Gehört die Zukunft dem Batterie-Auto?
27. Dezember 2017 / Artikel erschienen in der Stuttgarter Zeitung
Unser Leitartikel »Willfähriges Deutschland« hat ein überaus lebhaftes Leserecho ausgelöst. Aus dem Bundesverband eMobilität e.V. erreichte uns nun ein pointierter, dezidierter Widerspruch. Wir dokumentieren diese Zuschrift – und nehmen dazu Stellung.
PRO
Normalerweise schätze ich Ihre Zeitung als qualitativ hochwertiges Medium, das sich vor allem durch fundierte Recherche auszeichnet. Ihr Leitartikel »Willfähriges Deutschland« trübt dieses Bild erheblich, und ich möchte Ihnen gerne darlegen, warum:
Sie snd der Meinung dass Politiker und Wissenschaftler nicht auf die »enormen Risiken« hinweisen könnten, ohne diskreditiert zu werden. Welche »enormen Risiken« meinen Sie denn? Etwa die Entsorgung der Batterien, wie Sie weiter unten schreiben? Die ist übrigens mitnichten ungeklärt – da gibt es bereits wunderbare Lösungen: Wenn eine Batterie nach acht oder mehr Jahren nur noch 80 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität hat, ist sie nicht mehr für die hohen Anforderungen im Automobil geeignet, kann aber noch zwanzig Jahre oder mehr etwa als stationärer Stromspeicher benutzt werden, um die Schwankungen im Stromnetz auszugleichen.
Am Ende kann die Batterie dann recycelt werden – und zwar ziemlich gut, weil (im Gegensatz zu manchem Handy-Akku) die genaue chemische Zusammensetzung bekannt ist und man das Verfahren entsprechend anpassen kann. So bekommt man am Ende einen Großteil der Rohstoffe zurück.
Sie stellen die Tatsache, dass ein mit synthetischen Kraftstoffen betriebenes Fahrzeug weiterhin in die Werkstatt muss, als erstrebenswert dar, weil dann die Arbeitsplätze in den Werkstätten gesichert sind. Dazu eine Frage: Stechen Sie sich regelmäßig die Reifen Ihres Autos auf, damit der örtliche Reifenhändler nicht pleitegeht? Natürlich nicht, ist ja auch Blödsinn. Genauso ist es auch mit den Reparaturen am Verbrennungsmotor. Natürlich schaffen die Arbeitsplätze – für den Kunden bedeutet das aber immer Fahrzeugausfall und oft hohe Kosten für die Reparatur, mit dem Elektroauto könnten wir endlich von dieser wartungsanfälligen Technik wegkommen.
Meinungen wie Ihre gab es schon vor über hundert Jahren und sogar bei Staatsoberhäuptern – dass Kaiser Wilhelm an das Pferd glaubte, ist Ihnen sicher bekannt. Stellen wir uns vor, man hätte im 19. Jahrhundert das Automobil gebremst, wie man heute den Einzug der Batterie in selbiges zu bremsen versucht. Argumente hätte es ja zuhauf gegeben – was sollen denn die ganzen Stallmeister, Kutscher und Pferdezüchter machen, wenn niemand mehr aufs Pferd angewiesen wäre? Oder die Kutschenbauer? Nun ist dieses Szenario aber (Gott sei Dank) nicht eingetreten – das Auto hat sich durchgesetzt. Und was ist passiert? Massenarbeitslosigkeit und soziale Unruhen? Nein, Deutschland ist zu einer der größten Volkswirtschaften dieser Welt geworden – daran war das Automobil nicht ganz unbeteiligt.
In Bezug auf das Elektroauto könnten diese neuen Jobs in der Akkuentwicklung und fertigung, im Thermomanagement der Batterie oder auch im Bereich der Ladeinfrastruktur entstehen. Wenn man sich dem Wandel frühzeitig stellt, kann eine Volkswirtschaft daraus sogar gestärkt hervorgehen.
Das geht aber nur, wenn man konsequent auf die neue Technologie setzt, statt sie schlechtzureden und Pseudo-Alternativen zu suchen. Dann werden nämlich Arbeitsplätze verloren gehen – und zwar nicht nur die am Verbrennungsmotor, sondern alle im Automobilsektor, weil die Autos der Zukunft dann nicht in Deutschland gebaut werden. Das übernimmt dann z. B. China: Ich war vor zwei Wochen in Shanghai und konnte mir dort ein Bild davon machen, wie gut chinesische Autos mittlerweile sind – da klappert nichts, die sind hochwertig verarbeitet, sehen gut aus, fahren elektrisch und sind billiger als deutsche Autos. Gleichzeitig verbieten immer mehr Länder den Verbrennungsmotor auf absehbare Zeit.
Ihre Meinung, mit VW-Chef Matthias Müller habe das »angepasste Deutschland nun eine prominente Stimme hinzubekommen«, klingt so negativ. Als Exportweltmeister ist Anpassung an die Exportmärkte aber nicht negativ, sondern das normale Tagesgeschäft. Das ist nicht »willfährig«, sondern seit Jahrzehnten das Geheimnis des Erfolges unserer Automobilindustrie.
