Die Nutzerakzeptanz hat den Point of no return erreicht

04. März 2021 / Inter­view mit BEM-Vor­stand Markus Emmert in »kfz-betrieb« / Autor Andreas Grimm / Pho­to BEM
Die Elek­tro­mo­bil­ität hat zulet­zt deut­lich an Fahrt aufgenom­men, wie die Zulas­sungszahlen bele­gen. Wo es den­noch hapert und was verbesserungswürdig ist, erläutert Markus Emmert vom Bun­desver­band eMo­bil­ität im Inter­view mit »kfz-betrieb«.
In den ver­gan­genen Wochen hat die Poli­tik einige Weichen zugun­sten der Elek­tro­mo­bil­ität gestellt. Das »Gebäude-Elek­tro­mo­bil­itäts-Infra­struk­tur-Gesetz« gehört eben­so dazu wie ein Gesetz zum Auf­bau der Net­z­in­fra­struk­tur. Gle­ichzeit­ig zeigen Unter­suchun­gen, dass eAu­tos zwar inzwis­chen viele Käufer inter­essieren, es aber doch noch rel­a­tiv sel­ten zum Abschluss kommt. Gle­ichzeit­ig wen­den sich weit­ere Her­steller vom Ver­bren­ner ab. »kfz-betrieb« hat bei Markus Emmert, Vor­stand im Bun­desver­band eMo­bil­ität, nachge­fragt, was die ver­schiede­nen Sig­nale der let­zten Wochen zu bedeuten haben.
Redak­tion: Herr Emmert, wie schätzen Sie generell den Fortschritt der Elek­tro­mo­bil­ität im Jahr 2020 ein?

Markus Emmert: Die Entwick­lung ist sehr pos­i­tiv. Die hohe staatliche Unter­stützung hat maßge­blich zum Anstieg der Elek­tro-Zulas­sun­gen geführt. Diese Entwick­lung wird weit­er anhal­ten und sich sog­ar deut­lich ver­stärken. Tech­nol­o­gisch ist der Durch­bruch längst erre­icht. Aber auch hin­sichtlich der Nutzer­akzep­tanz haben wir vor dem Hin­ter­grund der Kli­mafrage den Point of no return in der Elek­tro­mo­bil­ität defin­i­tiv erreicht.
Der Bund hat das GEIG ver­ab­schiedet. Ist das Gebäude-Elek­tro­mo­bil­itäts-Infra­struk­turGe­setz ein Meilen­stein für das Fortkom­men der Elektromobilität?

Das Gesetz ist eine der notwendi­gen Maß­nah­men und übri­gens ein Teil der nationalen Umset­zung von EU-Vor­gaben. Es ist ein wesentlich­es Ele­ment, um die Weichen in Rich­tung Elek­tro­mo­bil­ität zu stellen und gesellschaftliche Akzep­tanz zu schaf­fen. Entschei­dend an dem Gesetz ist, dass auf sein­er Grund­lage gewerbliche und pri­vate Neubaut­en von Anfang an für die Elek­tro­mo­bil­ität vor­bere­it­et wer­den müssen, so dass zu einem späteren Zeit­punkt Lade­in­fra­struk­tur bei Bedarf ohne großen Aufwand instal­liert wer­den kann. Mit­tel­fristig wird zudem der Bestand ertüchtigt werden.
Hat das GEIG direk­te Kon­se­quen­zen für den Automobilhandel?

Grund­sät­zlich müssen ab 2025 auch Bestands­be­triebe ab 20 Stellplätzen ihren Par­kraum für die Elek­tro­mo­bil­ität ertüchti­gen. Für Neubaut­en gilt das schon jet­zt ab sechs Stellplätzen. Angesichts der bre­it­en Pro­duk­t­palette von eAu­tos sollte eine entsprechende Infra­struk­tur zunehmend selb­stver­ständlich sein.
Nun will der Bund ein Netz von Schnel­l­lade-Sta­tio­nen schaf­fen. Ist der Schritt überfällig?

