Wir werden in Zukunft einen Energiekampf haben

30. Okto­ber 2020 / ener­gate-Redak­tion Berlin / Inter­view mit BEM-Vor­stand Markus Emmert / Auszug / Fra­gen von Carsten Kloth
Markus Emmert vom Bun­desver­band eMo­bil­ität kri­tisiert das »Mantra« der Tech­nolo­gie-Offen­heit. (Foto: BEM e.V.)
Der Bun­desver­band eMo­bil­ität (BEM) hat in der Diskus­sion um alter­na­tive Kraft­stoffe einen »Lob­byan­griff« von Indus­trie­ver­bän­den auf das Umwelt­min­is­teri­um kri­tisiert (⇢ ener­gate berichtete). Im Inter­view mit ener­gate kon­tert BEM-Vor­stand Markus Emmert: Wasser­stoff habe im Indi­vid­u­alverkehr keine Daseinsberechtigung.
ener­gate: Die Indus­trie­ver­bände DWV, MWV, VDA und VDMA wer­ben mas­siv für E‑Fuels bzw. Wasser­stoff und kri­tisieren das Umwelt­min­is­teri­um für den REDII-Entwurf. Was steckt aus Ihrer Sicht dahinter?
Emmert: Wasser­stoff und E‑Fuels müssen zum Kun­den verteilt wer­den. Das bestärkt die Min­er­alöl­wirtschaft darin, ihre beste­hen­den Leitun­gen ein zweites Mal zu nutzen. Die Auto­mo­tive-Wirtschaft würde ihrer­seits dadurch prof­i­tieren, dass beste­hende Tech­nolo­gien beibehal­ten wer­den kön­nten. Die The­men Wasser­stoff und E‑Fuels wer­den hier gerne vorgeschoben. Wenn wir die CO2-Ziele bis 2030 erre­ichen wollen, dann kön­nen wir uns diese Energi­eträger schlichtweg nicht leis­ten. Den Indus­trie­ver­bän­den geht es darum, an ihren beste­hen­den Geschäftsmod­ellen festzuhal­ten. Dafür wird die Fak­ten­lage mas­siv gebogen.
ener­gate: Inwiefern?
Emmert: E‑Fuels und Wasser­stoff sind zwar tech­nol­o­gisch ein­set­zbar. Aber es geht auch um die ener­getis­che Frage. Die Fak­ten hin­sichtlich der Effizien­zen und der wahren Kosten wer­den nicht offen­gelegt. Beispiel­haft hier­für ist die Studie des Min­er­alölver­ban­des, mit dem Ergeb­nis, dass sog­ar syn­thetis­che Kraft­stoffe effizien­ter sein sollen als die bat­terieelek­trische Mobil­ität – was mehr als nur fraglich ist.
ener­gate: Ist Wasser­stoff als Energiequelle für den Indi­vid­u­alverkehr denn kom­plett ungeeignet?
Emmert: Die Basis muss erneuer­bare Energie sein. Alles was in Rich­tung blauer oder grauer Wasser­stoff geht, ist ungeeignet im Hin­blick auf die CO2-Ziele. Wir haben nicht nur die Mobil­itätswende vor uns, son­dern gle­ichzeit­ig die Energiewende. Wir wer­den es mit Energiek­nap­pheit zu tun haben und müssen mit grün­er Energie haushal­ten. Wasser­stoff für den Indi­vid­u­alverkehr wird eine „Cham­pag­n­er-Lösung“ sein, das ist bei Präsen­ta­tion der Ago­ra-Studie deut­lich gewor­den. Er kann nur verteilt wer­den, wenn keine anderen Alter­na­tiv­en mehr vorhan­den sind. Das ist im Indi­vid­u­alverkehr nicht der Fall — der kann mit bat­terieelek­trisch­er Mobil­ität kom­plett abgedeckt wer­den. Von daher hat Wasser­stoff im Indi­vid­u­alverkehr keine Daseinsberechtigung.
