Wie viel Ladeinfrastruktur braucht die Elektromobilität?

Elek­troau­tos brauchen Strom aus ein­er Steck­dose. Erst durch die Steck­dose als »Energiequelle« löst sich das Auto­mo­bil nach­haltig vom Öl. Erst dadurch wird emis­sions­freies Fahren möglich. Die gute Nachricht: Strom ist über­all genug vorhan­den und (im Ver­gle­ich zum Ben­zin) rel­a­tiv sehr viel bil­liger. Außer­dem existieren z.B. in Deutsch­land schon Mil­lio­nen von Steck­dosen. Die Frage ist nur: Ist die Steck­dose auch dort, wo der eAu­to-Fahrer sie braucht oder stellt dies eine zunächst gravierende Hürde für poten­tielle eAu­to-Käufer dar?
Gle­ich vor­weg: Elek­troau­tos machen nur dort Sinn, wo sie opti­mal einge­set­zt wer­den. So sind z.B. die hun­dert­tausenden von Pendlern, die täglich aus den Speck­gürteln der Städte zu ihren Arbeit­splätzen pen­deln, eine sehr wichtige Ziel­gruppe. Auch die vie­len Zweit- und Drittwa­gen in den Haushal­ten, wo täglich so genan­nte Rou­tine­fahrten (Kinder­garten, Einkaufen, Hob­bys, etc.) anfall­en, sind ide­al geeignet. Sie kön­nen ihre täglichen »20–80 Rou­tine-km« abspulen und nachts laden sie ihr eAu­to zu Hause. Die Reich­weite der eAu­tos ist bere­its heute so aus­gelegt, dass der Kunde eigentlich nie auf Infra­struk­tur außer­halb sein­er Garage zu Hause angewiesen ist. Für den typ­is­chen »Lat­er­nen­park­er« z.B. in Schwabing (Münch­n­er Innen­stadt), der sein Auto ohne­hin lediglich für die Woch­enend­fahrten zum Gar­dasee braucht, ist das eAu­to eigentlich nicht geeignet. Deshalb wird dessen möglich­es eAu­to-Ladebedürf­nis sich­er mit let­zter Pri­or­ität erfüllt wer­den — wenn über­haupt jemals. Zum Trost sei auf die U‑Bahn Hal­testelle »um die Ecke« ver­wiesen. Wenn man sich ins­ge­samt der Frage sys­tem­a­tisch nähert, ob Lade­in­fra­struk­tur eine prinzip­ielle Bar­riere für die Ver­bre­itung von eAu­tos darstellt, so kann man grund­sät­zlich vom Nutzer her kom­mend drei Lade­typen unter­schei­den, die im Fol­gen­den danach einzeln unter­sucht wer­den sollen.
Das STAN­DARD-Laden: Hierunter ver­ste­ht man den Lade­vor­gang immer dann, wenn das Auto eigentlich nicht gebraucht wird, d.h. irgend­wo für länger als vier Stun­den abgestellt wird. Das ist genau der typ­is­che Fall bei dem nachts zu Hause oder tagsüber am Arbeit­splatz geladen wer­den kann. Aber auch an Flughäfen, Bahn­höfen, an P&R‑Parkplätzen und Hotels. Ladegeschwindigkeit spielt hier kaum eine große Rolle. Vielmehr ist bei diesem Lade­typ das Vorhan­den­sein eines spez­i­fis­chen Stellplatzes mit ein­er Steck­dose von entschei­den­der Bedeu­tung. Ini­tia­tor ein­er solchen Infra­struk­tur-Instal­la­tion sind meist die eAu­to-Besitzer selb­st, die ihren Ver­mi­eter, Arbeit­ge­ber oder P&R‑Betreiber davon überzeu­gen müssen, ihnen entsprechende Steck­dosen zur Ver­fü­gung zu stellen. Die Finanzierung fällt meist direkt oder indi­rekt auf den eAu­to-Besitzer zurück. Das ist auch nur zu logisch, weil die Steck­dose qua­si Teil des Stell-Park­platzes ist, der auss­chließlich vom eAut­o­fahrer genutzt wird. Die rel­a­tive Bedeu­tung dieser Steck­dosen ist für alle eAu­to-Besitzer essen­ziell! D.h. ohne eine solche Lademöglichkeit kann man kein eAu­to vernün­ftig betreiben. Dabei ste­ht im Vorder­grund der exk­lu­siv reservierte Stellplatz an sich. Wenn der vorhan­den ist, ist die Instal­la­tion von Lade-Steck­dosen meist eine nur sehr geringe Hürde bzw. in den meis­ten Pri­vat-Gara­gen ohne­hin schon vorhan­den. Die öffentliche Hand ist bei dieser Lade­in­fra­struk­tur kom­plett außen vor. Lediglich der »Markt«, d.h. der eAu­to-Kunde selb­st, wird und muss den Aus­bau dieser Infra­struk­tur vorantreiben. Den Spezial­fall »Lat­er­nen­park­er« haben wir ja schon ein­gangs beleuchtet. Genau­so wenig wie die Kom­mune heute schon »verpflichtet« ist jedem Auto-Besitzer einen Park­platz im öffentlichen Raum zur Ver­fü­gung zu stellen, kann ein eAu­to-Besitzer erwarten, dass nun aus­gerech­net für ihn eine »Son­der­lö­sung« (Park­platz mit Steck­dose) gebaut wird.
