eMobilität ohne Grenzen

Ohne inter­modale Verknüp­fung und Stan­dar­d­isierung geht nichts
Die Vision der Mobil­ität von mor­gen kann man kurz und knapp umschreiben: Der kom­plette Per­so­n­en- und Güter­verkehr wird auf ein­er regen­er­a­tiv­en Energieba­sis organ­isiert. Fast keine Luftver­schmutzung, kaum Lärm, wenig Unfälle, keine Staus, wenig Ver­spä­tun­gen. Das ökol­o­gisch drin­gend Notwendi­ge ist mit ein­er sin­nvollen und attrak­tiv­en ökonomis­chen Ver­w­er­tung verbunden.
Das Ange­bot für die Nutzer sieht entsprechend bunt und facetten­re­ich aus: Alle Verkehrsmit­tel sind miteinan­der ver­bun­den. Das Fahrrad, teils mit rein­er Muskelkraft betrieben, teils elek­trisch unter­stützt, spielt ger­ade in städtis­chen Räu­men eine wichtige Rolle, schnelle Bah­nen verbinden die Städte in kurzen Tak­ten und über­all ver­füg­bare Elek­troau­tos befriedi­gen die Bedürfnisse nach indi­vidu­eller Mobilität.
Öffentliche und indi­vidu­elle Verkehrsmit­tel sind kein Gegen­satz mehr, sie gehen vielmehr eine Sym­biose ein. Beson­ders hil­fre­ich ist das Smart­phone, weil mit ihm alle Verkehrsmit­tel geortet und gebucht und auch alle Tar­ife nach dem Best­preis-Prinzip erfasst wer­den können.
Eigen­tum­srechte an motorisierten Verkehrsmit­teln sind obso­let gewor­den. Das pri­vate Auto kommt eigentlich nur noch als Samm­ler- und Lieb­haber­ob­jekt vor. Tech­nis­che, logis­tis­che, poli­tis­che und soziale Möglichkeit­en — verdichtet zu einem engagierten Plan:
Das neue Leit­bild der »Mod­er­nen Beweglichkeit« verbindet das Mach­bare mit dem Wünschbaren.
Es gibt jedoch eine wesentliche Voraus­set­zung: das Design des Zugangs muss stim­men. Es muss ein­fach und indi­vidu­ell sein, aber auch schick, auf­fäl­lig und effizient sowieso. Oder tech­nisch aus­ge­drückt: das inter­modale Ange­bot muss stan­dar­d­isiert, seine Schnittstellen normiert und der Betrieb inter­op­er­abel sein. Dabei geht es um viel mehr als um eine ein­heitliche Lade­struk­tur, es geht um eine ein­heitliche Nutzungsstruktur.
Alle Autos wer­den pro­fes­sionell geteilt
Das geteilte Auto hat als »inter­modales E‑Mo­bil­i­ty-Ange­bot« erst­mals eine Chance, aus der Nis­che her­auszukom­men, in der es sich seit vie­len Jahren bewegt. Car­shar­ing ist nach der Schweiz mit­tler­weile auch in Deutsch­land ein kom­merzielles Kurzzeitver­mi­et­geschäft gewor­den. Avis, Sixt und Hertz haben ein eigenes Car­shar­ing-Geschäfts­feld etabliert. Die Daim­ler AG rollt ihr aus­führlich getestetes Car2go mit­tler­weile weltweit aus. BMW zieht mit seinem ganz ähn­lich konzip­ierten dri­ve now-Ange­bot nach. Cit­roën will mit seinem mul­ti­c­i­ty-Konzept elek­trisches Car­shar­ing real­isieren. Die Deutsche Bahn hat mit Flinkster eben­falls ein eng­maschiges Autoange­bot aufge­baut, der eFahrzeu­gan­teil darin wächst rapide.
Schon heute ist das Ange­bot beispiel­sweise in Berlin beachtlich: Teils an fes­ten Sta­tio­nen, teils frei im Stadt­ge­bi­et abgestellt, kön­nen Autos unter ganz ver­schiede­nen Marken spon­tan genutzt oder per Inter­net und Tele­fon auch kurzfristig gebucht wer­den. The­o­retisch ist bei der Kurzzeitver­mi­etung nicht nur die Möglichkeit des open access, des open ends und der one-way-Fähigkeit, son­dern auch die Chance für Quer- und Mit­nutzung aller pro­fes­sionell gem­anagten Teilau­tos gegeben. Um alle Fahrzeuge nutzen zu kön­nen, reicht es, sich reg­istri­eren und den Führerschein mit einem Chip ausstat­ten oder sich eine »Mobil­ität­skarte« geben zu lassen.
Die entschei­dende Frage ist jedoch, ob es gelingt, die ver­schiede­nen Ange­bote voll­ständig untere­inan­der und mit dem öffentlichen Verkehr zu einem inte­gri­erten Gesam­tange­bot zu kom­binieren. Hierin liegt die Her­aus­forderung: wer in Deutsch­land und in Europa unter­wegs ist, will alle ver­net­zten Verkehrsmit­tel nutzen, egal von wem sie betrieben wer­den. Gelingt diese Ange­botsin­te­gra­tion nicht, wer­den die inter­modalen Ange­bote in der Sack­gasse enden. Das lei­der nicht unre­al­is­tis­che Schreck­ge­spenst ist eine Kle­in­staaterei von Mobilitätsanbietern.
