Die Verkehrswende als Chance! Ein Reset-Programm für die Kommunen

04. Mai 2020 / Eine Ini­tia­tive des Verkehrswendebüros
Shut­down allerorten. Die Bilder der Mil­itär­last­fahrzeuge in den nordi­tal­ienis­chen Städten hat die Dra­matik der Lage auf grausame Weise verdeut­licht. Zur Bekämp­fung der Covid 19-Pan­demie hat auch Deutsch­land das öffentliche Leben run­terge­fahren. Betrof­fen ist davon ganz beson­ders der Verkehrssek­tor. Auto­her­steller und Zulieferindus­trie, Touris­tikun­ternehmen, Air­lines und Flughafen­be­treiber ver­han­deln mit der Bun­desregierung bere­its über mil­liar­den­schwere Hil­f­spro­gramme. Ziel ist die Abmilderung der wirtschaftlichen Auswirkun­gen, um die Branche zu ret­ten. Die Ver­gan­gen­heit wird also längst schon wieder in die Zukun­ft verlängert.
Die Krise trifft auch Kom­munen mit großer Härte. Gewohnte Leis­tun­gen der Daseinsvor­sorge im Verkehr sind gefährdet. Es dro­ht ein Mil­liar­den­loch bei der Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs. Die Taxi‑, Miet­wa­gen- und Car­shar­ing­be­treiber melden hohe Ver­luste, die Vielfalt der Ange­bote ist gefährdet.
Auf der anderen Seite erleben Bürger*innen ihr Wohnum­feld, ihre Stadt, ihre Gemeinde ganz neu. Der Rück­gang des Autoverkehrs führt zu besser­er Luftqual­ität, weniger Lärm und neuen Freiräu­men. Die drastis­che Verkehrsre­duzierung schafft Per­spek­tiv­en für die Fort­set­zung der Verkehr­swende. Der Weg aus dem Shut­down kann dazu genutzt wer­den, die Ker­nele­mente eines zukün­fti­gen Verkehrs zu definieren, der die Beweglichkeit der Men­schen wieder­her­stellt, Arbeit­splätze sichert, neue schafft und dies alles in ein­er nach­halti­gen Weise.
Auswege aus der Krise
Shut­down heißt auch Rou­tine­bruch. Es gilt jet­zt zu han­deln – für eine tief­greifende Mod­ernisierung des Verkehrssys­tems und der Verkehrsmit­tel. Die Anzahl der Pkw kann reduziert und der Antrieb auf Elek­tro­mo­toren umgestellt wer­den. Durch die Ver­wen­dung von Fahrstrom aus regen­er­a­tiv­en Energiequellen bieten sich gute Möglichkeit­en der Verbindung der Verkehrs- und Energiewende. Die Verbesserung der Luftqual­ität und der Lärm­be­las­tung steigert die Leben­squal­ität. Den Alter­na­tiv­en zum pri­vat­en Autobe­sitz kann deut­lich mehr Raum gegeben wer­den. Dazu braucht es mehr Platz für den Fuß- und Rad­verkehr und ein besseres Ange­bot im ÖPNV, der als inte­gri­ertes Tür-zu-Tür-Ange­bot an jedem Ort und zu jed­er Zeit auf dig­i­tal­en Plat­tfor­men attrak­tiv­er wird.
Kom­munen sind die Game Chang­er, die Pio­niere der Verkehr­swende. Sie kön­nen spür­bare wirtschaftliche Impulse set­zen und auf lokaler Ebene die Rah­menbe­din­gun­gen für den Mobil­itätssek­tor zukun­fts­fähig aus­richt­en. Sie brauchen dazu aber poli­tis­che Unter­stützung, finanzielle Ausstat­tung und erweit­erte Befugnisse.
