eMobilität im Alltag

Ein Jahr »Parken und Laden« in Berlin
Ladesäulen in beste­hende Verkehrstech­nik-Anla­gen zu inte­gri­eren klingt nach ein­er guten Idee. Ob es auch wirk­lich eine ist, woll­ten fünf Unternehmen in Berlin beweisen: Vor gut einem Jahr baut­en sie ihre Neuen­twick­lung, eine Verbindung aus Parkschein­au­tomat und Ladesäule, in der Wall­straße auf. Nach rund zwölf Monat­en All­t­ags­be­trieb ist klar: Das Sys­tem ist zukunftsweisend.
Seit Mai 2011 ste­hen in der Wall­straße in Berlin-Mitte ungewöhn­lich wirk­ende Parkschein­au­to­mat­en: Sie sind grün und grau gestrichen, größer und bre­it­er als die in der Lan­deshaupt­stadt üblichen blau-grauen Auto­mat­en und haben großflächige Touch-Screens. Vor allem aber haben sie Ladean­schlüsse für eFahrzeuge an den Seit­en — und die laden tags wie nachts immer häu­figer vor den Auto­mat­en abgestellte eAu­tos oder eRoller.
Entwick­elt und aufge­baut haben die Geräte die Unternehmen Swar­co Traf­fic Sys­tems, Schroff, ABB, Dambach und stad­traum. Diese fünf Fir­men haben sich bere­its vor vier Jahren zusam­menge­tan, um ihr Straßen­verkehrstech­nik-Know-how zu bün­deln und gemein­sam eine eFahrzeug-Ladesäule zu entwick­eln, die sich wirtschaftlich betreiben lassen würde.
Eine Her­aus­forderung, denn, das war den Beteiligten klar: Ladesäulen, die »nur« Strom verkaufen, rech­nen sich nicht. Hard­ware, Auf­bau und Wartung sind teuer, und die mit dem Stromverkauf erziel­baren Ein­nah­men ger­ing — zumin­d­est solange nur wenige eFahrzeuge auf den Straßen unter­wegs sind.
»Deshalb haben wir keine Ladesäule entwick­elt, son­dern einen Parkschein­au­to­mat­en, in den eine Ladesäule inte­gri­ert ist«, erk­lärt Uwe Hah­n­er, Gen­er­al Man­ag­er Park­ing und E‑Mobility bei Swar­co Traf­fic Sys­tems die Grundüber­legung der fünf Unternehmen. »Unser Gerät erwirtschaftet nicht nur eine, son­dern zwei Arten von Ein­nah­men — von denen eine auch noch unab­hängig ist von der Anzahl der eFahrzeuge in der Stadt.« Damit werde der wirtschaftliche Betrieb möglich, ver­sprechen die Her­steller. Ein Ver­sprechen, das auch die Bezirksver­wal­tung von Berlin-Mitte überzeugte — sie gab den Unternehmen die Chance, die All­t­agstauglichkeit der Neuen­twick­lung zu beweisen.
Aufwendi­ge Vorbereitung
Vor dem Start des Vorhabens standen zunächst Pla­nung und Genehmi­gung an. Dabei stell­ten die Unternehmen schnell fest: Die Berlin­er Behör­den ver­fü­gen über kein­er­lei fest­ste­hende Pla­nungs- und Genehmi­gungsver­fahren für Parkschein­au­to­mat­en »unter Strom«. Alle Beteiligten betrat­en Neu­land: »Wir haben mit allen Behör­den gesprochen, mit allen Betreibern der örtlichen Kabel- und Rohrleitun­gen, sog­ar mit der Berlin­er Polizei. Die Liste der Ansprech­part­ner war fast genau so lang, wie die der zu klären­den Fra­gen«, erin­nert sich Hah­n­er. Doch nach und nach fand sich alles Nötige zusam­men, die für die Pla­nung ver­ant­wortliche stad­traum GmbH erhielt alle Genehmi­gun­gen. »Dann stellte sich nur noch die Park­platz-Frage«, so Hah­n­er weiter.
Die »Park­platz-Frage«: Wie lassen sich die Park­plätze unmit­tel­bar vor den Ladesäulen auss­chließlich für eFahrzeuge frei­hal­ten? Straßen­verkehrsrechtlich keine ein­fache Sache — die Betreiberun­ternehmen und die Berlin­er Straßen­verkehrs­be­hörde mussten erst eigens eine neue Beschilderung entwick­eln: Heute hält in der Wall­straße ein Hal­te­ver­botss­child mit der Ergänzung »ausgenom­men eFahrzeuge« die Plätze vor dem Parkschein­au­to­mat­en frei — ein erwiesen­er­maßen rechtlich ein­wand­freier, durch­set­zbar­er und sehr all­t­agstauglich­er Ansatz.
Ein­fach zu bedi­enen, robust und sicher
Nach­dem auch diese verkehrsrechtliche Frage gek­lärt war, began­nen im Früh­jahr 2011 die Bauar­beit­en: Fun­da­mente für die Geräte wur­den gegossen und Kabel ver­legt, nach und nach wurde das tech­nis­che Grund­prinzip hin­ter den Parkschein­au­to­mat­en mit Ladesäule erkennbar.
