Prima Materia

Eine pri­ma Sache, kön­nte man meinen. Gemeint ist hier aber das entliehene, eher aris­totelis­che Ver­ständ­nis vom Sub­strat des Wer­dens. Die vielfälti­gen Möglichkeit­en der intel­li­gen­ten Nutzung inno­v­a­tiv­er, zukun­ftsweisender und nach­haltiger Tech­nolo­gie sind abhängig von dem Willen, diese Poten­ziale auch nutzen zu wollen. Der Titel soll hier sinnbildlich aufzeigen, dass wir ten­den­ziell über einen fortschrit­tlichen Geist ver­fü­gen, diesen aber in meta­ph­ysis­chem Sinn um Fun­da­ment, Struk­tur, Prinzip und Per­spek­tive erweit­ern müssen. Sinn und Zweck, der sich hin­ter den bei­den Schlüs­sel­tech­nolo­gien Erneuer­bare Energie und Elek­tro­mo­bil­ität ver­steckt, muss von den rel­e­van­ten Akteuren ver­standen und ins­beson­dere gewollt werden.
Es han­delt sich bei den hier ange­sproch­enen Tech­nolo­gien nicht um irgen­deine neue Pro­duk­te­in­führung, son­dern um einen Sys­temwech­sel — ein rel­e­vantes Ereig­nis mit dur­chaus his­torisch­er und indus­triepoli­tis­ch­er Bedeu­tung. Der weit­ere Ver­lauf der Geschichte kann in einem beson­deren Maß pos­i­tiv für uns und nach­fol­gende Gen­er­a­tio­nen bee­in­flusst wer­den. Die damit ein­herge­hende Ver­ant­wor­tung sollte uns klar sein. Die Inklu­sion von Wertschöp­fung auch.
In diesem Kon­text ist es nicht zielführend, halb­herzig oder mit ver­wirren­den Aus­sagen eine Entwick­lung zu behin­dern, die grund­sät­zlich auf einem guten Weg ist. So hat erst jüngst die Presse beun­ruhi­gende Mel­dun­gen verkün­det, nach denen man den Ein­druck gewin­nen kon­nte, die Ambi­tion Elek­tro­mo­bil­ität würde an politschem Inter­esse ver­lieren. Dass dies auf dem NPE-Gipfel­tr­e­f­fen dann glück­licher­weise rel­a­tiviert, bzw. tat­säch­lich ganz anders präsen­tiert wor­den ist, ändert nichts an den Mel­dun­gen, die bere­its das Mei­n­ungs­bild viel­er in der Bevölkerung erre­icht haben. Zudem sind das strate­gis­che Kalkül, das dem genauen Beobachter die ver­steck­ten Hin­tertüren aufzeigt, und die poli­tis­che Gle­ichgültigkeit, die man ver­muten kann, nicht länger akzept­abel. Hier muss ein Wech­sel zumin­d­est in der Inten­tion stat­tfind­en. Ide­al­er­weise soll­ten ern­sthafte Maß­nah­men auch bere­its vor der näch­sten Wahl verbindlich ein­geleit­et und umge­set­zt werden.
