Offener Brief an das Bundesamt für Verkehr und digitale Infrastruktur

31. August 2018 / Artikel erschienen auf ⇢ ww.orange-coding.net
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich schreibe diesen Brief in ein­er Angele­gen­heit, die mir per­sön­lich sehr wichtig ist, aber außer mir auch noch einige tausend andere Men­schen bet­rifft. Es geht um die Zulas­sung soge­nan­nter Per­son­al Light Elec­tric Vehi­cles (PLEV’s) — oder auch Elek­trokle­in­st­fahrzeuge — für den deutschen Straßenverkehr.
Ein Elek­trokle­in­st­fahrzeug definiert sich im All­ge­meinen als ein leicht­es, elek­tro­be­triebenes Fahrzeug, welch­es schneller als 6 km/h fahren kann. In Deutsch­land gel­ten Fahrzeuge dieser Art als Kraft­fahrzeuge. Als solche müssen sie nach deutschem Recht zuge­lassen und ver­sichert wer­den. Abge­se­hen von Seg­ways, für die es eine Aus­nah­mereglung gibt, gibt es derzeit in Deutsch­land keine Type­n­de­f­i­n­i­tion für PLEV’s. Fol­glich kann ein Fahrzeug dieser Klasse nicht zuge­lassen wer­den und gilt im deutschen Straßen­verkehr somit als illegal.
Elek­trokle­in­st­fahrzeuge gibt es in viel­er­lei Aus­prä­gung. Als Hov­er­board, ⇢ Ein­rad, ⇢ Elek­troskate­board, ⇢ Tretroller oder auch als ⇢ Onewheel­er.
Die Chan­cen, die PLEV’s bieten, sind vielfältig: sei es als „last mile vehi­cle“ (Fahrzeug für die let­zte Meile) um beispiel­sweise den Weg vom Bahn­hof bis nach Hause zu über­brück­en oder auch als Hil­fe für gehbe­hin­derte Menschen.
2014 wurde vom BMVI eine Studie in Auf­trag gegeben, die einen Überblick über die derzeit auf dem Markt vorhan­de­nen Geräte bieten sollte. 2018, also rund vier Jahre später, wurde ich auf Nach­frage beim BMVI schriftlich darüber Informiert, dass die Ergeb­nisse nun vorliegen.
Lei­der wur­den die Ergeb­nisse dieser Unter­suchun­gen nicht öffentlich gemacht, so dass sich über die fol­gen­den Fra­gen nur mut­maßen lässt: Welche Fahrzeuge wur­den unter­sucht? Welche Kri­te­rien wur­den für die Unter­suchun­gen herange­zo­gen? Welche Experten wur­den befragt? Wur­den die Erfahrun­gen ander­er Län­der mit PLEV’s (wie etwa Nor­we­gen, Schwe­den oder Finn­land) herange­zo­gen? Ist der Dia­log mit den Her­stellern von PLEV’s gesucht wor­den? (Die Ein­ladung der ⇢ Scooter­helden in den Bun­destag erfol­gte beispiel­sweise erst nach dem Abschluss der Untersuchungen.)
Nach­dem u.a. Herr ⇢ Matthias Gas­tel als Mit­glied der Grü­nen im Bun­destag, eine Anfrage zur Legal­isierung von Elek­trokle­in­st­fahrzeu­gen gestellt hat, gab es von der Bun­desregierung ⇢ diese Antwort.
Darin wird u.a. erwäh­nt, dass eine Verord­nung zur Legal­isierung von PLEV’s in der Ressortab­stim­mung sei. Das ist auf den ersten Blick ein pos­i­tives Zeichen. Doch ein Insid­er aus der Elek­troboard­er­szene will in einem Gespräch mit Stephan Reichert erfahren haben, dass die neue Verord­nung nur ganz bes­timmte Fahrzeug­typen berück­sichtigt. Auf seinem ⇢ Blog schreibt er, dass Reichert, der beim BMVI für die Abteilung Straßen­verkehr zuständig ist, ihm gesagt habe, das unter anderem Fahrzeuge ohne Lenkstange von der Verord­nung aus­geschlossen seien.
Sollte das den Tat­sachen entsprechen, ist die neue Verord­nung aus mein­er per­sön­lichen Sicht nur ein Teilzugeständ­nis an die Elek­tro­mo­bil­ität, denn ger­ade PLEV’s ohne Lenkstange haben gegenüber Tretrollern oder Scootern entschei­dende Vorteile: Sie sind klein und kom­pakt und eige­nen sich dadurch ins­beson­dere im urba­nen Raum als Ergänzung zum öffentlichen Per­so­nen­nahverkehr (ÖPNV).
Auch ohne eine entsprechende Regelung ist die Zahl der Elek­troskate­boards und Hov­er­boards im Straßen­verkehr in den let­zten Jahren deut­lich gestiegen. Wer­den diese Geräte von der Verord­nung aus­geschlossen, bringt dies die Fahrer aber auch andere Verkehrsteil­nehmer in eine prekäre Recht­slage und sorgt für Unsicher­heit auf allen Seiten.
Ich sel­ber nutze diverse Elek­trokle­in­st­fahrzeuge und möchte in der Stadt nicht mehr darauf verzicht­en müssen. Ich erre­iche damit wesentlich schneller mein Ziel als mit der Bahn oder gar mit dem Auto. Aber abge­se­hen davon, dass ich per­sön­lich vom Aus­gang der neuen Verord­nung betrof­fen bin, ver­ste­he ich nicht, warum Deutsch­land sich die Chance ent­ge­hen lässt, im Bere­ich PLEV’s eine Vor­re­it­er­rolle einzunehmen. Ger­ade vor dem Hin­ter­grund des Zwei-Grad-Ziels sollte es doch im Sinne der deutschen Regierung sein, jede Form von Elek­tro­mo­bil­ität zu fördern. Schließlich trägt der Verkehrssek­tor einen erhe­blichen Anteil an den Treibhausemissionen.
An die Ver­ant­wortlichen des BMVI, hier­mit ich bitte Sie, ihre Entschei­dung hin­sichtlich des Auss­chluss’ der PLEV’s ohne Lenkstange noch ein­mal zu über­denken. Eine ein­heitliche Regelung würde für alle Verkehrsteil­nehmer und auch für den Ver­sicherungssek­tor Klarheit und Rechtssicher­heit schaf­fen. Ein Zuwachs von PLEV’s im Straßen­verkehr kön­nte ins­beson­dere in den Städten zu ein­er erhe­blichen Ent­las­tung des Autoverkehrs führen. Das käme nicht nur der Umwelt son­dern auch den Bürg­ern zu gute. Außer­dem bietet sich durch die Förderung von Inno­va­tio­nen im Bere­ich Elek­tro­mo­bil­ität ein inter­es­san­ter neuer Wirtschafts­markt mit enormem Wachstumspotential.
Ein Gesetz, welch­es wieder ein­mal nur einen kleinen Teil der Möglichkeit­en legal nutzbar macht (wie schon bei den Seg­ways) ist meines Eracht­ens nach zu kurz gedacht und wird dazu führen, dass das Konzept nicht angenom­men wird.
Weit­ere Infor­ma­tio­nen find­en Sie hier

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