Robin Engelhardt
Der Autor ist Mitglied des Wisschenschaftlichen Beirats des Bundesverbands eMobilität e.V. Er hat sich zum Ziel gesetzt, mit Vorurteilen gegenüber Elektroautos aufzuräumen, und berät Interessenten über die Rentabilität der Anschaffung eines eFahrzeugs.
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KONTRA
Der Energieeinsatz für die Produktion der Elektrobatterie ist heute so hoch, dass ein neues Fahrzeug über lange Zeit einen ökologischen »Rucksack« zu tragen hat. Dass die Batterie darüber hinaus für jedes Fahrzeug wertvolle, oft nur mit erheblichen Umweltschäden ausbeutbare Rohstoffe im zweistelligen Kilobereich benötigt, ist ebenfalls ein problematischer Aspekt. Durch die spätere Verwendung als stationärer Stromspeicher und das Recycling lässt sich dieses Problem zwar in der Tat verringern. Die Anstrengungen sollten sich aber nicht auf die Frage beschränken, wie sich Probleme einzelner Technologien verringern lassen; vielmehr sollten von vornherein mehrere Technologien miteinander verglichen werden. Darunter auch solche, die – wie Brennstoffzelle und synthetische Kraftstoffe – eine Höchstleistungsbatterie gar nicht erst benötigen.
Bei der Lithium-Ionen-Batterie sagten Forscher vor wenigen Jahren, man stoße an Grenzen, dann ging doch noch einiges. Anderen Technologien wird eine solche Chance, ihr Potenzial unter Beweis zu stellen, bisher aber nicht gegeben. Dies liegt auch daran, dass solche Technologien teilweise von vornherein für Pseudo-Alternativen gehalten werden. Der Batteriemobilität einen Wettbewerbsvorsprung zu geben und diesen Vorsprung dann als Beweis ihrer überlegenheit zu bewerten, wäre aber ein Zirkelschluss.
Dabei ist nicht nur die Batterie, sondern auch der Wasserstoff für die Brennstoffzelle oder der synthetische Kraftstoff ein leistungsfähiger Speicher von Energie, für deren Transport man zudem kein auszubauendes Stromnetz benötigt, sondern nur Tankfahrzeuge.
Was den Export betrifft, so sollte gerade ein technologisch führendes Land wie Deutschland bestrebt sein, nicht nur internationale Trends nachzuvollziehen, sondern auch selbst Technologien zu erarbeiten und bereitzustellen, die andere Länder bei der Lösung ihrer Mobilitätsprobleme unterstützen. Solange Deutschland sich bei der Wahl seiner Technologiepfade von anderen treiben lässt, ist es in der Tat so, wie sie schreiben: Dann bricht der Export ein, wenn man diese Pfade verlässt. Die Alternative zu einer eher passiven Technologiepolitik bestünde darin, selbst technologische Trends zu setzen oder dies zumindest anzustreben.
Da die Aufgaben der Politik sich nicht auf Technologieförderung beschränken können, halte ich auch die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze für zentral. Um Ihr Bild von den zerstochenen Reifen aufzugreifen: Natürlich wird es wenig Sinn ergeben, eine Technologie allein deshalb zu nutzen, weil sie Arbeitsplätze schafft. Es sollte aber schon der Anspruch von Deutschland sein, an Technologien zu arbeiten, die so gut sind, dass davon nicht nur Autos fahren, sondern auch Menschen leben können. Das ist etwa bei der Brennstoffzelle eher der Fall als beim eAuto, für das in Summe viel weniger Menschen benötigt werden. Ob diese sich behaupten können, ist unklar; der Versuch ist aber aller Mühen wert, ansonsten könnte Deutschland Probleme bekommen, gegenüber denen die Mobilitätstechnologien sich als nachrangig ausnehmen.
Während das Zerstechen von Reifen etwas Destruktives ist, wird mit der Entwicklung weiterer Technologien der Versuch unternommen, die Nachteile der Batterie-Mobilität zu umgehen. Dadurch wird nichts zerstört – allenfalls die Idee, das Batterie-Auto sei alternativlos.
Dabei spricht nichts dagegen, dass auch die Batterie-Mobilität einmal ihren festen Platz hat. Der gegenwärtige Hype aber nimmt anderen Technologien von vornherein die Chance, sich als konkurrenzfähige oder gar überlegene Alternative zu erweisen. Das läuft darauf hinaus, eine Technologie zu monopolisieren, von der heute niemand wissen kann, ob sie wirklich besser ist als alles andere. Mit weniger sollte man sich angesichts der Bedeutung des Themas aber nicht zufriedengeben.
Es geht also, um in Ihrem Bild zu bleiben, nicht darum, um jeden Preis an der Pferdekutsche festzuhalten. Man sollte sich aber schon mit der Frage beschäftigen, ob wir mit unserem gegenwärtigen Tunnelblick nicht schon an der Pferdekutsche von morgen arbeiten.
Klaus Köster
Der Autor ist Titelautor unserer Zeitung. Er schreibt vor allem über Wirtschaftsthemen, wobei der Dieselskandal und neue Technologien ein Schwerpunkt ist. Seiner Ansicht nach muss Deutschland den Anspruch haben, bei mehreren Technologien vorn dabei zu sein.
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