Inno­va­tion­spoli­tisch inter­es­sante Perspektive
Attrak­tiv sind solche mit dem öffentlichen Verkehr verknüpften Auto- und Fahrrad­bausteine für verkehrs­ge­plagte Städte auch deshalb, weil auf diese Weise über­haupt erst eine bre­it­ere Nutzer­schaft von eFahrzeu­gen zu erre­ichen ist. Da außer bei Ped­elecs und Rollern in den näch­sten Jahren kaum mit einem preis­lich attrak­tiv­en Ange­bot an Elek­troau­tos zu rech­nen ist, wird der Pri­vat­fahrzeug­markt über­schaubar bleiben. Nur einige wenige Tech­niken­thu­si­as­ten wer­den sich trotz hoher Anschaf­fungskosten ein eAu­to zule­gen. Außer­dem bleiben die Nutzung­sein­schränkun­gen beim Elek­troau­to im Ver­gle­ich zum Ver­bren­ner-Fahrzeug auch auf abse­hbare Zeit beste­hen. Alles spricht also für einen Ein­satz in Flot­ten. Flot­ten lassen sich pro­fes­sionell man­a­gen, zum großen Teil liegen die täglichen Wegelän­gen inner­halb ein­er Reich­weite von 100 Kilo­me­tern. Inter­modal ver­net­zte eFahrzeuge sind dabei eine Vari­ante von mehreren. Groß ist vor allem das Poten­zial, Flot­ten von Fir­men und Ver­wal­tun­gen umzustellen. Inner­halb von weni­gen Jahren ließen sich beträchtliche Flot­tenbestände durch eFahrzeuge ersetzen.
Elek­tro­fahrzeuge im Flot­tenein­satz haben einen weit­eren Reiz: sie sind viel ein­fach­er als pri­vate Fahrzeuge als Spe­ich­er für über­schüs­si­gen regen­er­a­tiv­en Strom ein­set­zbar. Damit kön­nen sie eine Puffer­funk­tion im Strom­netz ein­nehmen, das bei einem steigen­den Anteil erneuer­bar erzeugten Stroms auf zusät­zliche und flex­i­ble Spe­icherop­tio­nen drin­gend angewiesen ist. Das ist im Übri­gen keine reine Zukun­ftsmusik: Im Rah­men der von der Bun­desregierung geförderten Elek­tro­mo­bil­ität­spi­lotver­suche ist es das Berlin­er Pro­jekt BeMo­bil­i­ty, in dem eine solche Verknüp­fung von Elek­tro­mo­bilen im Car­shar­ing und dem Öffentlichen Verkehr bere­its umge­set­zt wird. Im Kon­text des BeMo­bil­i­ty-Pro­jek­tes wird auch die Idee des Mobil­itätspaketes am kon­se­quentesten vor­angetrieben. In einem solchen Ange­bot sollen eine ÖPNV-Zeitkarte mit dem Fahrrad- und dem eAu­to­baustein zu einem Gesam­tange­bot »aus einem Guß« gebün­delt werden.
Genau hier liegt der sprin­gende Punkt
Inter­modale Mobil­itäts­di­en­stleis­tun­gen kön­nen nur dann erfol­gre­ich sein, wenn sie rou­tinemäßig genutzt wer­den kön­nen. Sie müssen ein­fach und zuver­läs­sig sein. Die Transak­tion­skosten inte­gri­ert­er Mobil­itäts­di­en­stleis­tun­gen müssen für den Nutzer und die Nutzerin möglichst ger­ing sein, der Maßstab ist da nun ein­mal das pri­vate Auto. Das ist keine Frage allein der tech­nis­chen Stan­dards und der Normierung, wie sie zurecht im jüng­sten Fortschritts­bericht der NPE gefordert wird. Eben­so wichtig ist, dass das Design attrak­tiv ist, und zwar im wörtlichen Sinne: Unter ein­er ein­heitlichen Nutzung­sober­fläche ver­ber­gen sich die ver­schiede­nen Verkehrsmit­tel, als Kunde merke ich das gar nicht. Mein Zugang läuft über das Smart­phone, über meine indi­vidu­elle App. Darin sind alle Mobil­ität­sop­tio­nen inte­gri­ert, die ich aus­gewählt habe. Ich kann sie ein­fach und direkt nutzen, ohne viel Nach­denken, ohne Anbi­eter­wech­sel, ohne Warteschleifen.
Dr. Weert Canzler
Wis­senschaft­szen­trum Berlin für Sozial­forschung (WZB)
www.wzb.eu
Prof. Dr. Andreas Knie
Inno­va­tion­szen­trum für Mobil­ität und gesellschaftlichen Wan­del (InnoZ)
www.innoz.de

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