Offener Brief: Keine Energiewende ohne Mobilitätswende

Berlin, 02. April 2014
Sehr geehrter Herr Bun­desmin­is­ter Gabriel,
die Krim-Krise hat uns ein­mal mehr vor Augen geführt, wie prob­lema­tisch die große Abhängigkeit von rus­sis­chen Öl- und Gasliefer­un­gen ist. Wie aktuellen Medi­en­bericht­en zu ent­nehmen ist, betra­cht­en Sie die rus­sis­chen Energieliefer­un­gen derzeit allerd­ings als alter­na­tiv­los. Wir erlauben uns, Ihnen an dieser Stelle zu wider­sprechen und möchte Ihnen einen alter­na­tiv­en Lösungsweg vorschla­gen: Lassen Sie uns doch gemein­sam alle Kräfte bün­deln und zwei Fliegen mit ein­er Klappe schlagen.
Wir reduzieren die Abhängigkeit von Rus­s­land nicht, indem wir andere Quellen für Öl und Gas suchen, son­dern indem wir die Abhängigkeit von fos­silen Rohstof­fen durch eine erfol­gre­iche Energie- und Mobil­itätswende reduzieren.
Wie Sie wis­sen, hat der Verkehrssek­tor in Deutsch­land einen Anteil am Enden­ergie­ver­brauch von etwa 30 Prozent. Auch der Anteil des Verkehrs am CO2-Ausstoß ist mit cir­ca 20 Prozent erhe­blich. Berück­sichtigt man zudem die seit Jahren steigende Verkehrsleis­tung, so machen die Zahlen deut­lich: Ohne den Verkehrssek­tor geht es nicht – Energie- und Mobil­itätswende müssen gemein­sam gedacht und angepackt werden.
Zum einen gilt es, den Kraft­stof­fver­brauch und die CO2-Emis­sio­nen im Verkehr zu reduzieren. Elek­tro­mo­bil­ität auf Basis Erneuer­bar­er Energien kann dazu beitra­gen, die Abhängigkeit von fos­silen Rohstof­fen zu ver­ringern und zur Energieau­tarkie sowie zum Erre­ichen der Kli­maschutzziele der Bun­desre­pub­lik beizu­tra­gen. Zum anderen hält der Verkehrssek­tor auch span­nende tech­nis­che Lösun­gen für die Energiewende bere­it, die bish­er viel zu wenig Beach­tung find­en. So bergen zum Beispiel intel­li­gente Strom­net­ze in Verbindung mit rück­speise­fähi­gen Elek­tro­fahrzeu­gen das Poten­tial, die Last­spitzen regen­er­a­tiv­er Stromerzeu­gung abzupud­ern, indem sie als mobile Energiespe­ich­er fungieren.
Aktuell ver­misst die Branche ein klares Beken­nt­nis zur Energie- und Mobil­itätswende. Forderun­gen aus den Rei­hen der großen Koali­tion, die umstrit­tene Frack­ing-Tech­nik als Alter­na­tive zu rus­sis­chem Gas in Betra­cht zu ziehen, sind die völ­lig falsche Antwort auf die Energiefrage. Vielmehr sollte das Ziel sein, so schnell wie möglich unab­hängig von fos­silen Rohstof­fen gle­ich welch­er Herkun­ft zu werden.
Entschei­dend für eine ambi­tion­ierte Mobil­itätswende als inte­graler Teil der Energiewende sind unseres Eracht­ens fol­gende Punkte:

  • Der Verkehrssek­tor muss viel stärk­er als bish­er im Sinne ein­er ganzheitlichen Lösung in die Energiewende mit ein­be­zo­gen wer­den. Es ist drin­gend erforder­lich, dass die The­men Elek­tro­mo­bil­ität und Bauen viel stärk­er als bish­er miteinan­der verknüpft werden.
  • Ein geschlossenes, engagiertes Auftreten aller an der Energie- und Mobil­itätswende beteiligten Min­is­te­rien. Lei­der beobacht­en wir in der poli­tis­chen Prax­is, dass häu­fig streng nach Zuständigkeit der Min­is­te­rien wichtige Teil-Aspek­te der Mobil­itätswende aus­ge­blendet wer­den oder Kom­pe­ten­zgerangel sach­di­en­liche Lösun­gen verzögert oder gar verhindert.
  • För­der­mit­tel für Elek­tro­mo­bil­itäts-Pro­jek­te müssen wieder aus dem Bun­de­shaushalt kom­men. Die Finanzierung aus dem Energie- und Kli­ma­fonds funk­tion­iert ganz offenkundig nicht. Bere­its bewil­ligte Förder­pro­jek­te im Bere­ich Elek­tro­mo­bil­ität warten zum Teil seit Monat­en auf die Freiga­be von Fördergeldern. Die daraus resul­tierende, fehlende Pla­nungs- und Finanzsicher­heit stellt ins­beson­dere Klein- und Mit­tel­ständis­che Unternehmen vor große Prob­leme und bremst Innovation.
  • Beim Auf­bau von Lade­in­fra­struk­tur für Elek­tro­fahrzeuge wer­den den beteiligten Unternehmen unzäh­lige Steine in den Weg gelegt. Häu­fig man­gelt es an klaren Zuständigkeit­en und Regelun­gen. Ein Bürokratieab­bau im Sinne kürz­er Entschei­dungswege ist drin­gend notwendig.
  • Eine öffentliche Beschaf­fungsini­tia­tive, die Bund, Län­der und Kom­munen bei der Umstel­lung ihrer Fuhrparks auf saubere Antriebe unter­stützt. Die öffentliche Hand schafft auf diese Weise einen wichti­gen Absatz­markt für alter­na­tive Antriebe, über den sich wichtige Skalen­ef­fek­te real­isieren lassen und trägt außer­dem zum Erre­ichen der nationalen Kli­maschutzziele bei.

Die jüngst bekan­nt gewor­de­nen Pläne zur Ver­ab­schiedung eines Elek­tro­mo­bil­itäts­ge­set­zes sind grund­sät­zlich begrüßenswert und ein Schritt in die richtige Rich­tung. Nach ein­er lan­gen Phase des Beina­he-Still­stands im Bere­ich Elek­tro­mo­bil­ität drän­gen wir nun nach­drück­lich auf eine schnelle Umset­zung der Pläne, damit den vielfachen Ankündi­gun­gen auch endlich sicht­bare Tat­en folgen.
Nur durch eine ambi­tion­ierte Energie- und Mobil­itätswende kön­nen wir gewährleis­ten, den starken Wirtschafts­stan­dort Deutsch­land für die Zukun­ft erfol­gre­ich aufzustellen und gle­ichzeit­ig die Abhängigkeit von fos­silen Rohstof­fen zu reduzieren.
Gerne brin­gen wir als Ver­band unsere Exper­tise ein, um Ihnen die zahlre­ichen Chan­cen der Elek­tro­mo­bil­ität als inte­graler Baustein der Energiewende aufzuzeigen und zum erfol­gre­ichen Gelin­gen ein­er ganzheitlichen Energie- und Mobil­itätswende beizutragen.
Dieses Schreiben geht in Kopie eben­falls an Her­rn Bun­desmin­is­ter Dobrindt und Frau Bun­desmin­is­terin Hen­dricks sowie an Vertreter der Medien.
Mit fre­undlichen Grüßen
BEM-Präsi­dent Kurt Sigl und BEM-Vizepräsi­dent Chris­t­ian Heep
PDF-Down­load: ⇢ Offen­er Brief: Keine Energiewende ohne Mobilitätswende

Nach oben