Erfolgreiche Verkehrswende - Was ist konkret zu tun?

Eine erfolgreiche Verkehrswende — Was ist konkret zu tun?

Novem­ber 2017 / Artikel erschienen in dem Mag­a­zin Kar­ri­er­estart Young Pro­fes­sion­als Tech­nik / Aus­gabe Win­terse­mes­ter 2017
Der Bun­desver­band eMo­bil­ität hat im Dia­log mit seinen Mit­glied­sun­ternehmen einen umfassenden Forderungskat­a­log aus­gear­beit­et, der im Vor­feld der anste­hen­den Bun­destagswahl die notwendi­gen Schritte für eine erfol­gre­iche Verkehr­swende aufzeigt. Wir möcht­en damit konkrete Maß­nah­men ein­brin­gen, die in der kom­menden Leg­is­laturpe­ri­ode drin­gend umge­set­zt wer­den soll­ten. Denn wenn wir jet­zt nicht aktiv an der tat­säch­lichen Umset­zung ein­er Neuen Mobil­ität arbeit­en, wer­den wir erleben, dass sich auch die näch­sten Jahre keine ern­stzunehmende Mobil­itätswende ein­stellen wird.
Langfristige Maß­nah­men, um das Paris­er Kli­maschutz­abkom­men zu realisieren
Wenn wir das Kli­maschutz­abkom­men von Paris erfüllen wollen, müssen wir unsere Mobil­ität bis 2050 auf CO2-neu­trale Verkehrsträger umgestellt haben. Bei ein­er Fahrzeug-Lebens­dauer von bis zu 20 Jahren bedeutet das, dass wir spätestens ab 2030 nur noch emis­sions­freie Fahrzeuge zulassen dür­fen. Diese Regelung bet­rifft im übri­gen nur Neuzu­las­sun­gen; am Altbe­stand ändert das zu diesem Zeit­punkt noch nichts.
Zusät­zlich bedarf es ein­er Regelung für den Zeitraum bis 2030. Denkbar wäre vor dem Hin­ter­grund der nahen­den Diese­le­in­fuhrver­bote in deutschen Städten beispiel­sweise eine Aus­nah­meregelung nur für Unternehmen, die ihre Flotte tur­nus­mäßig jedes Jahr um 5–10% elektrizieren. Nur diese erhal­ten im Sinne eines Bonus-Malus-Sys­tems Ein­fuhrgenehmi­gun­gen für den Innen­stadt­bere­ich. Zudem muss klar sein, dass die Umstel­lung auf Elek­tro­fahrzeuge auch Zweiräder, Busse und weit­ere Verkehrsträger betr­e­f­fen muss, denn nur in einem inter­modalen Ansatz wer­den wir erfol­gre­ich eine saubere, leise und ins­ge­samt nach­haltige Neue Mobil­ität auf Basis Erneuer­bar­er Energien umset­zen können.
Öffentliche Hand als Marktaktivator
Die Poli­tik muss eine wirk­liche Vor­re­it­er-Rolle im Bere­ich der Mobil­itätswende übernehmen. Sin­nvoll ist vor dem Hin­ter­grund die sicht­bare Anschaf­fung von Elek­tro­fahrzeu­gen in den Fuhrparks und Flot­ten der öffentlichen Hand. Gegen­wär­tig sind in Deutsch­land etwa drei Mil­lio­nen Fahrzeuge in öffentlichen Flot­ten und Fuhrparks unter­wegs, das Beschaf­fungsvol­u­men liegt Schätzun­gen zufolge bei etwa 480 Mil­liar­den Euro im Jahr. Spiel­raum, der im Sinne ein­er von der Poli­tik angestrebten Verkehr­swende sehr viel bess­er aus­genutzt wer­den sollte.
Die öffentliche Hand kann durch die Umstel­lung ihrer Fuhrparks auf Elek­tro­mo­bil­ität wichtige Nach­frageim­pulse set­zen und gle­ichzeit­ig ein sicht­bares Zeichen für eine nach­haltige, bere­its heute all­t­agstaugliche Neue Mobil­ität set­zen. Bund, Län­der und Kom­munen soll­ten hier mit gutem Beispiel voran gehen. Die Poli­tik ist aufge­fordert, hier über­ge­ord­net anzuset­zen und für öffentliche Ver­wal­tun­gen Anreize zu schaf­fen, ihre Flot­ten auf saubere Antriebe umzustellen.
