Potenziale im elektromobilen Güterverkehr

Vorschlag zur Neuregelung der Führerscheinklasse
Die Ver­bre­itung und Nutzung von elek­trisch betriebe­nen Auto­mo­bilen und Nutz­fahrzeu­gen hat begonnen die Mobil­ität in Städten entschei­dend zu verän­dern. Inno­v­a­tive tech­nol­o­gis­che Möglichkeit­en zeigen neue Wege zur Verbesserung der Luftqual­ität sowie der Reduzierung von Verkehrslärm und Verkehrs­dichte. Passt die Länge der täglichen Route zu den Möglichkeit­en des eFahrzeuges, so zeigt sich nach weni­gen Jahren, dass ein elek­trisch betriebenes Fahrzeug im TCO-Ver­gle­ich nicht teur­er ist, als ein ähn­lich­es Fahrzeug mit Verbrennungsmotor.
Möglich ist das bere­its heute im elek­tro­mo­bilen Güter­verkehr bei der Dis­tri­b­u­tion von Waren inner­halb der »let­zten urba­nen Meile«. Gemeint ist die Verteilung von Gütern aller Art vom city-nahen Flot­ten­de­pot zum Zielort inner­halb der nahe gele­ge­nen Stadt. Auf diesen Streck­en wer­den — pro Route — sel­ten mehr als 100km zurück­gelegt. Die Streck­en selb­st bewe­gen sich in der Regel inner­halb ein­er immer gle­ichen Topografie und zeich­nen sich durch ähn­liche oder gar immer gle­iche Streck­en­ab­schnitte aus. Hier — und nur hier — sind die elek­trisch betriebe­nen Nutz­fahrzeuge in ihrem Element.
In den let­zten Jahren hat sich gezeigt, dass eine flächen­mäßige Ver­bre­itung von eFahrzeu­gen nur dann in der gewün­scht­en Menge und mit der erwarteten Geschwindigkeit erfol­gt, wenn die beson­deren Rah­menbe­din­gun­gen, unter denen diese Fahrzeuge im Ein­satz sind, entsprechend berück­sichtigt werden.
Dies bedeutet im Einzel­nen die behut­same Anpas­sung des rechtlichen Kon­textes, wo immer dies Sinn macht bzw. erforder­lich ist, damit Flot­ten­be­treiber mit dem Kauf und Betrieb dieser neuen Tech­nolo­gie keine nen­nenswerten finanziellen Nachteile gegenüber den etablierten Fahrzeu­gen mit Diesel- oder Ben­z­in­mo­tor erleiden.
So sind beispiel­sweise Flot­ten­be­treiber, die elek­trisch betriebene Trans­porter ein­set­zen, in bes­timmten Kon­stel­la­tio­nen einem entschei­den­den Nachteil ausgesetzt:
Wer­den zur Nutzung von »Klasse B Führerscheinen« Elek­tro­fahrzeuge mit einem zuläs­si­gen Gesamt­gewicht von max. 3,49 t einge­set­zt, ergibt sich — bed­ingt durch das höhere Bat­teriegewicht — eine oft­mals nicht akzept­able Beschränkung der Nut­zlast. Höhere Las­ten, die ein Fahrzeug mit 5 t oder sog­ar 7.5 t erfordern, kön­nen nur mit einem Fahrer mit Klasse C Führerschein bewegt wer­den. Da die Kosten der Flot­ten­be­treiber für Fahrer mit dieser Führerschein­klasse jedoch deut­lich höher sind, als für die mit Klasse B, ergibt sich hier ein drin­gen­der rechtlich­er Hand­lungs­be­darf, sofern in abse­hbar­er Zeit sig­nifikante Men­gen an elek­trisch betriebe­nen Nutz­fahrzeu­gen in deutschen Städten fahren sollen.
Hin­ter­grund
Nach dem 2. Weltkrieg wurde die aus dem Jahr 1909 stam­mende Führerschein­regelung der Klasse 3 auf ein zuläs­siges Gesamt­gewicht von bis zu 7,5 t aus­gedehnt. Dies führte sein­erzeit zu einem Absatzschub bei 7,5 t Lkw. Mit Ein­führung der neuen EU-Führerschein­richtlin­ie zum 01.01.1999 wech­selte das Sys­tem auf Buch­staben und begren­zte for­t­an das max­i­mal zuläs­sige Gesamt­gewicht für »Führerschein B Fahrer« (vor­mals Klasse 3) auf 3,49t. Logis­tik­er mit Waren­be­we­gun­gen, die einen 4,5 t oder gar 7,5 t Lkw erfordern, sind seit­dem gezwun­gen, Fahrer mit Lkw-Führerschein (»Klasse C«) anzustellen.
