Wird Deutschland Leitmarkt für Elektromobilität?

Mit großer Euphorie und Begeis­terung wurde im August 2009 der Nationale Entwick­lungs­plan Elek­tro­mo­bil­ität vorgestellt, in der sich die Bun­desregierung das Ziel set­zte, Deutsch­land mit ein­er Mil­lion eFahrzeuge bis 2020 zu einem weltweit führen­den Leit­markt für Elek­tro­mo­bil­ität zu machen.
Drei Jahre später ist in der deutschen Elek­tro­mo­bil­itätsszene jedoch eine gewisse Ernüchterung einge­treten, denn der Markt läuft nur schlep­pend an. So wur­den laut Kraft­fahrzeug­bun­de­samt (KBA) 2011 in Deutsch­land nur 2.154 eFahrzeuge zuge­lassen, was einem Mark­tan­teil von unter 0,1 % entspricht. Und auch im ersten Hal­b­jahr 2012 wur­den ger­ade ein­mal 1.419 eAu­tos neu zuge­lassen, obwohl in der Zwis­chen­zeit wichtige Mod­elle wie der Opel Ampera, der Renault Flu­ence oder der Nis­san Leaf auf den Markt gekom­men sind. Ins­beson­dere die Verkauf­szahlen des Opel Ampera (629 Fahrzeuge von Jan­u­ar bis Juli 2012) sind dabei beson­ders ent­täuschend, ver­ban­den doch viele große Hoff­nun­gen mit diesem Fahrzeug.
Das Ziel der Bun­desregierung, Deutsch­land bis 2020 mit ein­er Mil­lion eFahrzeuge zu einem weltweit führen­den Leit­markt für Elek­troau­tos zu machen, ist somit in weite Ferne gerückt. So ist es auch in dem drit­ten Bericht der Nationalen Plat­tform Elek­tro­mo­bil­ität (NPE) nachzule­sen, der im Juni vorgelegt wurde. Dort wird davon aus­ge­gan­gen, dass bis 2020 ca. 600.000 Fahrzeuge erre­ich­bar sind. Doch auch diese Zahl gilt unter vie­len Experten als zu opti­mistisch. So geht die Unternehmens­ber­atung McK­in­sey & Com­pa­ny bei der Berech­nung des Elek­tro­mo­bil­itätsin­dex­es EVI, der vierteljährlich in Zusam­me­nar­beit mit der Wirtschaftswoche veröf­fentlicht wird, aktuell von einem Mark­tan­teil in 2017 von 0,7 % aus, was ca. 20.000 neuzuge­lasse­nen eFahrzeu­gen im Jahr 2017 entsprechen würde. Für andere Län­der ist man übri­gens deut­lich opti­mistis­ch­er: In Japan wird der Anteil von eFahrzeu­gen an den neu zuge­lasse­nen Fahrzeu­gen 2017 zehn Mal größer eingeschätzt als in Deutsch­land, in den USA soll er immer­hin vier Mal größer sein.
Diese Zahlen machen deut­lich, dass das Ziel des glob­alen Leit­mark­tes Elek­tro­mo­bil­ität in Deutsch­land trotz aller bish­eri­gen Bemühun­gen ohne weit­ere Investi­tio­nen und Förder­pro­gramme wahrschein­lich nicht erre­icht wer­den kann. Doch derzeit lässt sich nicht erken­nen, dass die Bun­desregierung entschlossen ist, durch entsprechende Investi­tio­nen und Förder­pro­gramme der aktuellen Entwick­lung ent­ge­gen­zus­teuern. So wer­den z.B. die in anderen Län­dern üblichen Kauf­prämien weit­er­hin kat­e­gorisch abgelehnt, wie der Wirtschaftsmin­is­ter erst kür­zlich wieder bekräftigte.
Stattdessen scheint ein Sinneswan­del einge­treten zu sein: »Lei­tan­bi­eter statt Leit­markt« lautet die neue Zauber­formel. Deutsche Anbi­eter sollen im Aus­land — dort, wo die großen Märk­te für Elek­tro­mo­bil­ität entste­hen — das große Geld machen und sich mit tech­nisch aus­gereiften Lösun­gen glob­al zu einem führen­den Anbi­eter von eFahrzeu­gen auf­schwin­gen. Dass Deutsch­land hierzu sehr gut posi­tion­iert ist, gilt als unbe­strit­ten und lässt sich u.a. im NPE Bericht nachlesen.
Dieser Ansatz erscheint zunächst — ins­beson­dere vor dem Hin­ter­grund der aktuellen Finanzkrise und leer­er Staatskassen — vernün­ftig. Er ist jedoch auch nicht ganz unprob­lema­tisch. Denn es ist zumin­d­est frag­würdig, ob und inwieweit deutsche Anbi­eter eine glob­ale Lei­tan­bi­eter-Posi­tion erre­ichen kön­nen, ohne einen starken Heimat­markt zu haben, indem sie neue Lösun­gen und Geschäftsmod­elle entwick­eln, aus­pro­bieren und großflächig ver­i­fizieren kön­nen. Schließlich geht es in der Elek­tro­mo­bil­ität nicht nur um das reine Verkaufen von eFahrzeu­gen oder ‑Antrieben, son­dern um das Entwick­eln gän­zlich neuer Geschäftsmod­elle, Dien­stleis­tun­gen und Ser­vices. So mag es vielle­icht den bere­its glob­al aufgestell­ten deutschen Auto­mo­bil­her­stellern gelin­gen, glob­ale Erfolge mit dem Verkauf von eFahrzeug­mod­ellen zu erzie­len. Dass sich ein deutsches Start-Up-Unternehmen ohne einen starken Heimat­markt und entsprechende Erfahrun­gen zu glob­alen Erfol­gen auf­schwingt, scheint aber eher unwahrschein­lich, zumal das man­gel­nde Com­mit­ment der Bun­desregierung in Verbindung mit der ent­täuschen­den Mark­ten­twick­lung zwangsläu­fig dazu führt, dass sich dafür notwendi­ge Inve­storen von Deutsch­land abwenden.
Aber es geht bei der Elek­tro­mo­bil­ität ja nicht nur um wirtschaftliche Inter­essen und Indus­triepoli­tik, son­dern vor allem auch um den möglichst schnellen Wan­del zu ein­er nach­halti­gen, ressourcenscho­nen­den Mobil­ität auf Basis Erneuer­bar­er Energien. So wie es derzeit aussieht, wird man in Deutsch­land auf diesen Wan­del voraus­sichtlich etwas länger warten müssen, als man noch 2009 gehofft hat. Aber auch wenn sich der Prozess in Deutsch­land aktuell langsamer vol­lzieht als gewün­scht, so lässt sich eben­so erken­nen, dass er nicht mehr umkehrbar ist.
Dr. Jan Peter Korthals
BEM-Beirat

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