BEM-Pressehinweis: Interview mit Prof. Dr. Andreas Knie, Wissenschaftszentrum Berlin (WZB)

07. Okto­ber 2020
Die deutschen Autokonz­erne haben in den strate­gis­chen Zukun­fts­fra­gen kom­plett ver­sagt und den Kon­takt zur Wirk­lichkeit ver­loren, sagt Andreas Knie, Sozial­wis­senschaftler, Mobil­itäts­forsch­er und Fach­beirat des Bun­desver­ban­des eMo­bil­ität (BEM) e.V.. Im Inter­view mit dem unab­hängi­gen Online-Mag­a­zin Kli­mare­porter schildert er seine Prog­nose. Geschieht poli­tisch nichts, wird sich die Car­shar­ing- und Pool­ing­branche nicht mehr von der Coro­n­akrise erholen.
Kli­mare­porter°: Herr Knie, Verkehrsmin­is­ter Andreas Scheuer (CSU) hat erst­mals vor einem Bun­destag­sun­ter­suchungsauss­chuss zur gescheit­erten Pkw-Aus­län­der-Maut aus­ge­sagt. Die ist nicht das einzige Debakel sein­er Min­is­terkar­riere. Was waren Scheuers “Worst-ofs”?
Andreas Knie: Eine voll­ständi­ge Liste wäre zu lang. Das Schlimm­ste war die Idee, die Autos, die mit manip­ulierten Abgas­reini­gungsan­la­gen unverkäu­flich sind, mit Steuer­mit­teln hoch zu rabat­tieren, denn, so der Min­is­ter: »Die Autos müssen ja vom Hof.«
An Num­mer zwei kommt, den über viele Jahre disku­tierten und dann ver­schärften Bußgeld­kat­a­log der Straßen­verkehrsor­d­nung ein­fach zu block­ieren und damit fak­tisch einen Freifahrtschein für Ras­er in der Stadt zu erteilen.
Auf Num­mer drei set­ze ich die beständi­ge Weigerung des Min­is­ters, endlich das längst über­fäl­lige generelle Tem­polim­it auf den deutschen Auto­bah­nen einzuführen.
Kli­mare­porter°: Anders als Tes­la schaf­fen es deutsche Auto­her­steller wie VW, BMW oder Daim­ler nicht, eine vernün­ftige Lade­in­fra­struk­tur für Elek­tro­fahrzeuge aufzubauen. Auch Stu­di­en attestieren Chaos und Intrans­parenz. Woran scheit­ert ein ein­fach­es, ein­heitlich­es Ladesystem?
Andreas Knie: Die deutschen Auto­mo­bilkonz­erne haben in allen strate­gis­chen Zukun­fts­fra­gen kom­plett ver­sagt. Es sind Män­ner, die sich mit anderen alten Män­nern absprechen und dabei völ­lig aus der Zeit gefall­en sind.
Sie reißen damit eine ganze Branche in den Abgrund, ver­di­enen aber selb­st ganz prächtig dabei. Wed­er kon­nten neue Antriebe in ein­er nen­nenswerten Weise auf die Straße gebracht wer­den, noch wird an alter­na­tiv­en Ver­wen­dun­gen von Auto­mo­bilen – Stich­wort Car­shar­ing – gear­beit­et oder das eigentliche The­ma der Branche, näm­lich das autonome Fahren, angegangen.
Die deutschen Auto­bauer haben sich zu ein­er Wagen­burg formiert und den Kon­takt zur Wirk­lichkeit ver­loren. Wie sagte es neulich ein Kabaret­tist so tre­f­flich: Die deutsche Autoin­dus­trie funk­tion­iert wie die katholis­che Kirche und Elon Musk ist Mar­tin Luther.
