ten­ver­brauchs­gren­zw­erte anzuse­hen. Let­ztere zielt darauf ab, die CO2-Emis­sio­nen des Straßen­verkehrs durch verbindliche Vor­gaben von Flot­ten­ver­brauchs­gren­zw­erten merk­lich einzudäm­men. Abgerun­det wer­den die benan­nten nicht-mon­etäre Anreizmech­a­nis­men durch die Anpas­sung all­ge­mein­er geset­zlich­er Rah­menbe­din­gun­gen (Stich­wort Kennze­ich­nungs­be­darf »Emis­sions­freies Fahrzeug«) sowie Maß­nah­men, die den Auf­bau der Infra­struk­tur begün­sti­gen sollen (z.B. Fest­set­zun­gen zur Lade­in­fra­struk­tur in Bebauungsplänen).
Immer wieder wird dabei die grund­sät­zliche Zuläs­sigkeit dieser priv­i­legieren­den Anreize disku­tiert. Es stellt sich die Frage, ob der­ar­tige Anreize mit dem Ver­fas­sungsrecht, ins­beson­dere mit dem Gle­ich­heits­grund­satz, im Ein­klang sind. Es ist aber zu berück­sichti­gen, dass nicht jed­er Ein­griff in ein Grun­drecht zwin­gend einen Ver­stoß gegen das Grundge­setz darstellt. Auch Ein­griffe in Grun­drechte kön­nen gerecht­fer­tigt sein. Mit Blick auf den intendierten Kli­ma- und Gesund­heitss­chutz lassen sich viele Priv­i­legien für Elek­troau­tos gut recht­fer­ti­gen, weshalb grund­sät­zliche ver­fas­sungsrechtliche Bedenken nicht bestehen.
Hand­lungsempfehlun­gen der NPE
Damit die Mark­ten­twick­lung der Elek­tro­mo­bil­ität auch in der Zukun­ft erfol­gre­ich voran­schre­it­en kann, hat die NPE gle­ichzeit­ig mit ihrem drit­ten Fortschritts­bericht Hand­lungsempfehlun­gen an die Bun­desregierung übergeben. Unterteilt in sechs Kern­botschaften und Empfehlun­gen betont sie ins­beson­dere die Beibehal­tung des Schw­er­punk­tes auf Forschung und Entwick­lung. In sein­er Kern­botschaft F&E‑Leuchttürme fordert die NPE daher eine zügige und kon­se­quente Umset­zung der geplanten Pro­jek­te in den Bere­ichen Forschung und Entwick­lung sowie deren Ver­ste­ti­gung. Weit­er­hin fordert sie die Weit­er­bil­dung und Qual­i­fizierung der erforder­lichen Fach- und Führungskräfte. Dazu ist nach der Kern­botschaft Lei­tan­bi­eter­schaft die zeit­na­he Umset­zung der Kom­pe­tenz-Roadmap erforder­lich. Diese hat das Ziel, akademis­che und beru­fliche Aus- und Weit­er­bil­dung auf das Ziel Deutsch­lands zur Lei­tan­bi­eter­schaft auszuricht­en. Bestandteil dieser Kern­botschaft ist eben­falls die kon­tinuier­liche For­ten­twick­lung und Umset­zung der Nor­mungs-Roadmap zur ver­stärk­ten nationalen wie inter­na­tionalen Zusam­me­nar­beit. Betont wird auch eine Fokussierung auf die Nutzer­per­spek­tive. Die Kern­botschaft Sys­temis­ch­er Ansatz zielt daher auf die Gewin­nung von Kun­de­nakzep­tanz durch branchenüber­greifende Zusam­me­nar­beit in den Schaufen­stern und F&E‑Leuchttürmen ab. Ergänzt wer­den diese Ansätze durch die Kern­botschaft Leit­markt, Schaufen­ster, Lei­tan­bi­eter­schaft und Leit­markt. Diese plädieren u.a. für den Abbau von Hür­den für die Mark­ten­twick­lung der Elek­tro­mo­bil­ität, die ver­stärk­te Unter­suchung poten­zieller neuer Ladelö­sun­gen im Fahrzeug- und Bat­teriebere­ich, spez­i­fis­che Schw­er­punk­t­set­zun­gen in den vier Schaufen­ster­pro­jek­ten zur Ver­i­fika­tion der NPE-Annah­men und Mod­elle sowie die Beauf­tra­gung ein­er neu­tralen wis­senschaftlichen Insti­tu­tion, die mit der Fortschrei­bung des TCO-Mod­ells beauf­tragt wird.
Faz­it
Das Experten­gremi­um der NPE hält die anvisierte Lei­tan­bi­eter­po­si­tion Deutsch­lands weit­er­hin für ein real­is­tis­ches Ziel. Neben den benan­nten Kern­botschaften hält das Gremi­um die Fokussierung auf die Nutzer­akzep­tanz für eine der wesentlichen Voraus­set­zun­gen hier­für. Auch aus unser­er Sicht ist es drin­gend erforder­lich, dass möglichst viele der bish­er angedacht­en Anreizmech­a­nis­men tat­säch­lich umge­set­zt wer­den. Denn nicht nur durch Kauf­prämien und Steuervergün­s­ti­gun­gen son­dern ins­beson­dere auch durch eine attrak­tive Gestal­tung der Nutzung von Elek­tro­fahrzeu­gen kann eine erfol­gre­iche und zukun­fts­fähige Mark­te­in­führung der Elek­tro­mo­bil­ität gelin­gen. Deshalb kommt unser­er Ansicht nach den nicht-mon­etären Anreizen eine Schlüs­sel­rolle bei der Mark­ten­twick­lung zu. Hier beste­ht aber noch erhe­blich­er Hand­lungs­be­darf. Ob bzw. in welchem Umfang kün­ftig Elek­troau­tos im Straßen­verkehr priv­i­legiert wer­den, wird zeigen, wie ernst es den poli­tisch Ver­ant­wortlichen tat­säch­lich ist mit ihren ambi­tion­ierten Zielen.
Dr. Peter Bach­mann & Chris­t­ian Alexan­der Mayer
Rechtsanwälte
Noerr LLP
www.noerr.com

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