Selbständige Experten sind in der eMobilität-Branche Gold wert — Interview mit Markus Emmert

11. Okto­ber 2019 / Artikel erschienen auf ⇢ www.krongaard.de
Die eMo­bil­ität ist eine noch recht junge Branche, doch schon jet­zt bildet sich hier ab, was in anderen Seg­menten bere­its Stan­dard ist: Selb­ständi­ge Experten nehmen eine Schlüs­sel­rolle in den Bere­ichen Wis­senstrans­fer und Inno­va­tion ein. Das bestätigt auch Markus Emmert vom Bun­desver­band eMo­bil­ität e.V. (BEM). Er gilt als aus­gewiesen­er Fach­mann im Bere­ich eMo­bil­ität und ken­nt die Her­aus­forderun­gen für diese Branche. Und er weiß: Selb­ständi­ge Spezial­is­ten wer­den auf dem Markt immer wichtiger. Ein Gespräch über neue Struk­turen in den Unternehmen — und in den Köpfen der Entscheider.
Herr Emmert, eines der größeren, deutschen Qual­itäts-Nachricht­en­me­di­en** titelte jüngst:  2019 wird das Jahr der Elek­tro­mo­bil­ität. Wie beurteilen Sie als Fach­mann diese These?
Markus Emmert: Ähn­lich. 2019 wird defin­i­tiv einiges geschehen, was dem The­ma eMo­bil­ität zusät­zlichen Zünd­stoff ver­lei­hen wird. Ob das jet­zt die Lade-Infra­struk­tur oder neue Fahrzeuge bet­rifft, um nur einige der The­men zu nen­nen. Wir vom Bun­desver­band eMo­bil­ität* spüren deut­lich, dass Bewe­gung in den Markt kommt. Und das branchenüber­greifend. Das ist gigantisch.
Welche Branchen haben denn eine Schnittstelle mit der eMobilität?
Markus Emmert: Anders herum gefragt: Welche haben keine Schnittstellen. Ich kenne fast keine Branche, die keine Schnittstelle zur eMo­bil­ität hat. Die KFZ-Branche, die KFZ-Tech­nolo­gie-Zulief­ererbe­triebe, die Energiewirtschaft, die Baubranche, das gesamte Verkehrs­the­ma, der mar­itime Bere­ich, das The­ma Son­der­bau­maschi­nen oder die Land­wirtschaft: Für sie alle ist eMo­bil­ität ein rel­e­van­ter Bere­ich.  Dazu kom­men angren­zende Seg­mente, das Gebi­et der Mobil­ität im All­ge­meinen. Hier sprechen wir beispiel­sweise vom autonomen und teilau­tonomen Fahren – und bewe­gen uns im Bere­ich der Dig­i­tal­isierung von Big Data und Blockchain. Kurz: Es gibt keine Branche, die nichts mit dem The­ma eMo­bil­ität zu tun hat.
Warum kommt jet­zt so viel Dynamik in den Markt? Oder bess­er: Warum erst jet­zt, wo doch bere­its 2020 eine Mil­lion E‑Autos in Deutsch­land fahren sollten?
Markus Emmert: Diese Frage lässt sich nur beant­worten, wenn wir zuvor den Fokus fes­tle­gen. Denn:  Inter­na­tion­al wird speziell das The­ma eMo­bil­ität viel, viel weit­er gedacht. Denken wir nur an die Smart-City-Pro­jek­te in Chi­na. Davon sind wir nation­al gese­hen ganz weit weg. Genau daher aber rührt die von Ihnen ange­sproch­ene Dynamik auf dem deutschen Markt. Es ist der Druck von außen. Die USA und über­wiegend Asien haben bere­its kom­plett fer­tige Ideen und Pro­duk­te am Markt. Es beste­ht akuter Hand­lungs­be­darf, wenn wir weit­er in diesem Teich mit schwim­men und uns inter­na­tion­al im Bere­ich eMo­bil­ität behaupten wollen.
Wer sind denn in Ihren Augen inter­na­tion­al gese­hen die Innovationstreiber?
Markus Emmert: Da gibt es ver­schiedene Play­er. Ein­er der größeren ist Tes­la***. Die haben das Fahrzeug an sich neu gedacht — und haben natür­lich den Vorteil, dass sie als Unternehmen keine Alt­las­ten hat­ten, dass sie in kom­plett neuen Struk­turen denken kon­nten. Und vergessen wir nicht: Auch Apple, Google oder Sam­sung spie­len auf diesem Markt mit. Das sorgt bei vie­len Unternehmen für ein Umdenken und für neue Konzepte.
Kurz: Der Druck ist hoch und die deutsche Wirtschaft rüstet sich für den Wet­tbe­werb. Was ein­fach­er klingt als es ist, oder? Stich­wort Fachkräftemangel.
Markus Emmert: Allerd­ings. Diese Erken­nt­nis, dass etwas geschehen muss, ist gut und notwendig, allerd­ings beste­ht die Prob­lematik, dass nie­mand die Unternehmen an die Hand nimmt und ihnen sagt, wie sie jet­zt vorge­hen soll­ten. Nie­mand zeigt ihnen den Weg. Weil es auf dem nationalen Markt einen mas­siv­en Man­gel an Know-how, an Spezial­is­ten und Beratern gibt. Und das nicht nur im Bere­ich eMo­bil­ität, son­dern in allen Branchen.