Kli­mare­porter°: Coro­na hat die Mobil­ität verän­dert, die Zahl der zurück­gelegten Wege ist zurück­ge­gan­gen. Darunter haben auch Shar­ing-Mobil­itäts­di­en­ste gelit­ten, etwa der Sam­meltaxi-Dienst Clever­shut­tle, der in mehreren Städten zumachen musste. Kann sich die Branche davon erholen, oder was braucht sie dafür von der Politik?
Andreas Knie: Die Shar­ing- und Pool­ing­branche wird sich nicht mehr erholen, wenn poli­tisch nichts geschieht. Ende dieses Jahres wer­den Berlkönig, Clever­shut­tle, Moia oder auch Share Now völ­lig ver­schwun­den sein.
Denn der öffentliche Raum ist klar definiert. Das pri­vate Auto kann über­all umson­st parken und die Straßen damit block­ieren. Shar­ing- und Pool­ingkonzepte sind gewerbliche Angele­gen­heit­en und müssen dafür teuer bezahlen. Es muss aber genau umgekehrt sein!
Wir brauchen also eine völ­lig neue Straßen­verkehrsor­d­nung mit ein­er klaren Botschaft: Pri­vate Autos kön­nen nicht länger auf öffentlichen Straßen geparkt wer­den. Das wäre ein riesiger Schub für neue Dienste.
Kli­mare­porter°: Und was war Ihre Über­raschung der Woche?
Andreas Knie: Die Flugzeuge bleiben tat­säch­lich mehrheitlich am Boden. Der Luftverkehr erholt sich wed­er im Inland noch im Aus­land. Die Branche lernt um und viele Flughäfen müssen sich kom­plett neu erfinden.
Das Inter­view ist im Orig­i­nal hier nachzulesen
Über den Bun­desver­band eMo­bil­ität e.V.
Der Bun­desver­band eMo­bil­ität (BEM) ist ein Zusam­men­schluss von Unternehmen, Insti­tu­tio­nen, Wis­senschaftlern und Anwen­dern aus dem Bere­ich der Elek­tro­mo­bil­ität, die sich dafür ein­set­zen, die Mobil­ität in Deutsch­land auf Basis Erneuer­bar­er Energien auf Elek­tro­mo­bil­ität umzustellen. Zu den Auf­gaben des BEM gehört die aktive Ver­net­zung von Wirtschaft­sak­teuren für die Entwick­lung nach­haltiger und inter­modaler Mobil­ität­slö­sun­gen, die Verbesserung der geset­zlichen Rah­menbe­din­gun­gen für den Aus­bau der eMo­bil­ität und die Durch­set­zung von mehr Chan­cen­gle­ich­heit bei der Umstel­lung auf emis­sion­sarme Antrieb­skonzepte. Der Ver­band wurde 2009 gegrün­det. Er organ­isiert 300 Mit­glied­sun­ternehmen, die ein jährlich­es Umsatzvol­u­men von über 100 Mil­liar­den Euro verze­ich­nen und über eine Mil­lion Mitar­beit­er weltweit beschäftigen.
Mit der Video-Kam­pagne »Starke Stim­men für die Neue Mobil­ität« stellt der BEM seit Som­mer 2020 seine Mit­glieder und Akteure in den Vorder­grund. Die Elek­tro­mo­bilis­ten bericht­en über per­sön­liche Erleb­nisse mit dem neuen eAntrieb, ihre Pro­duk­te und Geschäftsmod­elle. Gle­ichzeit­ig ver­an­schaulicht der Ver­band die Bre­ite der Elek­tro­mo­bil­ität und die Ein­bindung mit anderen Branchen, die schon heute von zahlre­ichen Fachkräften getra­gen und gelebt wird. Die Kam­pagne ist ein Beitrag zur Aufk­lärung von Kund*innen sowie der inter­essierten Öffentlichkeit. Die Video­pro­duk­tion find­et auf­grund der Coro­na-Bes­tim­mungen kon­tak­tarm statt, die Videos wer­den über die Kanäle Youtube und Face­book veröffentlicht.
Mehr zur Video-Kam­pagne find­en Sie hier
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