BEM-Pressehinweis: Gastbeitrag des unabhängigen Mobilitätsexperten Dr. Hans-Peter Kleebinder

29. Mai 2020 / Dr. Hans-Peter Klee­binder, Bil­drechte: Bun­desver­band eMo­bil­ität e.V. BEM 
Unter dem Titel ⇢ „Deutsch­land – Deine Chan­cen“ veröf­fentlicht das Nachricht­en­magazin Focus eine Rei­he von Gast­beiträ­gen online, die sich mit den Verän­derun­gen durch Coro­na beschäfti­gen. Für den Auto­mo­bilsek­tor durfte der unab­hängige Experte und wis­senschaftliche Beirat des Bun­desver­ban­des eMo­bil­ität BEM, Dr. Hans-Peter Klee­binder, einen Gast­beitrag veröf­fentlichen, den wir in Auszü­gen widergeben.
Die Coro­na-Krise verän­dert derzeit unseren Blick auf Mobil­ität. Zum einen für uns selb­st als Grund­lage unser­er per­sön­lichen Autonomie und zum anderen für unsere Wirtschaft als Grund­lage für Wohl­stand. Deutsch­land hat jet­zt die Chance – befeuert durch die COVID19 Pan­demie – von der bevorste­hen­den Mobil­ität­srev­o­lu­tion zu prof­i­tieren und gestärkt hervorzugehen.
Was ändert sich mit und nach Coro­na? Je mehr unsere Mobil­ität eingeschränkt wird, desto stärk­er steigt unser Bewusst­sein dafür. Bis vor kurzem undenkbar: Ver­hal­tens-Regeln, ob, wie und wohin wir uns bewe­gen dür­fen. Wir nehmen mehr Rück­sicht aufeinan­der und schränken uns ein. Wir wer­den kreativ und ändern unsere Bewe­gungskul­tur: Fahrrad statt Auto und Bus, Wan­dern statt Seil­bahn, Home­of­fice statt durch­schnit­tlich 45 Minuten am Tag zum Arbeit­splatz pen­deln. Unsere Ein­stel­lung und unser Ver­hal­ten ändert sich.
Ein­er­seits entschuldigt sich unsere bewährte Krisen­man­agerin Angela Merkel für diese Ein­schränkun­gen unseres Grun­drechts. Ander­er­seits ver­spricht unsere Auto-Kan­z­lerin umfan­gre­iche Unter­stützung der Autoin­dus­trie, um auf die Angst vor Arbeit­splatzver­lust zu reagieren. Die geforderten Kauf­prämien für hochmo­torisierte fos­sile Fahrzeuge aus der Über­pro­duk­tion deutsch­er Auto­bauer führen nicht aus der Sack­gasse, son­dern zu ein­er fatal­en Geis­ter­fahrt in die falsche Richtung.
Zukun­ftsmo­bil­ität: Das WIE und nicht das WOMIT ste­ht im Vordergrund
Die Auto­mo­bilin­dus­trie ist nach wie vor Leit­branche, Treiber und Aushängeschild der deutschen Wirtschaft. Mit Kli­maschutz, alter­na­tiv­en Antrieb­stech­nolo­gien, Dig­i­tal­isierung und einem sich ändern­den Mobil­itätsver­hal­ten ste­ht die Branche vor ihrer größten Her­aus­forderung. „Die Auto­mo­bilin­dus­trie wird sich in den näch­sten 5 Jahren mehr verän­dern als in den let­zten 100 Jahren“ tön­ten 2016 die deutschen CEOs der Auto­mo­bilin­dus­trie ein­stim­mig zum 100. Geburt­stag des Auto­mo­bils. Die Rich­tung und die Geschwindigkeit gaben und geben andere vor, allen voran Tes­la. Bald auch im Autoland Deutsch­land mit eigen­er Fabrik.
Glob­ale Entwick­lun­gen bes­tim­men das Tem­po der aktuellen Neuerfind­ung und Trans­for­ma­tion der Auto­mo­bilin­dus­trie: Mögliche Strafzahlun­gen auf­grund von Emis­sion­sreg­ulierun­gen erzwin­gen eine Dekar­bon­isierung und damit die Elek­tri­fizierung der Fahrzeugflot­ten. Ver­bren­nungs-Motoren (Diesel/Benzin und Gas) wer­den langfristig von Elek­tro-Motoren (Bat­terie und Brennstof­fzelle) abgelöst. Als Brück­en­tech­nolo­gie wer­den Hybrid-Motoren in der näch­sten Dekade weit­er an Bedeu­tung gewin­nen. Neben Antrieben wird die Mobil­ität­srev­o­lu­tion vor allem durch die Chan­cen der Dig­i­tal­isierung vor­angetrieben. Das WIE und nicht das WOMIT, ste­ht in Zukun­ft im Vorder­grund, wenn wir uns von A nach B bewe­gen oder bewegt werden.
Stolz auf unsere Autoin­dus­trie bröckelt
Jet­zt ist die Zeit, mutig zu han­deln und rasch zu entschei­den. Unternehmen der Auto­mo­bilin­dus­trie müssen jet­zt die Weichen stellen, um den unver­mei­d­baren Wan­del erfol­gre­ich zu bewälti­gen. Die Poli­tik ist auf allen Ebe­nen gefordert, entsprechende Rah­menbe­din­gun­gen zu schaf­fen, um kün­ftig von den sich bietenden Chan­cen zu profitieren.