Der Aus­bau der Lade­in­fra­struk­tur kann grund­sät­zlich nicht schnell genug vor­ange­hen. Das Gesetz selb­st spricht von ein­er notwendi­gen reg­u­la­torischen Unter­stützung, um den Aus­bau anzuschieben und zu schaf­fen. Das Gesetz regelt übri­gens nicht den Auf­bau des
Net­zes, son­dern nur die Kri­te­rien für die öffentliche Auss­chrei­bung für den Auf­bau und den Betrieb ein­er Schnel­l­lade­in­fra­struk­tur. Es legt die Grund­lage, um die Lade­in­fra­struk­tur flächen­deck­end zu gestal­ten. Das Gesetz ist also über­fäl­lig, gle­ichzeit­ig ist noch viel zu tun.

Blick­en wir über die Gren­zen hin­aus: Selb­st wenn hierzu­lande das Ladenetz ste­ht, wie ste­ht es um die Lade­strom-Ver­sorgung außer­halb Deutschlands?

Da gibt es aktuell zwei Punk­te zu beacht­en: Erstens die Ladenet­zdichte selb­st und zweit­ens den Zugang zum Strom, sprich wie funk­tion­iert die Bezahlung. Let­zteres wird derzeit über die EU-Geset­zge­bung ver­braucher­fre­undlich reg­uliert. Die Infra­struk­tur selb­st ist län­der­ab­hängig und sehr unter­schiedlich aus­ge­baut. In Skan­di­navien oder in den Nieder­lan­den haben Sie gar kein Prob­lem, andere Län­der bauen derzeit mas­siv Ladepunk­te auf. Aber per­spek­tivisch sehe ich kein Prob­lem mit der Infra­struk­tur, denn alle EU-Län­der außer Deutsch­land haben sich bere­its dazu bekan­nt, ab einem bes­timmten Zeit­punkt keine Ver­bren­ner mehr neu zuzu­lassen. Dementsprechend muss logis­cher­weise die Lade­v­er­sorgung für die Alter­na­tive, den Elek­troantrieb, zügig entstehen.
Blick­en wir über die Gren­zen hin­aus: Selb­st wenn hierzu­lande das Ladenetz ste­ht, wie ste­ht es um die Lade­strom-Ver­sorgung außer­halb Deutschlands?

Da gibt es aktuell zwei Punk­te zu beacht­en: Erstens die Ladenet­zdichte selb­st und zweit­ens den Zugang zum Strom, sprich wie funk­tion­iert die Bezahlung. Let­zteres wird derzeit über die EU-Geset­zge­bung ver­braucher­fre­undlich reg­uliert. Die Infra­struk­tur selb­st ist län­der­ab­hängig und sehr unter­schiedlich aus­ge­baut. In Skan­di­navien oder in den Nieder­lan­den haben Sie gar kein Prob­lem, andere Län­der bauen derzeit mas­siv Ladepunk­te auf. Aber per­spek­tivisch sehe ich kein Prob­lem mit der Infra­struk­tur, denn alle EU-Län­der außer Deutsch­land haben sich bere­its dazu bekan­nt, ab einem bes­timmten Zeit­punkt keine Ver­bren­ner mehr neu zuzu­lassen. Dementsprechend muss logis­cher­weise die Lade­v­er­sorgung für die Alter­na­tive, den Elek­troantrieb, zügig entstehen.
Laut dem aktuellen DAT-Report gibt es eine große Diskrepanz zwis­chen Inter­esse an eAu­tos und dem tat­säch­lichen Kauf …

Das Phänomen ist weniger der Tech­nik geschuldet, son­dern den verun­sich­ern­den Begleit­er­schei­n­un­gen, etwa der fak­tis­chen Lade(un)möglichkeit in Miet­shäusern oder generell in Wohnan­la­gen. Ein weit­er­er Punkt ist sich­er noch fehlen­des konkretes Wis­sen über die eMo­bil­ität. Drit­tens muss man auch den Verkäufern ins Gewis­sen reden, weil aus ver­schiede­nen Grün­den noch immer Elek­tro-Inter­essen­ten in Rich­tung Ver­bren­ner bewegt wer­den. Zwei von drei Inter­essen­ten sind aus mein­er Sicht bis­lang im Verkauf­s­ge­spräch wieder abgesprungen.
Das The­ma Reich­weite ist laut ein­er Yougov-Umfrage immer noch ein entschei­den­des Kaufkri­teri­um. Ist das noch zeitgemäß?