Bei der öffentlichen Auss­chrei­bung von Fahrzeu­gen soll­ten Umweltaspek­te kün­ftig noch stärk­er Berück­sich­ti­gung find­en, um öffentlichen Ein­rich­tun­gen die Anschaf­fung umweltscho­nen­der Fahrzeuge mit alter­na­tiv­en Antrieben zu erle­ichtern. Die Ein­führung ein­er Begrün­dungsklausel, in welch­er dargelegt wer­den muss, warum statt eines Fahrzeuges mit alter­na­tivem Antrieb ein herkömm­lich motorisiertes Fahrzeug angeschafft wer­den soll, wäre ein wichtiger Schritt für die Verkehrswende.
Die Ein­rich­tung ein­er nationalen Ser­vices­telle für Elek­tro­mo­bil­ität sollte angedacht wer­den, die als zen­trale Anlauf­stelle für öffentliche Ver­wal­tun­gen fungiert und Beschaf­fungs­man­ag­er bei der Umstel­lung der Fuhrparks berät und prax­isori­en­tiert unter­stützt. Sin­nvoll ist außer­dem ein Dia­log mit Ver­ant­wortlichen in Bund, Län­dern und Kom­munen, um deren Bedürfnisse und Inter­essen zu erfahren und das kom­plexe The­ma Elek­tro­mo­bil­ität in ver­ständliche und für die Adres­sat­en rel­e­vante Teilaspek­te zu zerlegen.
Bedarf­s­gerechter Aus­bau und Stan­dar­d­isierung der Ladeinfrastruktur
Für den Erfolg der Elek­tro­mo­bil­ität ist die wirtschaftliche Ver­füg­barkeit ein­er Lade­in­fra­struk­tur entschei­dend. Der Aus­bau der Lade­in­fra­struk­tur sollte bedarf­s­gerecht und mit Augen­maß erfol­gen und mit der Anzahl an eFahrzeu­gen steigen. Da vor allem zu Hause und am Arbeit­splatz geladen wird, wäre es wün­schenswert, wenn im ersten Schritt vor allem auf unternehmen­seige­nen Park­plätzen Lademöglichkeit­en geschaf­fen wür­den. Auch für Stadt­be­wohn­er ohne eige­nen Stellplatz soll­ten aus­re­ichend Lademöglichkeit­en geschaf­fen wer­den. Durch den bedarf­s­gerecht­en Aus­bau kön­nen psy­chol­o­gis­che Hemm­nisse bei den Bürg­ern abge­baut und die Akzep­tanz für Elek­tro­mo­bil­ität in der Bevölkerung signikant erhöht werden.
Die Anstren­gun­gen in diesem Bere­ich soll­ten deshalb drin­gend ver­stärkt wer­den. Bei größeren Bau­vorhaben (Wohnan­la­gen, Einkauf­szen­tren, usw.) sollte das Ver­legen elek­trisch­er Anschlüsse für Lade­in­fra­struk­tur z. B. in Tief­gara­gen oder auf (Anwohner-)Parkplätzen zukün­ftig oblig­a­torisch sein, um Kosten und Aufwand für die nachträgliche Instal­la­tion von Lademöglichkeit­en so ger­ing wie möglich zu hal­ten. Auch Abschrei­bungsmöglichkeit­en für die Instal­la­tion von Lade­in­fra­struk­tur in Pri­vathaushal­ten soll­ten geprüft werden.
Bezahl- und Abrech­nungssys­teme für Lademöglichkeit­en müssen diskri­m­inierungs­frei ange­boten wer­den. Ladesäulen soll­ten deshalb generell über einen ad hoc Zugang ver­fü­gen sowie über ein­heitliche Ladesteck­er und Ladekabel.
Unter­schiedliche Ladek­a­bel- bzw. Ladesteck­er­sys­teme stellen ein Hemm­nis für die gesellschaftliche Akzep­tanz von Elek­tro­mo­bil­ität dar, da es für Anwen­der anson­sten umständlich ist, den für sie passenden Ladepunkt anzus­teuern. Ein stan­dar­d­isiert­er Ansatz, der die Kom­pat­i­bil­ität ver­schieden­er Sys­teme ermöglicht und nutzer­fre­undlich­es eRoam­ing gewährleis­tet, sollte daher drin­gend geschaf­fen wer­den. Der gewählte Ansatz sollte dabei tech­nolo­gie­of­fen gestal­tet sein.
