Von eAutos und alternativen Energien

18. Feb­ru­ar 2020 / Artikel erschienen in Schaum­burg­er Zeitung
Alex Holtzmey­er ist Mobil­itäts­man­ag­er, Mod­er­a­tor, Musik­er und eAu­to-Tester, im Bun­desver­band eMo­bil­ität, Leit­er der Lan­desvertre­tung Nieder­sach­sen und gilt inzwis­chen als reisender Experte zu diesem The­ma. Holtzmey­er war unter anderem 2015 nach Paris zur Kli­makon­ferenz ein­ge­laden worden.
Holtzmey­er kommt auf Ein­ladung des SPD-Ortsvere­ins am kom­menden Dien­stag, 25. Feb­ru­ar, ab 19 Uhr ins Dor­fge­mein­schaft­shaus Exten. Dabei ist auch der Vere­in Bürg­er-Energie-Wende Schaum­burg mit Christi­na Bork-Jürg­ing vom Vor­stand­steam und die SPD-Bun­destagsab­ge­ord­nete Mar­ja-Liisa Völlers. Ein­ge­laden sind zu diesem Abend alle inter­essierten Bürger.
Wir haben aus diesem Anlass mit Holtzmey­er über den Stand der eMo­bil­ität im Land gesprochen und mit Christi­na Bork-Jürg­ing, Kli­maschutz­man­agerin bei der Stadt Braun­schweig, über die aktuellen Entwick­lun­gen bei den alter­na­tiv­en Energien.
Herr Holtzmey­er, eAu­to-Fahrer bericht­en von Chaos an den Ladesta­tio­nen, man brauche mehrere Ladekarten. Apps funk­tion­ieren oft nicht. Die Abrech­nung sei unverständlich.
Das derzeit­ige Chaos an den Ladesta­tio­nen ist sich­er inakzept­abel, viele Ladesäulen funk­tion­ieren nicht. Der aktuelle Zus­tand eignet sich nicht dafür, Ver­trauen in die Tech­nolo­gie herzustellen. Dazu habe ich mit einem Kol­le­gen im Auf­trag für eine Metropol­re­gion eine Bestand­sauf­nahme gemacht und diese auf ein­er Pressekon­ferenz vorgestellt.
Im ländlichen Raum sieht es sich­er anders aus, hier beste­ht kaum eine Abhängigkeit von öffentlich­er Lade­in­fra­struk­tur. eAu­tos, die in der Region um Rin­teln zuge­lassen sind, wer­den zu nahezu 100 Prozent zu Hause geladen oder am Zielort, beispiel­sweise am Arbeitsplatz.
Ein Lade­vor­gang dauert im Schnitt 15 Minuten, schnelles Laden ist die Ausnahme.
Die meis­ten Pkw ste­hen rund 23 Stun­den pro Tag auf irgendwelchen Park­plätzen, über­wiegend zu Haus oder am Arbeit­splatz. Dort sollte geladen wer­den, da spielt Zeit keine Rolle. Möglichkeit­en zum langsamen Laden soll­ten daher auf allen Langzeit-Park­plätzen gegeben sein. Der BEM set­zt sich seit Län­gerem dafür ein, dass es für das Erricht­en ein­er Lademöglichkeit auf Stellplätzen von Mehrfam­i­lien­häusern einen Recht­sanspruch gibt.
Experten der Stadtwerke sagen, Schnel­l­ladesta­tio­nen sind zu teuer. Zu viele Schnel­l­ladesta­tio­nen hält das existierende Netz nicht aus.
Bei den Schnel­l­ladesta­tio­nen gibt es erhe­bliche Preisun­ter­schiede. Hier kommt man zurzeit lei­der nicht daran vor­bei, sich inten­siv zu informieren. Das Strom­netz ist nur in ganz weni­gen Regio­nen ein Prob­lem. Aber auch dafür gibt es bere­its erprobte Lösun­gen. Die sin­nvoll­sten Stellen für Schnel­l­ladesta­tio­nen sind an Bun­desstraßen, Auto­bah­nen oder an deren Schnittpunkten.
Man stelle sich vor, in Han­nover-Lin­den laden 50 Prozent der Bewohn­er ihrer eAu­tos, dann geht in Han­nover das Licht für ziem­lich lange aus.