Im Übri­gen ist es ja ger­ade der Vorteil der Erneuer­baren Energien, dass sie dezen­tral hergestellt wer­den kön­nen und nicht aus Afri­ka oder anderen Drit­tlän­dern aufwändig importiert wer­den müssen.
ener­gate: Und im Transportsektor?
Emmert: Der elek­trische Antrieb wird sich auch in Bussen und LKW grund­sät­zlich durch­set­zen. Im Bere­ich der Akku-Tech­nolo­gie haben wir in den kom­menden Jahren Quan­ten­sprünge zu erwarten. Das heißt aber nicht, dass Wasser­stoff oder syn­thetis­che Kraft­stoffe gar nicht zum Ein­satz kom­men. Die Frage ist, wo sie am effizien­testen ein­set­zbar sind, beziehungsweise wo es keine anderen Möglichkeit­en mehr gibt. Speziell in der Luft­fahrt wer­den wir um das The­ma syn­thetis­che Kraft­stoffe nicht herum kom­men. Wasser­stoff wird primär im sta­tionären Bere­ich die Karten ausspie­len kön­nen, also im Gewerbe, in der Indus­trie und der Wärmev­er­sorgung. Wir wer­den in Zukun­ft einen Energiekampf haben, darum, wo welche Energie am effizien­testen einge­set­zt wer­den kann.
ener­gate: Also ist das “Mantra” von der Tech­nolo­gie-Offen­heit eher schädlich?
Emmert: Tech­nolo­gie-Offen­heit ist ein schönes Wort und sug­geriert Ange­botsvielfalt. Aber für jede Tech­nolo­gie die entsprechende Infra­struk­tur zu schaf­fen und vorzuhal­ten, das kostet Zeit, Geld und Ressourcen. Wir haben aber schlicht keine Zeit dafür.
ener­gate: Bei den Auto­her­stellern haben sie ja zumin­d­est VW auf Ihrer Seite. Wie sieht es beim Rest der Branche aus?
Emmert: Das Manko ist, dass bei den deutschen Auto­mo­bil­her­stellern an den alten Struk­turen fest­ge­hal­ten wird. Kurzfristig kön­nen so mehr Gewinne einge­fahren, ohne sich in unsicheres Gelände zu begeben. Wenn ein Unternehmen langfristig Bestand haben will, dann muss es sich den neuen Her­aus­forderun­gen stellen. VW hat das erkan­nt und geht den richti­gen Weg – wenn auch spät. Manche glauben aber immer noch, es aus­sitzen zu kön­nen, zählen auf ihre Lob­by­is­ten und die Kon­tak­te zur Poli­tik und sitzen fest im Sat­tel in regierungsna­hen Gespräch­szirkeln wie der Nationalen Plat­tform Zukun­ft der Mobilität.
ener­gate: Wo ste­hen Ihre Mit­glied­sun­ternehmen vor dem Hin­ter­grund der Corona-Krise?
Emmert: Jed­er wird jet­zt Fed­ern lassen. Aber wenn es irgend­wo “Gewin­ner” gibt, dann eher auf der Seite der Elek­tro­mo­bil­ität. Die Stim­mung in der Branche ist rel­a­tiv gut — Hal­tung, Moti­va­tion und Absatz sehen eben­falls gut aus und tat­säch­lich wer­den dort ger­ade Arbeit­splätze geschaf­fen. Umwelt­prämie und Zuschüsse haben dies natür­lich beflügelt.
Wir haben allerd­ings andere The­men, die den Unternehmen und den Nutzern immer wieder auf die Füße fall­en. Weil keine poli­tis­che Klarheit herrscht, hapert es bei der Investi­tion­ssicher­heit. Die Tech­nolo­gie-Offen­heit block­iert die Branche — und auch die Bevölkerung in Hin­blick auf Kaufentschei­dun­gen. Hier braucht es eine klare gesellschaftliche Rich­tung mit der notwendi­gen Führung und Aufklärung.
Die Fra­gen stellte Carsten Kloth, ener­gate-Redak­tion Berlin.
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BEM-Vor­stand Markus Emmert

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