Gemeinsame Pressemitteilung zur Landesbauordnung Baden-Württemberg

28. Juni 2018 / Pressemel­dung von Elec­tri­fy-BW e.V., dem Bun­desver­band eMo­bil­ität e.V. und des ADFC Baden-Würt­tem­berg e.V.
Bei der Lan­des­bauord­nung nicht die Zeit zurückdrehen
In Baden-Würt­tem­berg ste­ht eine Reform der Lan­des­bauord­nung an. Elec­tri­fy-BW, der Bun­desver­band eMo­bil­ität und der All­ge­meine Deutsche Fahrrad-Club Baden-Würt­tem­berg (ADFC BW) appel­lieren gemein­sam an die Poli­tik, die Lan­des­bauord­nung für die Her­aus­forderun­gen der Zukun­ft zu rüsten.
In der Diskus­sion um die Reform der Lan­des­bauord­nung geht es vor allem um Fahrrad­stellplätze und die Begrü­nung von Gebäu­den in Beton­wüsten. Teile der Lan­desregierung haben diese bei­den Punk­te als nicht zumut­bare Kos­ten­treiber iden­ti­fiziert, die die Bautätigkeit im Land erstick­en wür­den. Sie wollen mit der Reform der Lan­des­bauord­nung diese bei­den Punk­te ersat­z­los streichen.
Fakt ist jedoch, dass die Bauwirtschaft in Baden-Würt­tem­berg boomt und zahlre­iche neue Wohnge­bäude entste­hen. Die Bauwirtschaft ist kom­plett aus­ge­lastet. Es ist also nicht davon auszuge­hen, dass die Bautätigkeit durch die Stre­ichung der ver­hält­nis­mäßig gün­sti­gen Fahrrad­stellplätze sig­nifikant steigen würde. Auf der anderen Seite wür­den zahlre­iche Wohnge­bäude entste­hen, die nicht auf die Her­aus­forderun­gen der Zukun­ft vor­bere­it­et sind.
Diese Immo­bilien wür­den dadurch mit­tel­fristig an Attrak­tiv­ität und damit an Wert verlieren.
Mobil­itätswende, Kli­mawan­del und neuen Wohn­raum gemein­sam denken
Unbe­strit­ten ist, dass geeignete Maß­nah­men gefun­den wer­den müssen, um dem Wohn­raum­man­gel etwas ent­ge­genset­zen zu kön­nen. Auf der anderen Seite dür­fen wir dadurch nicht unsere Städte zu unat­trak­tiv­en Beton­wüsten verkom­men lassen. Die mikrokli­ma­tis­che Wirkung von Begrü­nung im Stad­traum ist unbe­strit­ten. Durch den Kli­mawan­del ist auch in Baden-Würt­tem­berg mit einem Anstieg der mit­tleren Tem­per­a­turen zu rech­nen. Wir müssen also bere­its heute dafür pla­nen, dass die Wohnge­bäude von mor­gen, für diese Her­aus­forderun­gen gerüstet sind.
Das Fahrrad ist heute ein wichtiger Verkehrsträger und seine Rolle in einem inter­modalen Verkehrsansatz wird weit­er steigen. Bere­its heute nutzen 30 Mil­lio­nen Men­schen in Deutsch­land mehrmals in der Woche das Rad. Ins­ge­samt hat das Fahrrad somit einen Anteil von zwölf Prozent am Verkehr. Es zeigt sich immer wieder, dass bessere Rah­menbe­din­gun­gen dazu führen, dass mehr Men­schen auf das Fahrrad umsteigen und weniger Fahrten mit dem Pkw machen. Dazu gehört auch, dass die Fahrräder am Wohnort sich­er ver­wahrt wer­den kön­nen. Ger­ade der Boom bei Ped­elecs, die teur­er und schw­er­er als Fahrräder ohne Motor sind, führt dazu, dass sichere und bequeme Abstellmöglichkeit­en für Fahrräder in Wohnge­bäu­den uner­lässlich wer­den. Noch mehr auf geschützte eben­erdi­ge Park­plätze sind Las­ten­fahrräder angewiesen.