Passt sich unsere Auto­mo­bil­wirtschaft in Deutsch­land kün­ftig nicht oder zu spät an, dro­hen Wertschöp­fungsver­luste. Ein beträchtlich­er Teil der geschätzten 1,8 Mil­lio­nen Arbeit­splätze hän­gen derzeit am Ver­bren­ner. COVID-19 wirkt für die Trans­for­ma­tion zum Elek­tro­mo­tor wie ein Brandbeschle­u­niger für diese Trans­for­ma­tion. Begleit­et wird dies durch die Verun­sicherung von Mitar­beit­ern und Kun­den sowie die bröck­el­nde Iden­ti­fika­tion und Stolz auf unsere Auto­mo­bilin­dus­trie. In Fam­i­lien, in (sozialen) Medi­en und in Talkrun­den wird unsere Zukun­ftsmo­bil­ität kon­tro­vers diskutiert.
Irrfahrt in die falsche Richtung
Schon vor der Coro­na-Pan­demie war die Autoin­dus­trie enorm unter Druck. Als vor­mals reich­ste Kom­munen Deutsch­lands bet­tel­ten Wolfs­burg und Ingol­stadt bei der Autokan­z­lerin um Unter­stützung mit dem Argu­ment, beste­hende Arbeit­splätze zu sich­ern. Dabei hat deren Forschung und Entwick­lung zu wenig in zukun­fts­fähige Antriebe investiert, son­dern vor allem in immer größere und lux­u­riösere Pro­duk­te. Vor allem in die stark nachge­fragten SUVs, welche unserem Wun­sch nach Sicher­heit, Fahrspaß und Bequem­lichkeit fol­gen. So hat sich der Ressourcenein­satz, der notwendig ist, um uns von A nach B zu brin­gen, in den let­zten 25 Jahren deut­lich erhöht. Zwis­chen dem VW Golf von 1995 und dem aktuellen VW Golf hat sich dessen Fläche um 12% und sein Gewicht um 25% erhöht. Die durch­schnit­tliche PS Zahl von neuen PKWs ist in diesem Zeitraum um 66% gewach­sen. Brauchen wir jet­zt als Gegen­be­we­gung die Förderung von Mikromobilität?
Kon­flikt zwis­chen ökonomis­chen und ökol­o­gis­chen Fußabdruck
Als Folge der Coro­na-Pan­demie ste­hen drin­gend rich­tungsweisende ökonomis­che Entschei­dun­gen an. Diese Krise hat die Geschwindigkeit und den Druck, diesen Wan­del zu man­a­gen, drama­tisch erhöht. Diese Krise bietet die Chance, unsere Mobil­ität nach­haltiger und intel­li­gen­ter zu gestal­ten. Jet­zt gilt es, die Kli­maziele und die Wirtschaft gle­icher­maßen im Auge zu behal­ten. Jet­zt darf die Autoin­dus­trie nicht den Fehler machen, auf dem Weg zur Nor­mal­ität diese Chance zur Verän­derung zu verpassen …
Diesel­gate und Tes­la haben den über­fäl­li­gen Struk­tur­wan­del in der Branche deut­lich gemacht. Die deutschen Auto­bauer – allen voran VW — haben mit der Neuaus­rich­tung begonnen. Durch COVID-19 ist jet­zt eine exis­ten­zielle Not­lage ent­standen, die Mut und Per­spek­tiv­en für eine bessere Zukun­ft braucht. Mit ein­er geziel­ten Förderung ein­er nach­haltigeren Energiegewin­nung, umwelt­fre­undlicheren Antrieb­stech­nolo­gien, der Ver­net­zung unser­er Verkehrsträger und von neuen Mobil­itäts­di­en­stleis­tun­gen. Dabei kön­nen die Förder­pakete helfen, den ohne­hin fäl­li­gen Wan­del zu mehr Nach­haltigkeit zu beschle­u­ni­gen und die Geschäfts­grund­lage für die Zukun­ft neu auszurichten …
Der Gast­beitrag ist im Orig­i­nal hier nachzulesen
Über den Bun­desver­band eMo­bil­ität e.V.
Der Bun­desver­band eMo­bil­ität (BEM) ist ein Zusam­men­schluss von Unternehmen, Insti­tu­tio­nen, Wis­senschaftlern und Anwen­dern aus dem Bere­ich der Elek­tro­mo­bil­ität, die sich dafür ein­set­zen, die Mobil­ität in Deutsch­land auf Basis Erneuer­bar­er Energien auf Elek­tro­mo­bil­ität umzustellen. Zu den Auf­gaben des BEM gehört die aktive Ver­net­zung von Wirtschaft­sak­teuren für die Entwick­lung nach­haltiger und inter­modaler Mobil­ität­slö­sun­gen, die Verbesserung der geset­zlichen Rah­menbe­din­gun­gen für den Aus­bau der eMo­bil­ität und die Durch­set­zung von mehr Chan­cen­gle­ich­heit bei der Umstel­lung auf emis­sion­sarme Antrieb­skonzepte. Der Ver­band wurde 2009 gegrün­det. Er organ­isiert 300 Mit­glied­sun­ternehmen, die ein jährlich­es Umsatzvol­u­men von über 100 Mil­liar­den Euro verze­ich­nen und über eine Mil­lion Mitar­beit­er weltweit beschäftigen.
Pressekon­takt
Bun­desver­band eMo­bil­ität e.V.
Oranien­platz 5, 10999 Berlin
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