Diesen Ein­wand hört man immer wieder mal. das ist aber längst als Mythos wider­legt. Genau­so gut kön­nte man ja auch zum Beispiel gegen Durch­laufer­hitzer argu­men­tieren oder Elek­tro­herde, Com­put­er, Wäschetrock­n­er, Fernse­her und so weit­er. In Wohn­sied­lun­gen wer­den eAu­tos eher sehr langsam oder mit Last­man­age­ment geladen. Außer­dem ist ja ein Baustein der Mobil­itätswende, den Fahrzeugbe­stand deut­lich zu ver­ringern. In Han­nover-Lin­den gibt es viel zu viele Pkw. Der Par­kraum ist ständig belegt mit Fahrzeu­gen, die dort stun­den- oder tage­lang ein­fach nur herum­ste­hen. Wir reden daher in diesem Zusam­men­hang immer von »Ste­hzeu­gen« statt von »Fahrzeu­gen«.
Die Stadtwerke haben in Rin­teln 22 Ladepunk­te instal­liert. An der meist benutzen Ladesäule gab es im Jahr ger­ade mal 350 Lade­vorgänge, im Land­kreis gibt es 220 eAu­tos. Das hört sich nicht nach ein­er Erfol­gssto­ry an.
Dazu kann ich wenig sagen, da ich nicht genü­gend ort­skundig bin. Wir beobacht­en allerd­ings häu­fig, dass die Stan­dort­pla­nung an den Bedürfnis­sen der eMo­bilis­ten vor­bei geht.
Immer wieder wird auch in Leser­briefen darauf hingewiesen, dass die Umwelt­bi­lanz eines eAu­tos nur stimmt, wenn man damit min­destens 100.000 Kilo­me­ter fährt.
Auch das ist ein ural­ter Mythos. Längst wider­legt. Die Bat­te­rien hal­ten wesentlich länger. 200.000 Kilo­me­ter oder auch mehr sind Stan­dard. Das zeigen die Erfahrun­gen aus der Prax­is. Aus­ge­di­ente Bat­te­rien lassen sich dann als sta­tionäre Strom­spe­ich­er weit­er ver­wen­den oder recyceln. Die Recy­clingquote liegt mit­tler­weile zwis­chen 95 oder 99 Prozent.
Leser sagen, eAu­tos sind nach wie vor zu teuer.
eAu­tos lassen sich mit­tler­weile mit 0,30 Euro pro Kilo­me­ter kalkulieren. Fos­si­lau­tos kosten im Durch­schnitt mehr als 0,50 Euro. Je nach Fahrzeug und Herkun­ft des Stroms kosten 100 Kilo­me­ter zwei bis acht Euro. Die Wartungskosten sind deut­lich niedriger als bei Fos­si­lau­tos. Wir betreiben hier in Steyer­berg seit nun schon fast 30 Jahren ein Car­shar­ing mit eFahrzeu­gen und erneuer­baren Energien. Es ist das älteste eCar­shar­ing-Pro­jekt sein­er Art in Deutsch­land. Bis vor fünf Jahren gab es hier auch ein fos­siles Car­shar­ing. Das wurde dann aber eingestellt, weil es preis­lich nicht konkur­ri­eren konnte.
Hal­ten Sie es für richtig, dass sich der Fokus inzwis­chen auf eAu­tos verengt hat und andere mögliche Alter­na­tiv­en ver­nach­läs­sigt werden?
eMo­bil­ität hat viele Facetten. Das Auto ist nur eine davon. Wir beobacht­en im gesamten Mobil­itäts­bere­ich bis hin zu Bau­maschi­nen eine sehr dynamis­che Entwick­lung. Mikro­mo­bil­ität und Shar­ing-Lösun­gen wer­den immer beliebter und wer­den auch immer mehr angenom­men. Rad­verkehr und ÖPNV wer­den zumin­d­est in den Städten immer mehr Vor­rang bekom­men. In naher Zukun­ft wird es immer mehr aut­ofreie Städte geben, siehe die aktuellen Pläne in Metropolen wie Paris, Madrid, Barcelona, Lon­don und Amsterdam.
Frau Bork-Jürg­ing, wir bekom­men immer wieder Briefe von Lesern, die anmerken, dass von Energiewan­del nur wohlhabende Leute prof­i­tieren, die sich eine Solaran­lage aufs Dach instal­lieren lassen kön­nen und damit dann ihr eAu­to aufladen. Mieter schauen in die Röhre.
