Leitmarkt Elektromobilität Status und Ausblick

Deutsch­land hat sich das Ziel geset­zt, Leit­markt im Bere­ich Elek­tro­mo­bil­ität zu wer­den. Zur langfristi­gen Absicherung der heute glob­al sehr starken und volk­swirtschaftlich immens wichti­gen deutschen Auto­mo­bilin­dus­trie ist es nach Mei­n­ung von Poli­tik und Indus­trie von entschei­den­der Bedeu­tung, dass in Deutsch­land ein nach­haltiger Markt für Elek­troau­tos und deren Kom­po­nen­ten entsteht.
Ein »Leit­markt« ist in diesem Zusam­men­hang so zu ver­ste­hen, dass sich sowohl Ange­bot als auch Nach­frage schneller als in ver­gle­ich­baren Märk­ten entwick­eln, so dass diese Entwick­lung als Vor­bild für andere Märk­te gel­ten und sich gle­ichzeit­ig für alle deutschen Mark­t­teil­nehmer ein nach­haltiger glob­aler Wet­tbe­werb­svorteil entwick­eln kann.
Die Entwick­lung hin zum Leit­markt wird dem­nach von drei wesentlichen Fak­toren geprägt. Dem Ange­bot seit­ens der Indus­trie, der Nach­frage seit­ens der Kun­den und den poli­tis­chen Rah­menbe­din­gun­gen. Alle drei Ele­mente sind dabei direkt miteinan­der verzah­nt und bee­in­flussen sich gegenseitig.
Die Ange­bote der deutschen Auto­mo­bilin­dus­trie an Elek­tround Plug-In-Hybrid-Fahrzeu­gen aus Großse­rien­pro­duk­tio­nen sind derzeit (qua­si) noch nicht vorhan­den. Lediglich Daim­ler hat ab Sep­tem­ber 2012 den smart ed im Ange­bot. Zählt man den Opel Ampera eben­falls zu den deutschen eFahrzeu­gen (dieser wurde allerd­ings in den USA entwick­elt und wird dort auch pro­duziert), so befind­et sich das deutsche Pro­duk­tange­bot derzeit noch nicht auf dem Niveau eines Leitmarktes.
Lei­der wird diese Sit­u­a­tion auch in den näch­sten Jahren so bleiben. Im Rah­men der drit­ten Präsen­ta­tion der »Nationalen Plat­tform Elek­tro­mo­bil­ität« im Mai 2012 in Berlin, hat der VDA eine Liste von »bis zu 16 Plug-In Fahrzeu­gen aus deutsch­er (Großserien)-Produktion, die bis Ende 2014 auf den Markt kom­men« veröf­fentlicht. Analysiert man die Liste allerd­ings im Detail, so kommt doch ein wenig Ernüchterung auf: Drei Fahrzeuge auf dieser Liste (Ford Focus/C‑Max und Opel Ampera) sind nicht aus deutsch­er Pro­duk­tion, sodass bei diesen Fahrzeu­gen wed­er spez­i­fis­ches deutsches Knowhow aufge­baut wird, noch die deutschen Zulief­er­er davon prof­i­tieren kön­nen. Sechs weit­ere Fahrzeuge sind der Kat­e­gorie »Super­sport­wa­gen jen­seits der 200.000 Euro« (Porsche 918 spy­der PEHV, Audi R8 etron, BMW i8, Mer­cedes E‑SLS) bzw. Kle­in­st­serie (VW XL1, Mer­cedes B‑Klasse Fuel-Cell) zuzuord­nen und sich­er nicht geeignet, einen Leit­markt von der Ange­bots­seite her zu entwick­eln. Sechs weit­ere eFahrzeuge sind Derivate vorhan­den­er Fahrzeug­mod­elle (smart ed, Audi Q7/A3 etron, Mer­cedes S500 PHEV, VW Eup!/ E‑Golf), bei denen die Her­steller Kom­pro­misse bezüglich ihrer voll­ständi­gen Eig­nung als eFahrzeuge einge­hen müssen. Es ist davon auszuge­hen, dass solche Autos im Ver­gle­ich zu den Diesel- bzw. Ben­z­in­vari­anten recht teuer wer­den und somit wahrschein­lich lei­der nur eine begren­zte Nach­frage erzeu­gen kön­nen. Lediglich BMW hat ver­gle­ich­sweise sehr große Anstren­gun­gen unter­nom­men, mit dem i3 ein voll­ständig neues und grundle­gend inno­v­a­tives eAu­to ab Ende 2013 auf den Markt zu brin­gen, welch­es im Gegen­satz zum i8 auch preis­lich attrak­tiv sein dürfte.