Die Geräte sind nach dem Mas­ter-Satel­liten-Prinzip mod­u­lar konzip­iert: Ein Mas­ter steuert per DFÜ beliebig viele Satel­liten. Am Mas­ter kann gewählt, bezahlt und Strom bezo­gen wer­den; die Satel­liten dienen als Ladean­schlüsse auch für weit­er ent­fer­nte Park­plätze. Ausse­hen und Aus­rüs­tung ein­er Anlage sind grund­sät­zlich frei wählbar. Ob Ein­satz eines eige­nen Cor­po­rate Designs, Bargeld‑, Karten- oder Smart-Card-Annahme — der Betreiber entschei­det, wie er seine Geräte haben will. »Wir haben die Geräte als »offenes Sys­tem« entwick­elt, als Parkschein­au­tomat mit Stromver­sorgerun­ab­hängigem Ladesäulen-Mod­ul«, erk­lärt Hah­n­er. »Uns ist wichtig, dass sich Betreiber sowie Betriebs- und Geschäftsmod­ell auch nach dem Auf­bau noch ändern lassen. So bleibt unsere Entwick­lung zukunftsfähig.«
Die äußere Gestal­tung der Ladesäulen stammt vom renom­mierten Insti­tut für Inno­va­tion­strans­fer der Uni­ver­sität Han­nover. Es ist ergonomisch durch­dacht und entspricht allen städte­baulichen Anforderun­gen. Mas­ter und Satel­liten sind äußerst robust. Ihre Gehäuse beste­hen aus Edel­stahl, und die Schutzk­lap­pen vor den Ladean­schlüssen sind ver­riegelt, was ein Abziehen von Ladek­a­beln durch Unbefugte ver­hin­dert. Der TFT-Bild­schirm des Mas­ters ist durch Sicher­heits­glas geschützt. Damit sind die Geräte bestens gegen Ein­bruchver­suche und Van­dal­is­mus gewapp­net und für den Auf­bau an jed­er Art Park­fläche geeignet.
Geladen wird immer
Am 23. Mai 2011 war es dann soweit: Die Geräte in der Wall­straße wur­den in Betrieb genom­men. Die an der Entwick­lung beteiligten Unternehmen über­nah­men Betrieb und Wartung, der Stromkonz­ern Vat­ten­fall die Liefer­ung des Lade­stroms. Die Par­kraum­be­wirtschaf­tung — u.a. das Leeren der Münzfäch­er der Auto­mat­en — übern­immt seit diesem Zeit­punkt ein Dien­stleis­ter der Stadt, die ein­genomme­nen Parkge­bühren gehen an den Stadt­bezirk Mitte.
Der Betrieb ver­läuft nach Angaben der beteiligten Unternehmen zufrieden­stel­lend: »Der Parkge­bührenum­satz entwick­elt sich genau wie geplant, und auch mit dem Stromverkaufs-Umsatz sind wir zufrieden«, meint Uwe Hahner.
Die Aus­las­tung der Ladean­schlüsse liege zwar etwas unter der Ziel­marke, aber nicht weit: »Wann immer Sie die Wall­straße besuchen kom­men, ste­hen zumin­d­est ein, zwei eFahrzeuge vor unseren Säulen. Geladen wird sozusagen immer«, erläutert Uwe Hah­n­er und ergänzt:
»Uns ist natür­lich klar, dass wir das der Beson­der­heit des Stan­dorts zu ver­danken haben.« In der Wall­straße sind näm­lich mehr eAu­tos unter­wegs als ander­swo — der Bun­desver­band eMo­bil­ität hat hier seine Hauptgeschäftsstelle.
Im All­t­ag bewährt, für die Zukun­ft gerüstet
Uwe Hah­n­er ist überzeugt, dass sich die Neuen­twick­lung auch ohne der­ar­tige Stan­dortvorteile durch­set­zen wird. »Mit­tel­fristig führt an der eMo­bil­ität kein Weg vor­bei«, meint er, und ergänzt »dann wer­den wir in Deutsch­land auf eine flächen­deck­ende Ver­sorgung mit Ladesäulen auch im öffentlichen Raum angewiesen sein. Die Erprobung in der Wall­straße zeigt, dass inte­gri­erte Geräte wie unseres dafür das Mit­tel der Wahl sind: Sie lassen sich wirtschaftlich betreiben und sind anschlussfähig an andere Verkehrstech­nik wie z.B. Verkehrs­bee­in­flus­sungs- oder Parkleit­sys­teme.« Seine These ste­ht nicht allein im Raum: Inzwis­chen ist der »Parkschein­au­tomat« aus der Wall­straße auch auf dem Berlin­er Gelände des Europäis­chen Energiefo­rums EUREF im Ein­satz, dem Sitz der InnoZ, wo er fürs Aufladen der Fahrzeuge aus der Flinkster-Miet­wa­gen­flotte der Deutschen Bahn ver­wen­det wird. Auch an anderen Orten Deutsch­lands sind bere­its weit­ere Geräte im Ein­satz — in Parkhäusern, auf Park­plätzen und auf Unternehmensgrund­stück­en. »Parken und Laden« scheint sich also durchzuset­zen — nicht nur in Berlin.
Uwe Hahner
Swar­co Traf­fic Sys­tems GmbH
www.swarco.com/sts

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