Bei der Stan­dort­pla­nung von Ladepunk­ten sollte sowohl das Nutzerver­hal­ten als auch der Wohnort resp. der Arbeit­splatz von Elek­tro­fahrzeughal­tern und Kaufinteressierten mit ein­be­zo­gen wer­den und der Auf­bau dementsprechend bedarf­sori­en­tiert erfol­gen. Damit lassen sich Akzep­tanz und Kauf­bere­itschaft signikant erhöhen.
Und auch hin­sichtlich des Ver­triebs von Strom an ein­er pri­vat­en Ladesäule muss einiges getan wer­den. Bis­lang ist es dem Pri­vat­nutzer nicht ges­tat­tet, seine Wall­box bspw. tagsüber der All­ge­mein­heit zur Ver­fü­gung zu stellen und den Stromver­brauch von »Kun­den« abzurech­nen, da ein Verkauf von Strom eine entsprechende Lizenz voraus­set­zt. Dieser Aspekt gehört drin­gend modiziert, da hier ein pri­vates Geschäftsmod­ell (im kleinen) ver­hin­dert wird und somit ein Incen­tive bzw. Überzeu­gungsmerk­mal. Dies vor allem vor dem Hin­ter­grund, dass Überzeu­gungsar­beit via dem Port­monee meis­tens am besten funk­tion­iert. Zudem würde dadurch der Bedarf an öffentlich gefördert­er Lade­in­fra­struk­tur mit­tel­fristig deut­lich sinken. Weit­er­hin ist dies ein wichtiger Aspekt hin­sichtlich der poli­tisch gewoll­ten Sek­torkop­pelung zur Energiewende.
Die Vekehr­swende bet­rifft nicht nur das Auto
Die Neue Mobil­ität umfasst mehr als einen Tech­nolo­giewech­sel vom Ver­bren­nungs- zum Elek­tro­mo­tor. Elek­tro­mo­bil­ität sollte als ein Baustein in ein­er inter­modalen Mobil­itäts­kette ver­standen wer­den, die ver­schiedene Verkehrsträger sin­nvoll miteinan­der verknüpft und Nutzern eine kom­fort­able Kom­binierung mehrerer Verkehrsmit­teln ermöglicht. Neben der Förderung der Elek­tro­mo­bil­ität im PKW- und Zweirad­bere­ich sind hier neben Car­shar­ing-Konzepten auch der Bah­n­verkehr und der ÖPNV entscheidend.
Große ökonomis­che und ökol­o­gis­che Poten­tiale liegen in der Elektrizierung des Busverkehrs. Dies spart nicht nur Kraft­stoff und damit auch CO2- und NOx-Emis­sio­nen, son­dern ger­ade im Hal­testel­len­bere­ich sinkt die Belas­tung durch Luftschad­stoffe und Lärm erhe­blich. Neben dem Ein­satz neuer Elek­trobusse spielt hier auch die Umrüs­tung beste­hen­der Diesel­busse auf Elek­troantrieb eine entschei­dende Rolle. Die Bun­desregierung sollte die Beschaf­fung oder Umrüs­tung von emis­sion­sar­men Antrieben für den ÖPNV durch Kom­munen und Verkehrs­ge­sellschaften kün­ftig viel stärk­er fördern.
Vor dem Hin­ter­grund eines klaren Beken­nt­niss­es zur Elek­tro­mo­bil­ität ist es wichtig, die beste­hen­den Sub­ven­tio­nen für Diesel-Kraft­stoff sowie die Sub­ven­tion­ierung von Diesel­bussen abzuschaf­fen. Das damit einges­parte Geld kön­nte dann direkt in eine höhere Förderung für Elek­trobusse, elek­trische Liefer­fahrzeuge und inter­modale Ket­ten im Innen­stadt­bere­ich fließen, wie auch dem Pri­vat­nutzer von eFahrzeu­gen in Form von Incen­tives zum Fahrzeugkauf und entsprechen­der Wall­box zu Gute kommen.
Die Geschwindigkeits­be­gren­zung von Kleinkrafträdern sollte von 45 km/h auf 55 km/h ange­hoben wer­den, um sie im inner­städtis­chen Verkehr als gle­ich­berechtigte Verkehrsteil­nehmer wahrzunehmen. Wenn auch Kleinkrafträder kün­ftig im Verkehrsuss »mitschwim­men« kön­nten, wür­den sich Kun­den kün­ftig sehr viel sicher­er auf der Straße fühlen und damit würde die Hürde der Kon­sumenten beim Kauf ver­ringert. Das wiederum würde den inner­städtis­chen Verkehr erhe­blich entlasten.