Wenn man nun diese Analyse mit dem eigentlichen tech­nol­o­gis­chen Poten­zial der deutschen Autoin­dus­trie ver­gle­icht, so kann bis­lang wahrlich nicht von beson­deren Anstren­gun­gen für die Schaf­fung eines Leit­mark­tes Elek­tro­mo­bil­ität gesprochen wer­den. Alleine Daim­ler, BMW, VW und Audi wer­den näm­lich bis Ende 2014 deut­lich mehr als 100 neue Mod­elle bzw. neue Derivate mit kon­ven­tioneller Tech­nolo­gie auf den Markt bringen.
Dadurch ver­hin­dert die deutsche Autoin­dus­trie aber lei­der auch die so wichti­gen Kostensenkun­gen bei den Trak­tions­bat­te­rien durch Investi­tio­nen in lokale Pro­duk­tio­nen. Ver­gle­icht man hier die Investi­tio­nen, die z.B. in Japan, Korea und den USA getätigt wer­den, so investiert die deutsche Indus­trie nur Bruchteile in Pro­duk­tionsver­fahren und über­lässt das Feld dadurch den Asi­at­en. Aus der deutschen Zulieferindus­trie ist zu hören, dass das man­gel­nde Engage­ment in Verbindung mit sich ständig ver­schieben­den Entwick­lungsplä­nen und Änderungswün­schen deutsch­er Her­steller dabei auch eher kon­trapro­duk­tiv wirkt. Auch die Nach­frage­seite entwick­elt sich in Deutsch­land lei­der nicht sehr viel ver­sprechend. Hier führt die Analyse schnell zu zwei gravieren­den Gründen:
Die deutschen Autokäufer ver­trauen am meis­ten den deutschen Automarken. So kamen laut KBA im Juli 2012 von den rund 250.000 neu zuge­lasse­nen Fahrzeu­gen 65,6 % aus Deutsch­land. Lediglich 9,3% betrug der Anteil aus Frankre­ich bzw. 8,3 % aus Japan, also zwei Län­dern, in denen bere­its eAu­tos in Serie pro­duziert wer­den. Somit haben die derzeit kauf­baren Elek­troau­tos von Renault, Nis­san und Mit­subishi gle­ich zwei Hür­den zu nehmen: Sie müssen ein­er­seits das sicher­lich kom­pliziert­er zu verkaufende Elek­troau­to in den kom­plizierten und sehr deutsch geprägten Markt ein­führen. Ander­er­seits gehören die ca. 100.000 poten­ziellen so genan­nten »Ear­ly Adopter« für Plug-In Autos in Deutsch­land eher zu den Pre­mi­um Kun­den, bei denen die Präferenz für deutsche Marken noch mal beson­ders aus­geprägt ist.
Darüber hin­aus müssen deutsche eAu­to-Käufer ver­gle­ich­bar deut­lich höhere Preise für Elek­troau­tos bezahlen. So wird z.B. der mit dem Opel Ampera bau­gle­iche Chevro­let Volt in den USA unab­hängig von staatlichen/lokalen Sub­ven­tio­nen für umgerech­net rund 34.000 Euro (inkl. z.B. Cal­i­for­nia Tax) verkauft. In Deutsch­land kostet der Opel Ampera min­destens 46.000 Euro, also 12.000 Euro mehr. Auch der Toy­ota Plug-In Prius wird den Kun­den in Deutsch­land rund 5.000 Euro teur­er als in den USA ange­boten. Zusät­zlich prof­i­tieren amerikanis­che Kun­den von Sub­ven­tio­nen, die z.B. in Kali­fornien noch mal um bis zu 10.000 Euro betra­gen können.
