Deutschland wird Leitmarkt für Elektromobilität — Illusion oder Realität?

Eine Mil­lion Elek­troau­tos bis zum Jahr 2020 und Deutsch­land als Leit­markt für Elek­tro­mo­bil­ität, das wün­scht sich Kan­z­lerin Angela Merkel. Eine riesige Erwartung­shal­tung erre­ichte die deutsche Bevölkerung und vor allem den deutschen Auto­mo­bil­han­del. Ernüchternd dage­gen die Real­ität: Ger­ade ein­mal 2.400 dieser Fahrzeuge wur­den von Jan­u­ar bis Juni 2012 in Deutsch­land neu zuge­lassen. Aktuelle Hochrech­nun­gen gehen im Moment davon aus, dass wir ca. 5.100 Fahrzeuge bis zum Jahre­sende in die Zulas­sung brin­gen. Die Deutschen mis­strauen den Elek­troau­tos, sie scheuen die lan­gen Ladezeit­en, fürcht­en, mit leerem Akku liegen zu bleiben und ärg­ern sich über die hohen Preise und den dro­hen­den Wertverlust.
Um aber Leit­markt zu wer­den, muss ein lokaler Markt mit zuge­lasse­nen Fahrzeu­gen und ein­er geeigneten Infra­struk­tur vorhan­den sein. Ist die Leit­markt-Idee, dieses für unsere wirtschaftliche Zukun­ft wichtige Vorhaben, noch realisierbar?
Die Frage ist nicht ganz ein­fach zu beant­worten, da sich das The­ma Elek­tro­mo­bil­ität noch in den »Kinder­schuhen« befind­et. Was also kön­nte dafür sprechen?
— Deutsch­land hat weltweit die stärk­sten und inno­v­a­tivsten Auto­her­steller und Marken. Diese sind noch nicht auf dem Markt Elek­tro­mo­bil­ität vertreten. Aber Smart, VW und BMW wer­den 2013 und 2014 Elek­tro­fahrzeuge auf den Markt bringen.
— Wir haben aktuell ein sehr großes Poten­zial in den gewerblichen Zulas­sun­gen. Über 90% aller Zulas­sun­gen sind gewerblich, Pri­vat­nutzer sind die Ausnahme.
— Die Investi­tio­nen deutsch­er Unternehmen in Tech­nolo­gie und Pro­dukt gehen in die Mil­liar­den Euro. Es darf angenom­men wer­den, dass die meis­ten Unternehmer sin­nvoll und strate­gisch pla­nen und investieren.
— Deutsche Inge­nieure gehören zu den ange­se­hen­sten und besten in der Welt.
— Elek­tro­mo­bil­ität ist ein weltweites The­ma, ins­beson­dere für die Megac­i­ties dieser Welt. Das sind starke wirtschaftliche Impulse für die Export­na­tion Deutschland.
— In ein­er glob­al agieren­den Weltwirtschaft ist ökol­o­gis­ches Bewusst­sein ein Muss!
— Die Ölres­sourcen gehen zu Ende. Weltweite Mobil­ität muss in Zukun­ft auch ohne Erdöl möglich sein.
Was spricht zum jet­zi­gen Zeit­punkt gegen reine eFahrzeuge?
— TCO (total cost of own­er­ship), also das, was ein Elek­tro­fahrzeug Pri­vat- und Gewer­bekun­den während der Nutzung kostet. Im Gegen­satz zu anderen Antrieb­sarten lohnt sich der Erwerb rein finanziell betra­chtet nicht. Die Fahrzeuge sind zu teuer, die Rest­werte zu niedrig.
— Eine nutzbare Lade­in­fra­struk­tur gibt es fak­tisch nur für Ein­fam­i­lien­häuser an der heimis­chen Steck­dose. Hier sei der Aus­flug zu anderen alter­na­tiv­en Antrieben erlaubt, die sich in Deutsch­land trotz mas­sivem Preisvorteil und ein­fach­er Tech­nolo­gie nicht durchge­set­zt haben. Erdgas­fahrzeuge sind an der Infra­struk­tur gescheit­ert. Wo tanke ich? Das ist auch für Elek­tro­mo­bil­ität die bes­tim­mende Frage. Hier fehlt dem Inter­essen­ten ein erleb­bares prak­tis­ches Konzept.
— Man­gel­nde Infor­ma­tio­nen zur Halt­barkeit der Akkus. Hier fehlt jede für den End­kun­den nachvol­lziehbare und glaub­hafte Information.
— Aber auch die Fahrzeugher­steller tun das ihrige zur Kaufzurück­hal­tung. Verkäufer sind schlecht geschult und bevorzu­gen auf Grund der besseren Ver­di­en­st­möglichkeit­en andere Antriebsformen.
— Die Begeis­terung eines Elek­troau­tos kann von Inter­essen­ten nicht genü­gend erlebt werden.
— Die Wahrnehm­barkeit von Elek­troau­tos im Markt fehlt. In der Auto­mo­bil­branche spricht man von vis­i­bil­i­ty. Damit ist der Punkt gemeint an dem der Kunde ein Fahrzeug auf der Straße wahrn­immt. Dies ist bei 1% Mark­tan­teil pro Jahr erre­icht. Also bei rund 34.000 Zulas­sun­gen. Elek­troau­tos gibt es für den Kun­den in der Wahrnehmung nicht Davon abge­se­hen sind diese auch nicht erkennbar. Also zu wenig Design- und Sound-Unterschiede.
Inter­na­tion­al ist Deutsch­land bezüglich der Zulas­sun­gen und der Mark­ten­twick­lung nicht führend. Hier kön­nen wir sich­er von den Chi­ne­sen ler­nen, die das The­ma aktiv ange­hen und bei den Zulas­sun­gen und der Erleb­barkeit anset­zen. Aber auch andere inter­na­tionale Förder­pro­gramme für emis­sion­sarme Fahrzeuge sind für den Leit­markt Deutsch­land bedrohlich.
Zusam­men­fassend ist zu sagen: Wir brauchen starke Kau­fim­pulse, um einen Anfangs­be­stand zu real­isieren. Es fehlen mas­siv Fahrzeuge auf den Straßen, um das Ziel von ein­er Mil­lion Elek­troau­tos zu erre­ichen. Die Äng­ste der möglichen Kun­den sind hoch und mün­den in Kaufzurück­hal­tung. Die Ideen der Nationalen Plat­tform Elek­tro­mo­bil­ität und des Bun­desver­bands eMo­bil­ität, den Flot­ten­markt stark zu beleben, wer­den bis dato noch nicht umge­set­zt. Aber, wir sind erst am Anfang eines neuen und rev­o­lu­tionären Mobil­ität­szeital­ters. Wir befind­en uns in einem weltweit­en Verän­derung­sprozess und Deutsch­land nimmt hier eine Spitzen­po­si­tion ein. Ob wir Leit­markt oder »Fol­low­er« wer­den, wird sich in den näch­sten 36 Monat­en entscheiden.
Andreas Serra
BEM-Beirat
pro­mo­tor Gesellschaft für Absatzförderung mbH

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