Im Ver­gle­ich zu einem Pkw-Stellplatz ist der Platzbe­darf für ein Fahrrad ver­schwindend ger­ing. Mit mod­er­nen Auf­be­wahrungssys­te­men sinkt der Platzbe­darf pro Fahrrad auf unter einen hal­ben Quadrat­meter. Dementsprechend ist die Bere­it­stel­lung von Fahrrad­ab­stellplätzen in Wohnge­bäu­den ver­gle­ich­sweise preis­gün­stig möglich. »Wer heute meint, dass verpflich­t­ende Fahrrad­ab­stel­lan­la­gen in Wohnge­bäu­den das Bauen erschw­eren, verken­nt die gesellschaftlichen Entwick­lun­gen hin zu ein­er nach­halti­gen Mobil­ität und erken­nt die wahren Erschw­ernisse des Bauens nicht.« meint Gudrun Züh­lke, Lan­desvor­sitzende des ADFC Baden-Würt­tem­berg. »Wenn die Abstel­lan­lage intel­li­gent geplant ist, wird der Platz mit den Bewohn­ern alt, dann lassen sich z.B. Kinder­wa­gen, Fahrräder und Rol­la­toren dort abstellen.«
Verkehrsträger nicht gegeneinan­der ausspielen
Auch in Zukun­ft wird das Auto­mo­bil eine wichtige Rolle bei der indi­vidu­ellen Mobil­ität spie­len. Es ist abzuse­hen, dass sich mit­tel­fristig neue Tech­nolo­gien wie die Elek­tro­mo­bil­ität durch­set­zen wer­den. Es sind also zwin­gend beim Bau neuer Gebäude Lösun­gen für eine steigende Anzahl von Elek­tro­fahrzeu­gen (auch Ped­elecs und Las­ten­fahrräder) mitzu­denken. Anders als Autos mit Ver­bren­nungsmo­tor wer­den Elek­tro­fahrzeuge über­wiegend dort geladen, wo sie lange ste­hen. Lade­in­fra­struk­tur an Park­plätzen an Wohnge­bäu­den und beim Arbeit­ge­ber wird hier eine zen­trale Rolle für den Erfolg der Mobil­itätswende spie­len. »Man darf sich von den ver­hält­nis­mäßig niedri­gen Zulas­sungszahlen bei Elek­tro­fahrzeu­gen heute nicht täuschen lassen«, sagt die Sprecherin von Elec­tri­fy-BW, Jana Höffn­er: »Es ist zu erwarten, dass die Nach­frage nach Elek­tro­fahrzeu­gen mit der kom­menden bre­it­eren Mod­el­lvielfalt mas­siv steigen wird. Die Nach­frage nach Elek­tro­fahrzeu­gen ist bere­its so groß, dass viele Her­steller Lieferzeit­en von über zwölf Monat­en haben«, so Jana Höffn­er weiter.
Die Reform der Lan­des­bauord­nung müsse daher solche Szenar­ien mit­denken. Die nachträgliche Instal­la­tion ein­er Ladesta­tion an einem Wohnge­bäude kann ja nach Aufwand bis zu 10.000 Euro kosten. Im Schnitt belaufen sich die Kosten auf etwa 2.000 bis 4.000 Euro. Der Haup­tkos­ten­treiber sind Instal­la­tions- und Ver­legear­beit­en, die durch Erdar­beit­en oder Kern­bohrun­gen entste­hen. Die kostengün­stige Ver­legung von Leer­rohren zur nachträglichen Instal­la­tion von Lade­in­fra­struk­tur an Stellplätzen und in Tief­gara­gen bere­its in der Bauphase senkt die Kosten erhe­blich. In diesem Zuge soll­ten auch bere­its Plätze für getren­nte Stromzäh­ler im Hauptschaltkas­ten vorge­se­hen werden.