Wie erk­lären Sie sich das?
Markus Emmert: Wir leben in ein­er kom­plett neuen Zeit. Die ganzen Entwick­lun­gen und Ideen kön­nen nicht 15 Jahre warten. Prozesse in Betrieben müssen schneller laufen, das Kli­ma in Unternehmen inno­va­tions­fre­undlich­er wer­den. Manche Unternehmen kön­nen das nur schw­er umset­zen; der Infor­ma­tions­fluss ist zu langsam. Wir haben aber gle­ichzeit­ig verkan­nt, wie wichtig es ist, unser Know-how in Deutsch­land zu hal­ten und auszubauen und das The­ma ganzheitlich zu denken. Ein Beispiel aus der eMo­bil­ität: Wir küm­mern uns um Bat­te­rien und tech­nis­che Entwick­lun­gen. Hier liegt der Fokus. Was wir vergessen, sind die The­men Aus­bil­dung und Beratung: Ich kann kein Auto verkaufen, wenn ich keinen Verkäufer habe, der die Basics drauf hat. Und ich kann diese Grund­la­gen nicht schaf­fen, wenn ich keine Spezial­is­ten am Markt habe, die ihr Wis­sen weitergeben.
Es fehlt also an Wis­sensträgern und Prozessspezial­is­ten auf dem deutschen Markt.
Markus Emmert: Abso­lut. Wir haben unglaublich viel Know-how und Geist in Deutsch­land, aber der wird sel­ten gese­hen oder intern im Keim erstickt. Die Tal­ente gehen ins Aus­land, wo sowohl poli­tisch als auch wirtschaftlich Raum für Inno­va­tio­nen besteht.
Selb­ständi­ge Experten kön­nten hier eine Lösung darstellen. Sie brin­gen als Spezial­is­ten ihr gesam­meltes Wis­sen in ein Unternehmen ein.
Markus Emmert: Abso­lut richtig und wichtig! Unternehmen hat­ten und haben lei­der oft­mals immer noch die Angst, dass selb­st­ständi­ge Experten auf Zeit internes Wis­sen nach außen tra­gen, es also nach Abschluss ihrer Tätigkeit bei einem Mit­be­wer­ber ein­brin­gen. Dieses Denken ist fatal und nicht mehr zeit­gemäß. In meinen Augen ist die Beauf­tra­gung von selb­st­ständi­gen Spezial­is­ten in der eMo­bil­ität eine große Chance. Nur so komme ich zu neuem Denken und neuen Struk­turen in einem Unternehmen. Intern ist das kaum möglich. Sie brauchen den Impuls von außen. Es ist doch so: eMo­bil­ität kann ich als  Unternehmen nicht mehr alleine denken und in die Hand nehmen. Ich muss es zulassen, in Net­zw­erken und Koop­er­a­tio­nen zu denken. Das sind wir in Deutsch­land nur nicht gewohnt.
Sie empfehlen also ganz bewusst die Zusam­me­nar­beit auf Zeit mit hochqual­i­fizierten Spezialisten?
Markus Emmert: Meines Eracht­ens nach müssen wir so vorge­hen, um Ergeb­nisse zu schaf­fen. Wir müssen selb­st­ständi­ge Spezial­is­ten ins Boot holen und ver­stärkt auch mit Start-ups kooperieren. Das ist vie­len Unternehmen auch bere­its bewusst. Allerd­ings gibt es immer noch zu wenig echte Change Mak­er in den Entschei­derebe­nen, die diese Erken­nt­nis wirk­lich leben. Diese leis­ten sich dann meist eine interne Inno­va­tion­s­abteilung mit kleinem Bud­get, die nicht wirk­lich Schlagkraft hat. Und man muss zudem ehrlicher­weise sagen: Es gibt ein­fach nicht sehr viele Kapaz­itäten und Ressourcen am Markt.
Den­noch, so sagten Sie zu Beginn unseres Gesprächs, wird 2019 ein dynamis­ches Jahr für die eMobilität …
Markus Emmert: Ich bin sehr opti­mistisch. Die neuen The­men und Entwick­lun­gen sind nicht mehr umkehrbar. Die find­en statt – mit oder ohne uns. Das ist allen bewusst. Auch der Indus­trie und Wirtschaft. Diese kommt um ein Umdenken gar nicht drum herum. Und das wird sich fühlbar auszahlen. Denn ein Experte auf Zeit hat ja nicht nur den Vorteil, dass er bere­its eine Vielfalt an beru­flichen Erfahrun­gen und Auf­gaben­stel­lun­gen gesam­melt hat, er bringt zudem eine branchenüber­greifende Per­spek­tive mit. Das ist Gold wert!  Wenn ein Spezial­ist aus der Auto- und Motor-Sparte ein Unternehmen aus der Energiewirtschaft berät, wer­den sie fest­stellen, wie viele Par­al­le­len es gibt. Viele Branchen arbeit­en in der eMo­bil­ität an ähn­lichen Fragestel­lun­gen, ohne sich jemals auszu­tauschen. Das unterbindet Poten­tiale. Ein selb­st­ständi­ger Experte auf Zeit kann hier wertvollen Input liefern und inno­v­a­tive Impulse setzen.
Das Inter­view find­en Sie hier

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