Das PARK&CHARGE-Laden: In diesem Lade­typ ist ein eAu­to-Fahrer unter­wegs. Er fährt z.B. zu seinem Sportzen­trum um dort einige Stun­den zu trainieren oder in ein Shop­pingzen­trum zum Einkaufen. Die Park­dauer beträgt meist von weni­gen Minuten bis zu vier Stun­den. In solchen Sit­u­a­tio­nen auf Lademöglichkeit­en zurück­zu­greifen, ist für die meis­ten eAu­to-Besitzer aus zwei Grün­den nahezu irrel­e­vant. Zum einen wird kaum ein eAu­to-Fahrer seine Fahrt um »eventuell ver­füg­bare und dann doch zugepark­te Lademöglichkeit­en« herum pla­nen. Zum anderen wer­den die aller­meis­ten eAu­tos eine Ladung »zwis­chen­drin« schlichtweg nicht brauchen. Die Reich­weite der Elek­troau­tos wird immer bei ca. dem dreifachen des täglichen Bedar­fes liegen. Das heißt nur im beson­deren Aus­nah­me­fall muss der eAu­to-Fahrer unter­wegs laden (siehe Ad-Hoc).
Darüber hin­aus sind solche Ladesta­tio­nen hochgr­a­dig unwirtschaftlich. Nicht nur, dass der durch­schnit­tliche ePark­er nur für wenige Cent lädt. Vielmehr ist der Park­platz an sich in den meis­ten Fällen so wertvoll, dass sich kein Betreiber leis­ten kann, für diesen Lade­typ einen speziellen Park­platz ständig reserviert zu hal­ten. Das zeigt sich z.B. bere­its in Berlin bei den Ladesta­tio­nen der RWE in Ku‘damm-Nähe. Die Berlin­er ärg­ert maß­los, dass die wertvoll­sten Park­plätze für eAu­tos zwangs-frei gehal­ten wer­den, die da aber so gut wie nie ste­hen. Solche »Lade­in­fra­struk­tur« wird sich­er nicht lange Bestand haben. Für die eAu­to-Besitzer sind sie ohne­hin von nur geringer Rel­e­vanz und somit auch keine grund­sät­zliche Hürde für die Elektromobilität.
Das AD-HOC-Laden: Bere­its der Nis­san Leaf hat die Option ein­er soge­nan­nten »Schnel­l­ladung«. Auch die eAu­tos aus deutsch­er Pro­duk­tion, die 2013 auf den Markt kom­men, wer­den über eine spezielle (CC S-)Schnittstelle ca. 100 km Reich­weite in rund 15 Minuten laden kön­nen. Die Idee dahin­ter ist, dem eAu­to-Kun­den mehr Flex­i­bil­ität zu geben, für den Fall, dass er in eine unge­plante »Reservesi­t­u­a­tion« kommt. BMW rech­net bei seinem eAu­to i3 (Mark­t­start Ende 2013) mit der Hälfte der Kun­den, die sich für die Option »Range Exten­der« (also ein klein­er einge­bauter Ben­zin-Strom­gen­er­a­tor) entschei­den wer­den. Für diese Kun­den wird die ADHOC-Ladung keine Rolle spie­len. Für eAu­tos, die nicht über eine solche Option ver­fü­gen, kann dieser Lade­typ allerd­ings entschei­dend zur »gefühlten Sicher­heit« beitra­gen. Als Betreiber solch­er Schnel­l­ladesta­tio­nen kom­men die heuti­gen Tankstellen in Frage, die dadurch auch noch zusät­zlichen »Traf­fic« für ihren Shop erzeu­gen kön­nen. Allerd­ings rech­net sich eine solche Sta­tion für den Betreiber erst, wenn eine größere Anzahl von eAu­tos im Markt ist. Insofern sind wahrschein­lich die Auto­her­steller gemein­sam mit dem Staat aufgerufen, hier in Vor­lage zu gehen. Dass das sehr gut funk­tion­ieren kann, zeigt sich in Japan, wo es bere­its heute mehr als 1.000 Schnel­l­ladesta­tio­nen (CHAde­MO) gibt. Hier haben die drei großen japanis­chen Auto­her­steller zusam­men mit der Tep­co und erhe­blich­er staatlich­er Sub­ven­tion eng zusam­men gear­beit­et. In Nor­we­gen, der Schweiz und in vie­len anderen Regio­nen, wer­den eben­falls bere­its heute größere Net­ze von »Quick-Charg­ern« aufgestellt. Eine Voraus­set­zung für die eAu­to-Ver­bre­itung stellt ein solch­es Net­zw­erk nicht dar. Allerd­ings führt es sicher­lich zu ein­er deut­lich schneller anwach­senden Nach­frage nach emis­sions­freiem Fahren mit Strom vom Netz.
Experten gehen davon aus, dass man in Deutsch­land ca. 300 solch­er Ladesta­tion bräuchte (in 11 deutschen Metropolen mit ca. 70 % der deutschen Gesamt-Bevölkerung). Ein Invest­ment von nicht mal 10 Mio. Euro, eigentlich lächer­lich, wenn man bedenkt, was die Entwick­lung eines eAu­tos kostet. Dann wäre aber gewährleis­tet, dass in max. 6 km Ent­fer­nung der aller­meis­ten eAu­to-Fahrer eine Schnel­l­ladesta­tion bere­it stünde. Voraus­set­zung ist aber eine konz­ertierte Aktion aller Auto­bauer, damit sich nur ein Stan­dard dafür durchsetzt.
Dr.-Ing. Jan Traenckner
BEM-Beiratsvorsitzender
www.venturecheck.com
 

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