Die Wirtschaftlichkeit und die Attrak­tiv­ität der real existieren­den und kauf­baren Elek­trose­rien­fahrzeuge hängt auf­grund der gegebe­nen rechtlichen Sit­u­a­tion in Bezug auf die Führerscheine »B« und »C« deut­lich zurück. Aktuelle Beispiele aus der Prax­is ver­an­schaulichen das:
• Ein Ford Tran­sit Diesel mit einem zuläs­si­gen Gesamt­gewicht (zGG) in Höhe von 3,49t stellt eine Nut­zlast von ca. 1.450 kg zur Ver­fü­gung. Ein ver­gle­ich­bares Elek­tro­fahrzeug der Marke SMITH, Mod­ell »Edi­son« (basierend auf Ford Tran­sit) ver­fügt auf­grund der Bat­teriegewichte nur über eine ver­füg­bare Nut­zlast von ca. 950 kg.
• Ein Ford Tran­sit Diesel mit einem zGG in Höhe von 4,6 t stellt eine Nut­zlast von ca. 2.200 kg zur Ver­fü­gung. Ein ver­gle­ich­bares Elek­tro­fahrzeug der Marke SMITH, Mod­ell »Edi­son« (basierend auf Ford Tran­sit) ver­fügt auf­grund der Bat­teriegewichte nur über eine ver­füg­bare Nut­zlast von ca. 1.700 kg.
Zwei Gründe verdeut­lichen den stärk­er wer­den­den Hand­lungs­be­darf zur Anpas­sung der führerschein­rechtlichen Sit­u­a­tion für Flot­ten­be­treiber leichter Elektro-Lkw:
1. Die Ver­füg­barkeit geschul­ter und zum Führen der kleinen Trans­porter gewil­l­ten Fahrer für die Gewicht­sklasse 3.5 t — 7.5 t zGG wird weit­er stetig abnehmen. Die Verz­er­rung der durch­schnit­tlichen Fahrerlöhne im Bere­ich 3,5t — 40t zGG wird über die näch­sten Jahre zunehmen.
2. Auf­grund der beschriebe­nen Nut­zlast-Prob­lematik ist die Ein­führung von elek­trisch betriebe­nen Zustell­fahrzeu­gen stark behin­dert. Ein 3.5 t Kas­ten­wa­gen oder Fahrgestell mit Auf­bau ist mit Bat­terieantrieb für viele Logistiker
derzeit nicht nutzbar.
Lösungsansatz
Eine mit weni­gen Mit­teln umzuset­zende Lösung ist die Schaf­fung ein­er neuen Führerschein­klasse, die — unter Ver­wen­dung eines voll-elek­trischen Fahrzeuges — das Führen von Nutz­fahrzeu­gen mit einem zuläs­si­gen Gesamt­gewicht von bis zu 7,49 t für »Klasse B Fahrer« erlaubt — z.B. »BEL«. Ähn­lich der Regelung, die bis 1999 galt. Eine zusät­zliche Fahrere­in­weisung für Fahrzeuge mit bis zu 7.5 t zGG durch zuge­lassene Fahrschulen erscheint vor diesem Hin­ter­grund sin­nvoll und sollte berück­sichtigt werden.
Vorteile und Effekte
• Die Kosten von Flot­ten­be­treibern für den Erwerb und den Unter­halt von Führerscheinen in der Gewicht­sklasse bis 7.5 t zGG kön­nen deut­lich gesenkt werden.
• Die Ver­bre­itung und Nutzung von voll-elek­trisch betriebe­nen Nutz­fahrzeu­gen wird durch diese Neuregelung deut­lich beschleunigt.
• Das derzeit sig­nifikant ansteigende Ver­füg­barkeit­sprob­lem der Fahrer mit Führerschein bis 7.5t wird nach­haltig gelöst.
• Geringer finanzieller Aufwand der Bun­des- bzw. Lan­desregierun­gen für die Ein­führung und Überwachung.
• Logis­tik­er aller Unternehmens­bere­iche wer­den angesprochen.
• Die pos­i­tive Entwick­lung der eMo­bil­itäts­branche wird weit­er gefördert.
In Frankre­ich und Hol­land sind der­ar­tige Führerschein­regelun­gen bere­its umge­set­zt wor­den und tra­gen stark zur Ver­bre­itung der Elek­tro-Nutz­fahrzeuge für die »urbane let­zte Meile« bei. Eine deutsche oder EU-weite Lösung des Prob­lems sollte vor diesem Hin­ter­grund zügig umge­set­zt wer­den, um die Rah­menbe­din­gun­gen für einen weit­eren Aus­bau der eMo­bil­ität zu fördern.
Mar­cus H. Pauels
Vice Pres­i­dent Sales Europe
Smith Elec­tric Vehicles
⇢ www.smithelectric.com

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