Die Erweiterung des zuläs­si­gen Gesamt­gewicht­es in der M1 Klasse bzgl. der Führerschein­klasse sollte ana­log zur N1 Klasse ange­hoben wer­den. Wenn beispiel­sweise Trans­porter zu elek­trischen Bürg­er­bussen umge­baut wer­den, über­steigt das Gesamt­gewicht auf­grund ein­er Rampe für Roll­stuhlfahrer und den notwendi­gen Bat­teriepacks oft die entsprechen­den 3,5 t. Mit ein­er Rampe für Roll­stuhlfahrer oder bei Reich­weit­en über 100 km ist dieses mit der heuti­gen Bat­teri­etech­nolo­gie nicht mehr zu schaf­fen. Ger­ade hier macht der Ein­satz von Elek­tro­fahrzeu­gen aber Sinn und kann nicht umge­set­zt wer­den, weil die entsprechende Gewicht­sklasse noch auf den Ver­bren­nungsmo­tor aus­gelegt ist.
Besteuerung von Elektrofahrzeugen
Die 10-jährige Befreiung von der Kfz-Steuer für Elek­troau­tos ist ein wichtiges Sig­nal hin­sichtlich der Förderung ein­er CO2-neu­tralen Mobil­ität. Allerd­ings hat die Befreiung über­wiegend sym­bol­is­chen Wert, so sparen eKlein­wa­gen mit einem Gewicht von bis zu 1.000 kg nur 28,13 Euro pro Jahr. Ins­beson­dere unter Berück­sich­ti­gung des aktuell noch höheren Kauf­preis­es von Elek­troau­tos im Ver­gle­ich zu kon­ven­tionellen Autos ist die nanzielle Dimen­sion der Steuer­be­freiung äußerst beschei­den. Von der neuen Bun­desregierung müssen deshalb drin­gend stärkere Anreize geschaf­fen werden.
Wir hal­ten eine Reform der Kfz-Steuer grund­sät­zlich für notwendig. Cir­ca 20 Prozent der CO2-Emis­sio­nen und 38 Prozent der Stick­ox­id-Emis­sio­nen in Deutsch­land entstam­men dem Verkehrssek­tor. Eine Neue Mobil­ität ist daher keine Option, son­dern die einzige Möglichkeit, die wach­senden glob­alen Mobil­itäts­bedürfnisse über­haupt noch zu gewährleis­ten und gle­ichzeit­ig die europäis­chen Kli­maschutzziele einzuhal­ten. Es wäre daher nur logisch und kon­se­quent, die Kfz-Steuer kün­ftig auss­chließlich am CO2 — und Stick­ox­id-Ausstoß eines PKW zu ori­en­tieren und dadurch ihre Lenkungswirkung hin­sichtlich ein­er umweltscho­nen­den Mobil­ität zu erhöhen. Dies sollte jedoch nicht auf Basis des über­holten NEFZ-Fahrzyk­lus erfol­gen, son­dern auf realen Ver­brauch­swerten der entsprechen­den Fahrzeuge. PKW mit niedrigem Ausstoß soll­ten mit einem niedri­gen Steuer­satz belohnt, »Spritschluck­er« mit hohen Emis­sio­nen entsprechend höher belastet wer­den. eFahrzeuge soll­ten zusät­zlich weit­er­hin von der Kfz-Steuer befre­it wer­den. Auf diese Weise ließe sich das Käufer­ver­hal­ten im Sinne ein­er nach­halti­gen Mobil­ität wirkungsvoll unter­stützen. Alleine durch diese Maß­nahme – je nach tat­säch­lich­er Aus­gestal­tung – kön­nten einige Mil­liar­den zusät­zlich­er Steuere­in­nah­men gener­iert wer­den, die den Staat­shaushalt nicht zusät­zlich belasten.
Akzep­tanzsteigerung inner­halb der Gesellschaft
Es bedarf außer­dem ein­er bre­it angelegten Elek­tro­mo­bil­itäts-Kam­pagne, um die Gesellschaft für das The­ma Neue Mobil­ität zu gewin­nen. Denn viele Ver­brauch­er wis­sen immer noch nicht, was ein Elek­tro­fahrzeug leis­ten kann und wie es sich im All­t­ag­sein­satz ver­hält. Wir vom Bun­desver­band eMo­bil­ität geben hier gerne weit­er­hin die notwendi­gen Impulse.
Beitrag von Kurt Sigl, BEM-Präsident
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