Regierung bremst eMobilität aus

30. Jan­u­ar 2020 / Artikel erschienen auf ⇢ www.wallstreet-online.de
wallstreet:online sprach mit Kurt Sigl, Präsi­dent des Bun­desver­band eMo­bil­ität (BEM). Der BEM ver­tritt die Inter­essen wichtiger Play­er aus der E‑Mobilitätsbranche wie z. B. Tes­la, Nio, Streetscoot­er und Renault. wallstreet:online: Kann aus Ihrer Sicht der Umwelt­bonus den E‑Au­to-Absatz in Deutsch­land steigern?
Kurt Sigl: Wir sehen im Moment block­ierte För­der­mech­a­nis­men und damit block­ierten Absatz. Obwohl die Bun­desregierung im Novem­ber 2019 den Umwelt­bonus von bis zu 6.000 Euro Zuschuss für den Kauf eines Elek­troau­tos ver­sprochen hat, ste­hen Wirtschaft, Händler und Kun­den derzeit im Regen. Offen­bar sind die bürokratis­chen Wege noch nicht entsprechend vor­bere­it­et, so dass Kun­den den Kauf eines eAu­tos gegen­wär­tig hin­auszögern. Damit bleiben die Autos auf dem Hof, der Her­steller kann seinen CO2-Wert nicht verbessern und es dro­ht eine hohe Strafzahlung an die EU. Das ist poli­tis­che Reg­ulierung, wie sie in ein Lehrbuch für Worst-Case-Szenar­ien passt.
wallstreet:online: Was sind aus Ihrer Sicht die drei wichtig­sten geset­zlichen Rah­menbe­din­gun­gen, damit der Aus­bau der Elek­tro­mo­bil­ität in Deutsch­land gelin­gen kann? 
Kurt Sigl: Neben der Freiga­be für den Umwelt­bonus auf eAu­tos muss immer noch an vorder­ster Stelle das Wohn- und Eigen­tum­srecht reformiert wer­den. Solange die Ladesäule Zuhause und am Arbeit­splatz nicht kom­p­lika­tion­s­los einge­baut wer­den kann, solange bockt das ganze Sys­tem. Hier sollte in den Bun­desmin­is­te­rien Bewe­gung noch vor Ostern aufkom­men, damit die Bauin­dus­trie entsprechende Wün­sche im Som­mer umset­zen kann. Dann kann der Hochlauf der eMo­bil­ität in diesem Jahr par­al­lel mit den CO2-Gren­zw­erten erfol­gen und die Unternehmen bekom­men wenig­stens eine Chance, ihre Geld­bußen zu reduzieren.
An zweit­er Stelle sollte ein Ziel­d­a­tum für die Zulas­sung des let­zten Ver­bren­ners definiert wer­den. Wer keine Ziele set­zt, wird sie auch nicht erre­ichen. Wir empfehlen das Jahr 2030.
Und an drit­ter Stelle sehen wir in diesem Jahr den deut­lichen Aus­bau Erneuer­bar­er Energien. Dazu gehört für uns auch das Ende der Diesel-Sub­ven­tio­nen in Höhe von 7,5 Mil­liar­den Euro; Geld – das wun­der­bar in die Ertüch­ti­gung der Daseins­für­sorge fließen kann – Daten­net­ze, Ver­sorg­erqual­ität, behördliche Weit­er­bil­dung und für die Bürg­er eine Infor­ma­tion­skam­pagne, damit Sach­lichkeit in diese Mobil­itätswende einkehrt und die wirtschaftlich Han­del­nden Rück­endeck­ung ver­spüren. Natür­lich kann das nicht mit der Förder-Gießkanne geschehen — zum Gelin­gen der e‑Mobilität ist es notwendig, das Vorhaben als Groß-Pro­jekt einzustufen und eine kom­pe­tente Pro­jekt-Organ­i­sa­tion nach dem Vor­bild von inter­na­tionalen Großpro­jek­ten einzuset­zen. Anders kön­nen Zeit- und Kosten-Risiken nicht min­imiert werden.
wallstreet:online: Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht der Kap­i­tal­markt beim Aus­bau der Elektromobilität?
Kurt Sigl: Der Kap­i­tal­markt spielt eine inter­es­sante Rolle. Strate­giewech­sel wie etwa der von Volk­swa­gen wer­den schneller im inter­na­tionalen Ver­gle­ich bew­ertet. Das schafft Einord­nung und in dem Fall Zuver­sicht. Sorge bere­it­en mir eher die ver­schiede­nen Sig­nale aus der Poli­tik, etwa auf mehrere Mod­ule gle­ichzeit­ig zu set­zen, wie die Diskus­sion um Wasser­stoff oder Syn-Fuel zeigen. Das schwächt die Muti­gen und beweist, dass die Poli­tik keine klare Hand­lungslin­ie hat.
wallstreet:online: Wäre aus Ihrer Sicht eine Erhöhung der CO2-Steuer sin­nvoll, um die Elek­tro­mo­bil­ität zu fördern?
Kurt Sigl: Defin­i­tiv ja, hier schließe ich mich VW-Chef Diess an. Eine erhöhte CO2-Umlage würde mehr Tem­po in hand­lungsna­h­es Umwelt­be­wusst­sein brin­gen. Nutzer von e‑mobilen Lösun­gen wären klar im Vorteil.
wallstreet:online: Das Regierungsziel von ein­er Mil­lion Elek­troau­tos bis zum Jahr 2020 wurde klar ver­fehlt. Was waren aus Ihrer Sicht die Haup­tur­sachen dafür?
Kurt Sigl: Die Gründe für die Ver­fehlung liegen in einem Mix von Ursachen. Dazu gehört das Silo­denken in der Poli­tik, die Block­ade­hal­tung bei der deutschen Autoin­dus­trie, sicher­lich durch das Fehlen poli­tis­ch­er Vision, die übri­gens bis heute anhält, und — last but not least – ein gewiss­er Klün­gel auf lob­by­is­tis­ch­er und behördlich­er Seite, Neuan­fän­gen grund­sät­zlich ger­ingschätzend gegenüber zu stehen.
wallstreet:online: Was macht Nor­we­gen bei der Förderung der E‑Mobilität bess­er als der deutsche Staat? 
Kurt Sigl: Nor­we­gen hat eine andere Auf­stel­lung als Deutsch­land in diese Frage. Zunächst sind sie keine Auto­na­tion und müssen die Her­stel­lung nicht umbauen. Sie lenken allein die Nutzung und das durch einen nor­wegis­chen Staats­fond, der sich aus der Ölin­dus­trie speist. Kein Ansatz für Deutschland 😉
wallstreet:online: Warum fordern Sie, dass die eine Mil­liarde Euro Strafzahlung von VW für kosten­losen Lade­strom ver­wen­det wird?
Kurt Sigl: Strafzahlun­gen soll­ten unser­er Mei­n­ung nach umgelegt wer­den in den Bere­ich nach­haltiger Mobil­ität, was etwa die Bat­teriezellen-Entwick­lung und Bat­teriepro­duk­tion ein­schließt. So kann aus der Bestra­fung noch ein Ansatz für bessere Zeit­en erfol­gen – in Wirtschaft und Umwelt.
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BEM-Pressemit­teilung: BEM-Inter­view mit wallstreet:online: Regierung bremst eMo­bil­ität aus

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