»Wir hören immer wieder Kla­gen von Men­schen, die sich gerne ein Elek­tro­fahrzeug anschaf­fen wür­den; derzeit aber keine rechtliche Hand­habe haben, am Stellplatz ihrer Eigen­tums- oder Miet­woh­nung einen Ladepunkt einzuricht­en. Andere schreckt der hohe finanzielle Aufwand, um einen Ladepunkt zu erricht­en, ab«, berichtet Höffner.
Höhere Anforderung an Gebäude auf Bun­de­sebene und in der EU
Die Große Koali­tion hat sich in ihrem Koali­tionsver­trag darauf ver­ständigt, den Ein­bau von Ladestellen für Elek­tro­fahrzeuge von Mieterin­nen und Mietern sowie Woh­nung­seigen­tümerin­nen und Woh­nung­seigen­tümern rechtlich zu erle­ichtern. Die EU sieht vor, dass ab 2025 Haus­be­sitzer auf eigene Kosten min­destens eine Ladesäule für eFahrzeuge instal­lieren müssen, wenn auf dem Park­platz des Gebäudes mehr als zehn Stellplätze vorhan­den sind. Die Investi­tion von weni­gen Euro in ein Leer­rohr beim Bau, kann also Eigen­tümern und Mietern viele tausend Euro sparen.
Die Leer­rohre kön­nen darüber hin­aus auch für andere Zwecke, wie die nachträgliche Ver­legung von Glas­faserk­a­beln bis in die Häuser ver­wen­det werden.
Kurt Sigl, Präsi­dent des Bun­desver­bands eMo­bil­ität (BEM): »Wer seinen Käufern oder Mietern eine Lademöglichkeit anbi­eten kann, steigert mit zunehmender Ver­bre­itung der Neuen Mobil­ität auch den Wert sein­er Immo­bilie. Das Leer­rohr für wenige Euro ist also nicht nur eine sin­nvolle, son­dern auch eine lohnende Investi­tion. Hier ist nun ins­beson­dere auch der Geset­zge­ber gefordert, endlich klare und sin­nvolle Regelun­gen unter anderem für Eigen­tums­ge­mein­schaften zu tre­f­fen. Jed­er Eigen­tümer und Mieter muss das Recht haben, sich auf eigene Kosten eine Lademöglichkeit an seinem Stellplatz zu installieren.«
Kurt Sigl sieht zudem kein Prob­lem darin, kün­ftig mehrere Fahrzeuge gle­ichzeit­ig laden zu kön­nen. »Derzeit gehen Neg­a­tiv-Szenar­ien zum Laden von Elek­tro­fahrzeu­gen immer von ein­er Gle­ichzeit­igkeit von 1 aus. Das heißt, dass alle ihr Auto zur gle­ichen Zeit aufladen und in der Folge das Netz zusam­men­bricht. Dem ist allerd­ings nicht so. Unsere Mit­glieder haben hier­für längst fer­tige Lösun­gen in Form eines intel­li­gen­ten Last­man­age­ments entwick­elt. In Zukun­ft wird eine bidi­rek­tionale Lade­in­fra­struk­tur in einem Smart­Grid zudem die weit­ere Inte­gra­tion Erneuer­bar­er Energien ins Strom­netz fördern, einige Mil­lio­nen eFahrzeuge mit Strom ver­sor­gen und gle­ichzeit­ig den geforderten Net­zaus­bau durch einen intel­li­gen­ten Umgang mit Last- und Bedarf­sspitzen in vertret­baren Gren­zen halten.«
»Wir müssen endlich aufhören auf Prob­leme von heute mit Tech­nik und Lösun­gen aus den 1970er Jahren zu reagieren«, ergänzt Jana Höffn­er. »Die Dig­i­tal­isierung bietet uns heute schon zahlre­iche Konzepte für eine intel­li­gente Lades­teuerung. Wer heute die besten Konzepte und Sys­teme entwick­elt, kann sie mor­gen weltweit vermarkten.«
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