In der deutschen Öffentlichkeit wer­den eAu­tos derzeit eher als »zu teuer« und »nicht lohnend« dargestellt, was es deutschen Kun­den nicht unbe­d­ingt ein­fach­er macht, sich für einen solchen Sys­temwech­sel zu entschei­den. Wobei »teuer« ger­ade im deutschen Automarkt eine sehr rel­a­tive und irra­tionale Größe ist. Denn gin­ge es nur um den absoluten Preis, wür­den mehr Deutsche einen Dacia Logan bestellen und nicht einen dreimal so teuren VW Golf. Am Beispiel des Diesel zeigt sich, dass Kun­den trotz erhe­blich­er Mehrkosten teil­weise irra­tionale Entschei­dun­gen tre­f­fen, da natür­lich an der Tankstelle Diesel (noch) preiswert­er ist, allerd­ings dieser Preisun­ter­schied für einen Großteil der Kun­den über den Leben­szyk­lus des Autos nicht zurück­ver­di­ent wer­den kann.
Wenn man zulet­zt die poli­tis­chen Rah­menbe­din­gun­gen für eAu­tos in Deutsch­land betra­chtet, so ist die Sit­u­a­tion bess­er als landläu­fig kol­portiert. Die Steuern auf Ben­zin und Diesel sind mit die höch­sten auf der ganzen Welt. So hat ein eAu­to in Deutsch­land einen dop­pelt so hohen Kosten­vorteil bei den Ver­brauch­skosten wie z.B. in den USA. Auch die CO2-Geset­zge­bung ist deut­lich aggres­siv­er als z.B. in den USA oder Chi­na, was Her­steller stärk­er als son­st wo ermuntern sollte, in die (Teil-)Elektrifizierung der Flot­ten zu investieren. Auch die geplanten Steuer­vorteile für Hal­ter von Plug-In Fahrzeu­gen deuten in die richtige Rich­tung, wenn sie denn nun auch zügig umge­set­zt wür­den. Allerd­ings wird von entschei­den­der Bedeu­tung sein, dass die nun geplante Absenkung der CO2-Flot­ten­ziele für 2020 auf 95 g/km unbe­d­ingt gegenüber der Indus­trie poli­tisch durchge­set­zt wer­den muss. Dieses Ziel — da ist man sich in allen Unternehmen einig — ist nur noch mit ein­er stärk­eren Elek­tri­fizierung, ins­beson­dere der deutschen Pre­mi­um Autos, erre­ich­bar. Sollte hier die Poli­tik nachgeben und dieses Ziel aufwe­ichen, würde gle­ichzeit­ig auch der »Leit­markt Elek­tro­mo­bil­ität Deutsch­land« endgültig aufgegeben. Bere­its die bloße Andeu­tung ein­er möglichen »Ver­hand­lungs­bere­itschaft« seit­ens des Geset­zge­bers würde sofort zur Ver­schiebung entsprechen­der Entwick­lungspläne der Indus­trie führen.
Lediglich bei den poli­tisch in Deutsch­land nicht durch­set­zbaren direk­ten Sub­ven­tio­nen für die Käufer von Plug-Ins gibt es große Unter­schiede zu anderen Märk­ten. Allerd­ings kön­nte dieser ver­meintliche Nachteil durch über­legene Pro­duk­te aus deutsch­er Pro­duk­tion leicht aus­geglichen wer­den. Hier ruft der Geset­zge­ber zu Recht die sehr inno­v­a­tive und extrem erfol­gre­iche deutsche Autoin­dus­trie zum eige­nen Han­deln auf und fördert richtiger­weise direkt die Forschung und Entwick­lung, wenn auch mit einem deut­lich kleineren Betrag als das andere Regierun­gen in anderen Län­dern tun. Anson­sten würde eine direk­te Kauf­förderung aus Steuergeldern sowieso derzeit fast auss­chließlich den eAu­to-Impor­teuren zu Gute kommen.
In Summe sind die Voraus­set­zun­gen für einen nach­halti­gen Leit­markt Elek­tro­mo­bil­ität in Deutsch­land momen­tan nicht beson­ders pos­i­tiv. Analysiert man die Gründe, so müsste ins­beson­dere die deutsche Autoin­dus­trie deut­lich mutiger und ihrem eigentlichen Poten­zial gerechter wer­dend agieren. Bedenkt man weit­er­hin, dass die Elek­tri­fizierung des Antriebs und damit die schrit­tweise Abkehr vom Öl unbe­strit­ten die einzige langfristige Zukun­ft für die Autoin­dus­trie darstellt, so wäre ein beherzteres Vorge­hen umso mehr geboten.
Dr.-Ing. Jan Traenckner
BEM-Bereitsvorsitzender
www.venturecheck.com
 

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