Regulierung von Ladesäulen?

In ihrem Nationalen Entwick­lungs­plan Elek­tro­mo­bil­ität hat sich die Bun­desregierung im Jahr 2009 ein ehrgeiziges Ziel geset­zt: Bis zum Jahre 2020 sollen auf deutschen Straßen eine Mil­lion Elek­tro­fahrzeuge unter­wegs sein. Auch eMo­bile müssen betankt wer­den. Das »Per­petu­um e‑mobile« ist noch nicht erfun­den. Betankt wer­den kön­nen eMo­bile entwed­er — wenn die tech­nis­chen Voraus­set­zun­gen hier­für geschaf­fen wur­den — am eige­nen Stro­man­schluss zu Hause oder an ein­er öffentlichen eTankstelle, für die sich all­ge­mein der recht plas­tis­che Begriff der Ladesäule einge­bürg­ert hat.
Der aktuell gel­tende Recht­srah­men für die Energiewirtschaft sieht keine beson­deren Regelun­gen für Ladesäulen vor. Es stellt sich die Frage, ob es energierechtliche oder aus all­ge­meinem Recht fol­gende Zugangsansprüche zu Ladesäulen gibt und falls nein, ob der Zugang zu Ladesäulen reg­uliert wer­den sollte. Das Instru­ment der Reg­ulierung, also ins­beson­dere die Ein­räu­mung eines über die kartell­rechtlichen Regelun­gen hin­aus­ge­hen­den Anspruchs auf diskri­m­inierungs­freien Zugang und die staatliche Ent­gelt­festle­gung wird für Märk­te gewählt, auf denen aus bes­timmten Grün­den kein Wet­tbe­werb herrschen kann. Dabei geht es typ­is­cher­weise um natür­liche Mono­pole, wie sie ins­beson­dere auf Infra­struk­tur­märk­ten vorkom­men kön­nen, von denen andere, nachge­lagerte Märk­te abhän­gen. Man beze­ich­net dies auch anschaulich als »bottle-neck«-Situationen. Ein klas­sis­ches Beispiel sind Strom- und Gas­net­ze als Infra­struk­turein­rich­tun­gen, denen Märk­te für die Beliefer­ung von Strom- und Gaskun­den nachge­lagert sind. In solchen Fällen kön­nen die all­ge­meinen kartell­rechtlichen Regelun­gen, die immer­hin einen Zugangsanspruch zu tech­nisch oder wirtschaftlich nicht duplizier­baren Infra­struk­turein­rich­tun­gen gewähren, nicht aus­re­ichend sein.
Wie ist dies im Falle der Ladesäulen? Es ist — wie so oft bei rechtlichen Fra­gen — zu unterscheiden.
Die am leicht­esten zu beant­wor­tende Frage ist die nach Ansprüchen von Ladesäu­len­be­treibern auf Anschluss ihrer Ladesäulen an das öffentliche Strom­netz. Ein solch­er Anspruch ergibt sich aus dem Energiewirtschafts­ge­setz (EnWG), das jedem Let­ztver­brauch­er einen Anspruch auf Net­zan­schluss gewährt. Darauf, dass der Ladesäu­len­be­treiber den aus dem Netz bezo­ge­nen Strom weitüber­wiegend nicht selb­st für den Betrieb der Ladesäule ver­braucht, son­dern den Ladesäu­len­nutzern, also den eMo­bilis­ten, zur Ver­fü­gung stellt, kommt es hier­bei nicht an. Bei solchen Zugangsansprüchen geht es allerd­ings nicht um eine Reg­ulierung des Betriebs von Ladesäulen, son­dern um die existierende Reg­ulierung des Betriebs von Stromnetzen.
Weit­er stellt sich die Frage, ob Strom­liefer­an­ten einen Anspruch auf Zugang zu Ladesäulen, also auf Beliefer­ung des Ladesäu­len­be­treibers haben. Ein solch­er Anspruch ergibt sich nicht aus den beste­hen­den Regelun­gen des EnWG: Nach mit­tler­weile recht ein­hel­liger Auf­fas­sung ist die Ladesäule nicht Teil des Strom­net­zes und unter­liegt damit nicht der für Strom­net­ze gel­tenden Reg­ulierung nach dem EnWG. Auch aus dem Kartell­recht lassen sich keine Ansprüche des Strom­liefer­an­ten gegen den Ladesäu­len­be­treiber darauf ableit­en, seinen Strom abzunehmen bzw. den eige­nen Kun­den, also den eMo­bilis­ten, anzu­bi­eten oder zunächst ein­mal eine diskri­m­inierungs­freie Auswahl zwis­chen den unzäh­li­gen Strom­liefer­an­ten zu tre­f­fen. Solche Ansprüche kämen nur dann in Frage, wenn der Ladesäu­len­be­treiber über eine mark­t­be­herrschende Stel­lung ver­fü­gen würde und sich eine Ver­weigerung der Stromab­nahme oder die unter­lassene Auf­nahme in das eigene Ange­bot an die eMo­bilis­ten als Miss­brauch dieser mark­t­be­herrschen­den Stel­lung oder als sach­lich nicht gerecht­fer­tigte Ungle­ich­be­hand­lung darstellen würde. Schon ersteres ist nicht der Fall: Der Ladesäu­len­be­treiber ist, soweit er Strom beschafft oder seinen Kun­den eine Strom­liefer­ung an der Ladesäule zur Ver­fü­gung stellt, auf einem sach­lich rel­e­van­ten Markt für die Nach­frage nach Strom tätig. Dieser Markt ist räum­lich gese­hen nach der neueren Prax­is des Bun­deskartel­lamts bun­desweit abzugrenzen.