Wir schla­gen ein eigenes Reset-Pro­gramm der Verkehr­swende durch den Bund vor, auf das sich die Kom­munen bewer­ben kön­nen. Ziel des Pro­gramms ist es, die bere­its geplanten und begonnenen Maß­nah­men zur Bekämp­fung der Kli­makrise unter den neuen Umstän­den zu beschle­u­ni­gen und damit nach­haltig Arbeit­splätze in der Verkehrs­branche zu sich­ern. Das Pro­gramm soll fol­gende vier Hand­lungskonzepte haben:
Energie- und Verkehr­swende in den Kom­munen verbinden
Die Kom­munen wer­den bei der Umstel­lung von Fuhrparks und beim Aus­bau von Lade­in­fra­struk­tur für Elek­tro­fahrzeuge auf öffentlichen und pri­vat­en Flächen unter­stützt. Der Auf­bau von Lade­in­fra­struk­tur für Elek­tro­fahrzeuge wird auch durch den Auf­bau von Mobil­i­ty-Hubs auf öffentlichen und pri­vat­en Flächen ergänzt, die ide­al­er­weise auch Solarstrom vor Ort erzeu­gen. Die Hubs sind mul­ti­modale Anker­punk­te für alle flex­i­blen und elek­tri­fizierten Shar­ing- und Pool-Fahrzeuge und soll­ten für einen guten Umstieg direkt an wichti­gen Hal­testellen des ÖV liegen. Zur beschle­u­nigten Umset­zung wer­den eben­so Pla­nung, Errich­tung und Betrieb standardisiert.
Bestandssicherung und Erneuerung des Öffentlichen Verkehrs (ÖV)
Der ÖV ist durch den Ein­bruch der Fahrgastzahlen und den drastis­chen Rück­gang der Tick­etein­nah­men als Teil der kom­mu­nalen Daseinsvor­sorge exis­ten­ziell bedro­ht. Zur Aufrechter­hal­tung der Grund­ver­sorgung der Bevölkerung mit öffentlichem Verkehrsange­boten soll ein Schutzschirm aufges­pan­nt wer­den, der die ÖV-Unternehmen struk­turell und finanziell absichert. Gle­ichzeit­ig müssen die Kom­munen bei Pro­gram­men unter­stützt wer­den, um die ÖV-Ange­bote qual­i­ta­tiv weit­er zu entwick­eln. Hierzu sollen auch dig­i­tale Plat­tfor­mange­bote, die den öffentlichen Verkehr um ein Tür-zu-Tür-Bedi­enele­ment erweit­ern und vom Auf­gaben­träger koor­diniert wer­den, Betrieb­szuschüsse erhalten.
Neugestal­tung des öffentlichen Verkehrsraums
Viele Kom­munen sind bere­its dabei, die inner­städtis­chen Verkehrs­flächen neu aufzuteilen. Gemein­den, die pri­vat­en Fahrzeu­gen öffentliche Flächen entziehen und diese für den Fußgänger- und Fahrrad­verkehr sowie für Aufen­thalt­sräume ver­füg­bar machen, sollen durch Prämien­zahlun­gen finanzielle Unter­stützun­gen erhal­ten. Beste­hende Pläne für Rad­schnell­wege müssen sowohl finanziell – vor allem mit der Über­nahme kom­mu­naler Eigenan­teile – abgesichert als auch in der Aus­führung beschle­u­nigt wer­den. Instru­mente dafür sind ein Sicherungs­fonds und eine zen­trale Anlauf­stelle für Hil­fen bei Auss­chrei­bungsver­fahren und Bauüberwachung.
Errich­tung von reg­u­la­torischen Experimentierräumen
Kom­munen kön­nen einen Exper­i­men­tier­raum beantra­gen, der unter Maß­gabe eines definierten Zweck­es, der Beteili­gung der Anwohner*innen sowie ein­er kon­sti­tu­tiv­en Eval­u­a­tion rechtssich­er ermöglicht wird. Ziel ist es, durch die Nutzung von Exper­i­men­tierk­lauseln und Aus­nah­mebes­tim­mungen die Ergeb­nisse von vie­len Pro­jek­ten und Labor­vorhaben endlich umzuset­zen und die Ver­wal­tungsvorgänge zu beschle­u­ni­gen und inno­va­tion­shem­mende Regeln ins­beson­dere in der Baunutzungsverord­nung, in der Straßen­verkehrsor­d­nung sowie im Per­so­n­en­be­förderungs­ge­setz tem­porär und räum­lich begren­zt außer Kraft zu setzen.
Mit dieser Kom­bi­na­tion aus finanziellen Absicherun­gen, Pla­nung­sun­ter­stützung und neuen Gestal­tungsräu­men kön­nen die Kom­munen die Krise als Chance für eine nach­haltige Verkehrs­land­schaft nutzen. Hier­bei gilt es, bere­its gemachte Erfahrun­gen und Ergeb­nisse ver­gan­gener Pro­jek­te zügig umzuset­zen und auch in exper­i­menteller Weise auszuprobieren.
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