Öl nachfüllen wird nicht mehr funktionieren

Inter­view mit Kurt Sigl, Präsi­dent des Bun­desver­bands eMobilität
Zeitschrift AUTOR SERVICE PRAXIS — Aus­gabe 07–08/2016
asp: Herr Sigl, die Elek­tro­mo­bil­ität kommt trotz Kauf­prämie nicht so richtig in Schwung. Woran liegt das Ihrer Meinung?
Sigl: Haben Sie schon mal eine Wer­bung für Elek­troau­tos gese­hen? Hier fehlt es buch­stäblich an Infor­ma­tio­nen für den Ver­brauch­er. Mein­er Mei­n­ung nach kommt die Kauf­prämie auch zwei Jahre zu spät. Ohne zusät­zliche Maß­nah­men kann das nicht funk­tion­ieren. Es wäre auch intel­li­gen­ter gewe­sen, sich auf Unternehmen mit Fuhrpakrs und Kom­munen zu konzen­tri­eren und ihnen steuer­liche Vorteile zu gewähren, wenn sie auf Elek­tro­mo­bil­ität set­zen. Das hätte einen weitaus größeren Effekt.
asp: Sind die Men­schen nicht eher durch den hohen Kauf­preis der Fahrzeuge abgeschreckt?
Sigl: Hier sollte man dif­feren­zieren: Vor allem die deutschen Autos sind teuer, nicht die Konkur­renz aus dem Aus­land. Beim Renault Zoe liegen Sie mit Förderung bei rund 16.500 Euro Kauf­preis mit guter Ausstat­tung. Ich habe das mal nachgerech­net: Mit einem VW Polo mit Diesel­mo­tor komme ich bei gle­ich­er Ausstat­tung auf 20.500 Euro. Auch ein Nis­san Leaf ist nicht teur­er als ein Golf.
asp: Haben deutsche Auto­her­steller noch Nach­holbe­darf bei der Elektromobilität?
Sigl: Die deutschen Auto­her­steller waren bis vor drei Jahren über­haupt nicht davon überzeugt, dass sich Elek­tro­mo­bil­ität durch­set­zt. Das große Erwachen kam mit der Ein­führung des Tes­la Mod­el S. Dann kamen Renault und Nis­san mit ihren Mod­ellen und die deutschen Her­stller haben begonnen, darüber nachzu­denken. Der Diesel­gate hat das Ganze noch ver­schärft. Ins­ge­samt fehlen aber klare Aus­sagen der deutschen Her­steller zur Elek­tro­mo­bil­ität. Ich sehe bish­er nur halb­herzige Pro­duk­te. Bei der Akkupro­duk­tion ist der Zug schon abge­fahren, denn die drei großen Zellen-Her­steller kom­men alle aus Asien. Dieser Vor­sprung lässt sich nicht mehr aufholen.
asp: Es gibt immer noch recht wenige Ladesäulen für Elek­troau­tos. Ist das nicht auch ein Hemm­schuh für die Elektromobilität?
Sigl: Die Lade­in­fra­struk­tur wird momen­tan stark aus­ge­baut. Das treiben neben der Bun­desregierung vor allem einzelne Unternehmen voran. Beispiel­sweise bieten Aldi und Ikea bere­its Ladesta­tio­nen für Elek­troau­tos an, da sie ein hohes Inter­esse daran haben, ihren Kun­den einen besseren Ser­vice zu bieten.
asp: Die Anzahl der Ladesta­tio­nen ist die eine Sache, die andere ist die Dauer des Lade­vor­gangs. Und ger­ade die Schnell-Ladesta­tio­nen sind noch rar gesät.
Sigl: Ich kann die Diskus­sion um Schnell-Ladesta­tio­nen nicht nachvol­lziehen. In der Stadt ist das über­haupt kein Prob­lem. Wenn ich in ein Einkauf­szen­trum fahre, möchte ich nur so viel nach­laden kön­nen, damit ich auch wieder nach Hause komme. Dafür brauche ich keinen Schnell-Lad­er. Bei Langstreck­en gebe ich Ihnen Recht. Zusam­men mit Tank & Rast will die Bun­desregierung bis Ende 2017 eine Schnell-Lade-Infra­struk­tur ent­lang der Auto­bahn erricht­en. Als Prob­lem sehe ich eher die Insel­lö­sung der Bezahlsys­teme. Es ist nicht nachvol­lziehbar, dass ich mit ein­er Zahlka­rte nicht an allen Zapf­säulen tanken kann. Das wird sich aber ändern.
asp: Was müsste noch geschehen, um der Elek­tro­mo­bil­ität zum Durch­bruch zu verhelfen?
Sigl: Wir müssen uns vor allem um die Geset­zge­bung küm­mern. Dazu gehör­den banale Dinge, wie das Laden beim Arbeit­ge­ber nicht als geld­w­erten Vorteil zu sehen. Wir müssen die Steuervergün­s­ti­gun­gen für Unternehmen stärken, denn die sind Vor­re­it­er. Wir müssen auch Son­der­lö­sun­gen für die Kom­munen find­en. Und wir müssen auch die notwendi­ge Lade­in­fra­struk­tur in Mehrfam­i­lien­häusern schaf­fen, denn bis­lang gibt es kaum Tief­gara­gen mit Ladestationen.
asp: Müssen auch Auto­häuser aktiv­er beim Verkauf von Elek­troau­tos werden?
Sigl: Unbe­d­ingt. Wenn ich heute in ein Auto­haus gehe und ein Elek­troau­to kaufen möchte, fragt mich der Verkäufer, warum ich mir das antun möchte, und ver­weist lieber auf die gün­stige Tageszu­las­sung mit Ver­bren­nungsmo­tor. Wir müssen die Verkäufer auch dazu brin­gen, sich gedanklich von der Autoschiene wegzube­we­gen und sich um das Drumherum zu küm­mern. Beispiel­sweise ließe sich ein Elek­troau­to im Bun­dle mit Solaran­lage vom Anbi­eter vor Ort verkaufen.
asp: Durch Elek­troau­tos fall­en viel weniger Ver­schleißteile an. Was müssen Werk­stät­ten tun, um auch in Zukun­ft Geld zu verdienen?
Sigl: In Zukun­ft wird es nicht mehr funk­tion­ieren, dem Kun­den Öl nachzufüllen. Werk­stät­ten soll­ten offen an das The­ma Elek­tro­mo­bil­ität herange­hen und es nicht ver­dammen. Sie soll­ten sich die Frage stellen, wo ihre Chan­cen in Zukun­ft liegen. Was für Teile eines Elek­troau­tos kön­nen gewartet wer­den? Kann man dem Kun­den vielle­icht eine zusät­zliche Mobil­ität­sleis­tung verkaufen? Wer sich jet­zt damit beschäftigt, wird am Ball bleiben. Wer sich wehrt, wird langfristig vom Markt verschwinden.

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