Auf diesem Markt gibt es neben dem einzel­nen Ladesäu­len­be­treiber zahllose andere Abnehmer von Strom. Eine mark­t­be­herrschende Stel­lung hat der einzelne Ladesäu­len­be­treiber dann nicht inne. Dieser Befund spricht im Übri­gen auch gegen eine Reg­ulierung in der Form der Ein­führung solch­er Ansprüche oder etwa der Verpflich­tung des Ladesäu­len­be­treibers, den eMo­bilis­ten an sein­er Ladesäule Strom ver­schieden­er Stro­man­bi­eter zur Auswahl zu stellen.
Es bleibt schließlich noch die Frage, ob Nutzer von Ladesäulen Zugangsansprüche zur Ladesäule haben oder, wenn dies nicht der Fall ist, haben soll­ten. Da die Ladesäule nicht Teil des Strom­net­zes ist, kön­nen sich solche Ansprüche nicht aus der gel­tenden Zugangsreg­ulierung für Strom­net­ze nach dem EnWG ergeben. Der kartell­rechtliche Zugangsanspruch set­zt erstens das Vor­liegen ein­er tech­nisch oder wirtschaftlich nicht duplizier­baren Infra­struk­turein­rich­tung voraus. Zweit­ens ist das Vor­liegen ein­er mark­t­be­herrschen­den Stel­lung und drit­tens die Miss­bräuch­lichkeit ein­er Ver­weigerung des Zugangs Voraus­set­zung. Ladesäulen sind wohl rel­a­tiv leicht tech­nisch und wirtschaftlich duplizier­bar. Auch vom Vor­liegen ein­er mark­t­be­herrschen­den Stel­lung kann regelmäßig nicht aus­ge­gan­gen werden.
Dies führt zur span­nen­den Frage, wie der betrof­fene sach­lich und räum­lich rel­e­vante Markt abzu­gren­zen ist. Man wird diesen sach­lich und räum­lich rel­e­van­ten Markt im Regelfall nicht als auf die einzelne Ladesäule beschränkt anse­hen kön­nen, da den eMo­bilis­ten zwar nicht die gewöhn­lichen Tankstellen für Kraft­stoffe für Ver­bren­nungsmo­toren, ggf. aber die Ladesäulen ander­er Betreiber und jeden­falls oft auch die Nutzung der eige­nen Steck­dose daheim als Alter­na­tive zur Ver­fü­gung ste­hen wird. Ein kartell­rechtlich­er Zugangsanspruch des einzel­nen eMo­bilis­ten ist dann nicht gegeben. Unab­hängig von diesen rechtlichen Über­legun­gen macht es für den Ladesäu­len­be­treiber schon wirtschaftlich keinen Sinn, nicht alle inter­essierten eMo­bilis­ten zur Nutzung der Ladesäule zuzu­lassen. Bei diesem Befund ver­bi­etet sich die Ein­führung ein­er Reg­ulierung. Es kann auf die unsicht­bare Hand des Wet­tbe­werbs ver­traut werden.
Nichts anderes gilt im prak­tisch eben­so unwahrschein­lichen Fall, dass Betreiber ein­er ganzen Ladesäu­len­in­fra­struk­tur in einem bes­timmten Gebi­et Auss­chließlichkeitsvere­in­barun­gen mit eMo­bil-Flot­ten­be­treibern abschließen.
Erstens macht es, wie gesagt, schon wirtschaftlich keinen Sinn, wenn ein Ladesäu­len­be­treiber den Zugang von eMo­bilis­ten zu sein­er Ladesäule beschränkt. Zweit­ens reichen die kartell­rechtlichen Vorschriften aus, wenn von ein­er solchen Vere­in­barung wider Erwarten doch ein­mal eine abschot­tende und damit wet­tbe­werb­s­beschränk­ende Wirkung aus­ge­hen sollte. Auch unter diesem Gesicht­spunkt kann also kein Reg­ulierungs­be­darf abgeleit­et werden.
Faz­it: Im Ergeb­nis kann und sollte also darauf ver­traut wer­den, dass die Kräfte des Wet­tbe­werbs für die richtige Entwick­lung bei den eTankstellen sor­gen wer­den. Eine beson­dere Zugangsreg­ulierung sollte unterbleiben.
Dr. Rolf Hempel
Recht­san­walt und Part­ner bei CMS Hasche Sigle
www.cms-hs.com
 

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