Reich­weite ist natür­lich rel­e­vant, aber genau­so wichtig ist die Per­spek­tive. Lade­tech­nik ändert sich mas­siv hin zum schnellen Laden. Die Reich­weit­en­fra­gen wer­den in dem Maße an Bedeu­tung ver­lieren, wie die Ladegeschwindigkeit und — Leis­tungs­fähigkeit der Strom­spe­ich­er zunehmen. In der Diskus­sion ist aber auch Augen­maß notwendig: Ehrlicher­weise kann eine Reich­weite von 1.000 Kilo­me­tern nicht das Ziel für eAu­tos sein.
Kann denn der Aus­bau der Lade­in­fra­struk­tur denn mit den steigen­den Verkauf­szahlen mithalten?

Das ist keine Frage des Kön­nens, son­dern des Müssens. Wenn Deutsch­land die klimapoli­tis­chen Ziele erre­ichen will, führt an einem eng­maschi­gen Ladenetz kein Weg vor­bei. Zur Not muss der Staat ein­greifen, damit der Aus­bau gelingt. Tat­säch­lich fehlen nach unseren Berech­nun­gen zum jet­zi­gen Zeit­punkt 10.000 bis 15.000 Ladepunk­te im öffentlichen Raum. Wir wer­den 10- bis 12-Mil­lio­nen eAu­tos im Jahr 2030 im Bestand haben und brauchen dann 400.000 öffentliche Ladepunk­te, welche sich in ca. 300.000 Nor­mal­lad­er und 100.000 Schnel­l­lad­er aufteilen wer­den. Gle­ichzeit­ig ist es eine gesamt­ge­sellschaftliche Auf­gabe, denn die Ladepunk­te müssen auch bei den Arbeit­ge­bern, in Parkhäusern und zuhause entste­hen. Und zulet­zt muss dafür Sorge getra­gen wer­den, dass genug grün­er Strom zu jed­er Zeit zur Ver­fü­gung steht.
An welchen Orten soll aus Ihrer Sicht die Lade­in­fra­struk­tur bevorzugt entstehen?

Grund­sät­zlich haben jede Tech­nolo­gie und jed­er Anwen­dungs­fall eine Daseins­berech­ti­gung. Man muss aber die Ver­hält­nisse genau betra­cht­en, was am einen Ort sin­nvoll ist, bringt eventuell an ander­er Stelle nichts. Da etwa die Verkehrs- und Städte­bau­plan­er dazu überge­hen, die Autos aus den Innen­städten weitest­ge­hend her­auszuhal­ten, ist öffentlich­es Laden unter ein­er anderen Per­spek­tive zu betrachten.
Jaguar Land Rover und Ford haben qua­si zeit­gle­ich bekan­nt gegeben, dass sie bis 2030 elek­tri­fiziert sein wollen. Wie bew­erten Sie die Wirkung dieser Ankündi­gun­gen für die Elektromobilität?

Für die Her­steller ist diese Strate­gie fol­gerichtig und kon­se­quent, schließlich wollen immer mehr Staat­en kün­ftig keine Ver­bren­ner mehr neu zulassen. Ich erwarte übri­gens, dass das Ausstiegs­da­tum EU-weit geregelt wird. An die Ver­brauch­er ist die Ankündi­gung ein starkes Sig­nal, jet­zt schon umzusteigen, weil sie mit Ver­bren­nern auf eine ver­al­tete Tech­nolo­gie set­zen, an der selb­st die Auto­bauer nur noch bed­ingt Inter­esse haben.
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