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Die Fach­welt ist sich einig: Wasser­stoff- und bat­teriebasierte Elek­tro­mo­bil­ität wer­den bei­de für die Neue Mobil­ität der Zukun­ft nebeneinan­der existieren und sich gegen­seit­ig ergänzen — Bat­teriefahrzeuge (BEVs) für Kurzstreck­en mit Kle­in­fahrzeu­gen und Brennstof­fzel­len­fahrzeuge (FCEVs) für län­gere Fahrten mit größeren Fahrzeug­typen. Beze­ich­nend ist, dass 50 % aller Autos in dieses Seg­ment fall­en, aber 75% der Pkw-bed­ingten CO2-Emis­sio­nen ausmachen.
Ziel der Bun­desregierung ist es im Jahr 2020 eine Mil­lion BEVs auf die Straßen zu brin­gen und Deutsch­land als Leit­markt und ‑anbi­eter für Elek­tro­mo­bil­ität zu etablieren. Hinzukom­men sollen zusät­zlich auch 500.000 FCEVs, was durch die starke medi­ale Aufmerk­samkeit für die bat­teriebasierte Elek­tro­mo­bil­ität in der öffentlichen Diskus­sion oft­mals untergeht.
Qua­si im demon­stra­tiv­en Gle­ich­schritt wur­den am 20. Juni 2012 für bei­de elek­tro­mo­bilen Teilmärk­te der weit­ere Fahrplan vorgestellt. So wurde ein­er­seits im Bun­desmin­is­teri­um für Verkehr, Bau und Stad­ten­twick­lung durch Min­is­ter Ram­sauer und ver­schiede­nen Indus­triev­ertretern eine Absicht­serk­lärung unter­schrieben, die bein­hal­tet, bis zum Jahr 2015 ein Netz von min­destens 50 öffentlichen Wasser­stoff­tankstellen aufzubauen und zu betreiben. Laut Aus­sage von Experten wer­den für ein flächen­deck­endes Netz ca. 1.000 H2-Tankstellen benötigt.
Ander­er­seits wurde im Haus der Bun­de­spressekon­ferenz in Berlin der 3. Entwick­lungs­bericht der Nationalen Plat­tform Elek­tro­mo­bil­ität (NPE) vorgestellt. Dieser sieht bis Ende 2013 die Mark­tvor­bere­itungsphase mit Grund­la­gen­forschung vor, bevor ab 2014 der Mark­thochlauf erfolgt.
Höch­ste Zeit für die Frage: »Wie gut sind die notwendi­gen Stell­hebel für die ter­min­gerechte Entwick­lung der bei­den elek­tro­mo­bilen Teilmärk­te tat­säch­lich eingestellt?« Ein genauer­er Blick auf fünf zen­trale Fokus­felder soll helfen, eine Antwort zu liefern.
Fokus­feld 1
Poli­tik- und indus­trieüber­greifende Zusammenarbeit

Die Ein­führung inno­v­a­tiv­er Tech­nolo­gien muss auf­grund der hohen Entwick­lungskosten und Nach­fragerisiken von poli­tis­chen Maß­nah­men und Ver­ant­wortlichen flankiert wer­den. Hier­bei ist eine gemein­same Zusam­me­nar­beit von ver­schiede­nen Indus­trieak­teuren entschei­dend. Im wasser­stoff­mo­bilen Teil­markt sind zwei Indus­trieini­tia­tiv­en her­vorzuheben: Die Clean Ener­gy Part­ner­ship (CEP) als strate­gis­ches Organ und die H2-Mobil­i­ty-Ini­tia­tive als mark­t­na­h­es oper­a­tives Organ. Bis 2016 testet die CEP sowohl fahrzeug- als auch infra­struk­tur­seit­ig die All­t­agstauglichkeit von Wasser­stoff als Kraft­stof­fop­tion. Die H2-Mobil­i­ty-Ini­tia­tive sieht zwei Phasen vor: In Phase I erfol­gt eine Busi­ness­pla­nung, die im pos­i­tiv­en Falle in Phase II umge­set­zt wird. Ziel ist der Auf­bau eines flächen­deck­enden H2-Tankstel­len­net­zes ab 2015. Mit der Nationalen Organ­i­sa­tion für Wasser­stoff- und Brennstof­fzel­len­tech­nolo­gie (NOW) hat der sich entwick­el­nde Wasser­stoff­mo­bil­itäts­markt einen Inter­essensvertreter, der stel­lvertre­tend für die Bun­desregierung die poli­tis­chen Zielset­zun­gen sowie die Indus­triebe­lange in Ein­klang bringt. Ver­gle­ich­bares gibt es in der bat­terieelek­trischen Welt auf Bun­de­sebene nur im Rah­men der Arbeit der NPE.
Fokus­feld 2
Inte­gra­tion erneuer­bar­er Energieträger