Tat­sache ist, dass erneuer­bare Energien ein­deutig die gün­stig­ste Form der Energieerzeu­gung sind. Dass Mieter davon kaum prof­i­tieren kön­nen, ist in jed­er Hin­sicht falsch und ärg­er­lich. Eigentlich müsste es auf allen großen Miet­shäusern große Pho­to­voltaikan­la­gen geben, und die Mieter müssten die Möglichkeit haben, diesen gün­sti­gen Strom zu beziehen. Im Wärme­bere­ich ist es genau­so. Niedrige laufende Energiekosten und viel höher­er Wohnkom­fort müssten viel mehr Men­schen zugänglich sein. Das ist aber kein Fehler der Erneuer­baren, son­dern der falschen poli­tis­chen Vorgaben.
Es gibt inzwis­chen einen Kon­flikt zwis­chen Wind­kraft­be­treibern und Naturschützern.
Ich habe Respekt vor Vogelschützern, und ich finde es auch richtig, Stan­dorte zu über­prüfen. Aber hier wird der Naturschutz oft instru­men­tal­isiert von Leuten, die einen Rot­mi­lan nicht von einem anderen Vogel unter­schei­den kön­nen. Fakt ist: In dem­sel­ben Zeitraum, in dem die Winden­ergie in Deutsch­land aus­ge­baut wurde, ist die Pop­u­la­tion der Rot­mi­lane bei uns gestiegen. Von ein­er Artenge­fährdung durch die Winden­ergie kann also keine Rede sein. Für den Indi­viduen-Schutz, den wir da betreiben, zahlen wir einen hohen Preis. Im Moment liegen Winden­ergiepro­jek­te in der Größenord­nung eines Kohlekraftwerkes durch entsprechende Kla­gen brach. Wenn man dann weiß, dass die Vogel­totschlagzahlen bei Kohlekraftwerken etwa zehn­mal so hoch sind wie bei Win­drädern und die größte Gefährdung der Arten­vielfalt durch den Kli­mawan­del dro­ht, kann man das Ganze nur noch absurd finden.
Auch grund­sät­zlich ist die Akzep­tanz von großen Wind­kraftan­la­gen gesunken. Jüng­stes Beispiel: der Protest gegen die Win­dräder bei Silixen.
Ich habe den Ein­druck, dass jedes Pro­jekt für die Energiewende sofort zu einem Aufregerthe­ma gemacht wird. Jedes Auto pro­duziert mehr Infra­schall als ein Win­drad. Wir alle bauen Dachstüh­le aus Holz und stapeln es am besten direkt bis unters Dach. Aber wenn ein Wärmedäm­mver­bundsys­tem mit bren­nt, gibt das riesige Schlagzeilen. Es gibt keine Alter­na­tive zu alter­na­tiv­en Energien.
 Was hal­ten Sie von der ins Gespräch gebracht­en Idee, wieder auf Atom­kraft zu setzen?
Zu teuer, zu viel ungelöste Prob­leme — und: Uran ist auch endlich. Die Men­schen nehmen durch die EEG-Umlage wahr, dass sie für Erneuer­baren Energien zusät­zlich bezahlen. Was den wenig­sten klar zu sein scheint. Es hat niemals einen freien Strom­markt gegeben. Die kon­ven­tionellen Kraftwerke wur­den mit gigan­tis­chen Sum­men sub­ven­tion­iert. Nur zahlen wir das mit der Steuer, sodass es kaum jeman­den auf­fällt. Nicht von unge­fähr wird das mod­ern­ste AKW Europas gegen­wär­tig in Großbri­tan­nien nur deshalb gebaut, weil die Betreiber eine staatlich garantierte Ein­spei­sev­ergü­tung von zwölf Cent pro Kilo­wattstunde plus Infla­tion­saus­gle­ich bekom­men. Da haben wir über­all die exter­nal­isierten Kosten von ungedeck­ten Ver­sicherungssum­men und Mil­liar­den für die End­lager­suche noch nicht gesprochen. Im let­zten Som­mer hat­ten wir übri­gens bere­its das erste Mal die Sit­u­a­tion, das ein AKW dro­hte vom Netz genom­men wer­den zu müssen, weil das Kühlwass­er des Flusses zu stark erwärmt war.
Man hat den Ein­druck, in der Forschung für alter­na­tive Energien geht es nicht so recht voran. Stich­worte Wasser­stoff, andere Win­dan­la­gen­mod­elle, bessere Biogasanlagen.
Hier tut sich viel. Natür­lich hätte man sich gewün­scht, dass zum Beispiel im Bere­ich der Spe­ich­er und Akkus viel früher inten­siv nach alter­na­tiv­en Lösun­gen geforscht wor­den wäre. Das kann aber nicht bedeuten, zu warten, bis es bessere Lösun­gen gibt und bis diese Geschäftsmod­elle wer­den. Wir müssen jet­zt handeln.

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