Poli­tik, Indus­trie, Wirtschaft, Forschung und die beteiligten Branchen­ver­bände sind in wech­sel­seit­igem Aus­tausch und konkreter Ini­tial­isierung aufge­fordert, bere­its vorhan­dene Poten­ziale im Modus Chef­sache anzuge­hen. Damit ist eine struk­turi­erte Herange­hensweise gemeint, die vorder­gründig die Zield­e­f­i­n­i­tion fokussiert und sich mit einem Selb­stver­ständ­nis auf den Weg macht, das glaub­haft erken­nen lässt, dass man dieses Ziel auch zeit­nah erre­ichen will:
Leit­markt und Lei­tan­bi­eter für eine emis­sion­sarme Neue Mobil­ität auf Basis Erneuer­bar­er Energien. Damit sind wir in der Lage eine europäis­che Führungsrolle auf inter­na­tion­al sicht­barem Niveau zu erre­ichen. Mit diesem Engage­ment sind im übri­gen keine weit­eren Kongress-Schleifen und Sym­posien gemeint. Natür­lich ist die Ver­mit­tlung neuer Erken­nt­nisse, weit­ere Forschung und ein branchenüber­greifend­er Aus­tausch enorm wichtig. Derzeit ist aber ein­er­seits kein gross­er Erken­nt­nis­gewinn mehr zu verze­ich­nen und ander­er­seits lassen einige der ewig gle­ichen Red­ner nicht ver­muten, dass sie selb­st von der notwendi­gen Überzeu­gung begleit­et wer­den, die Grund­vo­raus­set­zung wäre, um den Stel­len­wert und die nach­haltige Per­spek­tive für die Gemein­schaft zu erken­nen. Das Prob­lem liegt nicht in man­gel­n­dem Ver­trauen in die Inno­va­tion­skraft unser­er Auto­mo­bilin­dus­trie oder einem möglichen Hemm­nisver­dacht im poli­tis­chen Beziehungs­ge­flecht wider­sprüch­lich­er Indus­triein­ter­essen. Das Prob­lem liegt größ­ten­teils im Fak­tor Zeit.
Wir soll­ten anfan­gen in Betra­cht zu ziehen, dass die Zeitspanne, die uns bleibt, um unsere Rolle im glob­alen Mark­tum­feld zukün­ftiger Mobil­ität zu sich­ern, eine weit­ere Null­runde mit dem Ver­lust von Wertschöp­fung quittiert.
Ich bin es sprich­wörtlich leid mir immer und immer wieder anhören zu müssen, warum, was, wieso ger­ade noch nicht geht, welche Hür­den welche Maß­nahme ger­ade verzögern, dass man noch Zeit bräuchte oder auch die sich wieder­holende Aus­sage man wäre ja bere­its mit­ten drin und müsse halt noch etwas Geduld haben. Ein dehn­bar­er Begriff.
Es müsste doch eigentlich schneller gehen mit der Energiewende und der eMo­bil­ität. Das sollte doch mach­bar sein. Ja. Ist es auch, aber nur, wenn das alle auch wirk­lich wollen.
In diesem Szenario wür­den die rel­e­van­ten Play­er naturgemäß eine ganz andere Geschwindigkeit vorgeben und hät­ten mit Sicher­heit, schon sog­ar bere­its verkün­dete Maß­nah­men wie das Prob­lem mit der Dienst­wa­genbesteuerung, umge­set­zt. Das wird derzeit aber immer noch beraten.
Die Leg­isla­tive hat über ihre Möglichkeit der Geset­zge­bung und der Schaf­fung von poli­tis­chen Rah­menbe­din­gun­gen eine Steuerungs­funk­tion. Sie hat gle­ichzeit­ig aber auch die Auf­gabe sich auf ethis­che und moralis­che Werte zu verpflicht­en, die grund­sät­zlich dem Prinzip der Nach­haltigkeit fol­gen. Wenn wir das in der Mehrheit unser­er Entschei­dun­gen nicht schaf­fen, sehe ich auch weit­er­hin schwarz. Oder rot. Wie Sie wollen. Am Ende haben wir alle eine Wahl.
Es gilt zu begeis­tern, zu überzeu­gen, aufzuk­lären und über tradierte Ver­hal­tens­muster erneut nachzu­denken, um einen ins­ge­samt nach­haltigeren Weg ein­schla­gen zu kön­nen. Dies muss nicht zulet­zt auch von Poli­tik und Wirtschaft gewollt sein, son­st kann dieser Wech­sel nicht gelingen.
Edi­to­r­i­al von Chris­t­ian Heep, Vor­stand Mar­ket­ing im Bun­desver­band eMo­bil­ität und Chefredak­teur der NEUEN MOBILITÄT / Aus­gabe 09 / Okto­ber 2012

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