Eine glob­al umwelt­fre­undliche Gesellschaft ist nur mit dem Ein­satz von erneuer­baren Energiequellen möglich. Voraus­set­zung für ein Ange­bot an CO2-freien bzw. ‑armen Kraft­stof­fen ist die Inte­gra­tion von erneuer­baren Energiequellen in die Ver­sorgungs­kette. BEVs und FCEVs fahren zwar »lokal« emis­sions­frei, sind aber in der gesamten Kette »glob­al« dur­chaus emis­sions­be­haftet. Wird die Kraft­stof­ferzeu­gung für Strom oder Wasser­stoff mit kon­ven­tionellen Kraftwerken bedi­ent, ist die CO2-Bilanz nicht unbe­d­ingt bess­er als bei einem Ver­bren­ner. Für bei­de elek­tro­mo­bilen Teilmärk­te hat die ver­stärk­te Inte­gra­tion von erneuer­baren Energi­eträgern eine große Wirkung.
Fokus­feld 3
Stan­dar­d­isierung im Markt

Eine frühe Vere­in­heitlichung von Mark­t­mech­a­nis­men beschle­u­nigt den Reife­prozess eines sich neu entwick­el­nden Mark­tes. Unab­d­ing­bar sind Klarheit über Pro­duk­te, Dien­stleis­tun­gen und Tech­nolo­gien. Für den wasser­stoff­mo­bilen Teil­markt hat man sich auf ein­heitliche Spez­i­fika­tio­nen für die zukün­fti­gen H2-Tankstellen geeinigt. Diese dienen für die Kom­merzial­isierung als zuver­läs­sige Basis für die Mark­t­teil­nehmer. Auch die Schnittstelle zu den Fahrzeu­gen ist hier detail­liert behan­delt. Die Auto­mo­bil­her­steller haben bere­its nahezu serien­reife FCEVs entwick­elt. Dazu gehören bspw. der F‑Cell von DAIMLER oder der HydroGen4 von Opel/GM, die in den kom­menden Jahren für den Massen­markt bere­it­ste­hen. Noch offen dage­gen ist das The­ma der stan­dar­d­isierten Genehmi­gung der H2-Tankstellen. Hier arbeit­et derzeit die Dornier Con­sult­ing GmbH mit der NOW und der Wirtschaft­sre­gion Stuttgart (WRS) an einem ein­heitlichen Konzept. Im bat­terieelek­trischen Umfeld gibt es lediglich eine Stan­dar­d­isierung auf noch sehr abstrak­ter Ebene für Fahrzeuge, Lade­in­fra­struk­tur, Schnittstellen, Abrech­nungssys­teme, Recy­clingver­fahren (Stich­wort: Nor­mungs-Roadmap Elek­tro­mo­bil­ität). Bis­lang wer­den BEVs von vere­inzel­ten Auto­mo­bil­her­stellern nur in Kle­in­st­se­rien gebaut (z.B. Smart ed, Cit­roën C‑Zero etc.). Auch spezielle The­men wie ein normiertes, zuver­läs­siges Messver­fahren für State of Charge/Reichweitenvorhersage wer­den behandelt.
Fokus­feld 4
Sicht­barkeit im Markt

Für den erfol­gre­ichen Auf­bau neuer Märk­te sind Ver­trauen in die ange­bote­nen Pro­duk­te und Dien­stleis­tun­gen essen­tiell. Hierzu trägt die Sicht­barkeit im Markt entschei­dend bei. Zu bemän­geln ist der doch noch starke punk­tuelle Demon­stra­tionscharak­ter der Ange­bote. Für die Wasser­stoff­mo­bil­ität existieren gegen­wär­tig ca. 15 öffentliche, deutsch­landweitver­streute Tankstellen, die in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit eher unterge­hen. Im Gegen­satz zu den FCEVs haben BEVs den Vorteil, auch zu Hause »betankt« wer­den zu kön­nen, d.h. öffentliche Ladesta­tio­nen sind nicht zwin­gend erforder­lich. Auch wenn die Schaufen­ster­pro­jek­te für die bat­teriebasierte Elek­tro­mo­bil­ität sich auf vier Regio­nen beschränken, haben die ins­ge­samt über 600 Part­ner in 230 Einzel­pro­jek­ten die Auf­gabe, die Sicht­barkeit nation­al und inter­na­tion­al zu erhöhen.
Fokus­feld 5
Investorenattraktivität

Mark­tkom­merzial­isierun­gen bedin­gen die Bere­itschaft notwendi­ge Start­in­vesti­tio­nen sowie die Kom­pen­sa­tion anfänglich­er Min­dere­in­nah­men bzw. Mehrbe­trieb­skosten zu übernehmen. Derzeit sind die Anschaf­fungskosten von BEVs und FCEVs noch immer höher als für ver­gle­ich­bare Ver­bren­ner. Außer­dem zeigt ein Ver­gle­ich der spez­i­fis­chen Kraft­stof­fverkauf­spreise (Preis pro kWh), dass im tra­di­tionellen Tankstel­lengeschäft noch keine Wet­tbe­werb­s­fähigkeit gegeben ist. Gemäß eige­nen Berech­nun­gen ist fol­gen­der Preisver­gle­ich heute zutr­e­f­fend: Ben­zin: 0,15 Euro/kWh; Diesel: 0,11 Euro/kWh; Erdgas: 0,07 Euro/kWh; Flüs­sig­gas: 0,09 Euro/kWh; Strom: 0,23 Euro/kWh; Wasser­stoff: 0,29 Euro/kWh. Auch die Mehrkosten für die Bere­it­stel­lung der Betankungsin­fra­struk­tur sind für die späteren Betreiber erhe­blich. Noch fehlen in bei­den Teilmärk­ten tragfähige Geschäftsmod­elle, welche die Über­nahme der beste­hen­den Kosten­struk­turen recht­fer­ti­gen kön­nten. Die Auf­gabe poten­tieller Mark­t­teil­nehmer ist es, ein umset­zbares Geschäftsmod­ell zu liefern, das die betrieblichen Chan­cen und Risiken klar beziffert.
Faz­it
Zusam­men­fassend lässt sich fes­thal­ten, dass sowohl der Wasser­stoff- als auch der Bat­ter­iesek­tor die Mark­te­in­führungszeit­punk­te zwar klar im Blick haben, jedoch noch einige Anstren­gun­gen unter­nom­men wer­den müssen, um die Stell­hebel in eine opti­male Posi­tion zu brin­gen. Vor allem im bat­terieelek­trischen Bere­ich ist eine Gemein­schaft­sleis­tung durch poli­tis­che Unter­stützung und indus­trieüber­greifende Zusam­me­nar­beit weit­er voranzutreiben. Ideen zur Bil­dung spez­i­fis­ch­er öffentlich-pri­vater Part­ner­schaftsmod­elle wer­den gegen­wär­tig näher betra­chtet, um den Zeitraum bis zur voll­ständi­gen Attrak­tiv­ität der elek­tro­mo­bilen Teilmärk­te für die Pri­vatwirtschaft zu über­brück­en. Für bei­de Teilmärk­te ist im Sinne ein­er wirk­lich nach­halti­gen Entwick­lung der Ein­satz von erneuer­baren Energiequellen uner­lässlich, um das höch­ste Wirkungspo­ten­tial zu erre­ichen. Hier ist noch einiges zu tun.
Das Ziel, durch eine Stan­dar­d­isierung von Pro­duk­ten und Prozessen Kosten und Kom­plex­ität zu reduzieren, ist durch die vorhan­de­nen Fach­gremien in Arbeit, gestal­tet sich jedoch im bat­terieelek­trischen Umfeld bspw. für Lade­v­er­fahren u.a. durch eine größere Anzahl von Play­ern schwierig. Eine erhöhte Sicht­barkeit im Markt über punk­tuelle, zeitlich befris­tete Demon­stra­tionspro­jek­te hin­aus muss ein­deutige Sig­nale inner­halb der Gesellschaft set­zen, um weit­er am Ball zu bleiben. Schlussendlich müssen alle Beteiligten es schaf­fen, dass BEVs und FCEVs sowie deren Betankungsin­fra­struk­tur wet­tbe­werblich mit den Ver­bren­nern gle­ichziehen können.
Dauar­ide Empere
Dornier Con­sult­ing GmbH
www.dornier-consulting.com

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