Das Elektroauto ist serienreif!

Artikel aus der NEUEN MOBILITÄT 02 / Jan­u­ar 2011
Dr.-Ing. Jan Traenck­n­er, BEM-Beiratsvorsitzender

Der Dezem­ber 2010 wird in die Geschichte der Elek­tro­mo­bil­ität einge­hen. Die ersten Elek­troau­tos, die nach Großse­rien­maßstäben entwick­elt wur­den und die nun in entsprechend dafür aufge­baut­en Fab­riken pro­duziert wer­den, erre­ichen die ersten echt­en End­kun­den. Die »Wet­ten« in der Autoin­dus­trie laufen. Sind diese Autos beim Kun­den nach­haltig erfol­gre­ich, so wird das in der glob­alen Autoin­dus­trie eine mit­tlere Rev­o­lu­tion aus­lösen. Und das ist man in dieser tech­nisch eher evo­lu­tionär aus­gerichteten Indus­trie so nicht gewohnt.Trotzdem sind die Voraus­set­zun­gen für einen Erfolg denkbar gut.
Zum einen bringt Gen­er­al Motors den Chevro­let Volt, der in den let­zten vier Jahren zur Serien­reife gebracht wurde. Dieses Auto fol­gt dem rev­o­lu­tionären Design-Prinzip des »Range Exten­der«. Eine nur mit­tel­große Lithi­um-Ionen-Bat­terie (16 Kilo­wattstun­den) kann dieses Fahrzeug bis zu 80 km als reines Elek­troau­to antreiben. Ist die Bat­terie leer, springt ein klein­er Ben­z­in­mo­tor an und ver­sorgt den Elek­tro­mo­tor direkt mit Energie. Der Volt ist dann wie jedes gewöhn­liche Ben­z­in­au­to nutzbar. Zielkun­den für dieses Fahrzeug sind vor allen Din­gen in den USA die rel­a­tiv jun­gen, ökol­o­gisch und patri­o­tisch aus­gerichteten Bildungsbürger.
Die USA ver­braucht derzeit ca. 70% sein­er Ölimporte in sein­er dursti­gen PKW-Flotte. Der Irak-Krieg und die Katas­tro­phe im Golf von Mex­i­co haben Spuren hin­ter­lassen. In der Emanzi­pa­tion von Ölimporten sieht der gebildete Amerikan­er ein kurzfristiges Ziel. Elek­troau­tos sollen dabei helfen. Und es funk­tion­iert! Der erste Kunde, der nun seit eini­gen Tagen einen Chevro­let Volt fahren darf, ist Arzt in New York. Er pen­delt jeden Mor­gen zu seinem Kranken­haus ca. 30 Meilen (48 km), kann dort sein Auto aufladen und fährt abends zurück. Nachts wird sein PKW in der heimis­chen Garage geladen.
Ein Stan­dard­fall wie es ihn mil­lio­nen­fach in den USA und im Rest der Welt gibt. In den ersten drei Wochen und nach 2.500 km Nutzung brauchte dieser »ear­ly adopter« im Schnitt nur 1,6 Liter Ben­zin auf 100 km. Den größten Teil sein­er täglichen Streck­en kon­nte der Arzt mit bil­ligem Strom aus der Steck­dose fahren.
Zeit­gle­ich mit dem Chevro­let Volt kommt zunächst in Japan und den USA ein reines Großse­rien-Elek­troau­to auf den Markt, der Nis­san Leaf. Dieses Auto hat im Ver­gle­ich zum Volt eine deut­lich größere Lithi­um-Ionen-Bat­terie (24 Kilo­wattstun­den). Nis­san zielt mit diesem Fahrzeug auf die Kun­den, deren täglich­er Mobil­itäts­be­darf weit unter 150 km liegt: Die vie­len Pendler oder Zweit­wa­genbe­sitzer, die ein solch­es Fahrzeug lediglich für die täglich anfal­l­en­den (Kurz-)Strecken ein­set­zen wer­den. Diesen Kun­den wird ein Ange­bot gemacht, dass sich sehen lassen kann: Das Auto ist nicht teur­er als ein ver­gle­ich­bar­er Benziner.
Dies gilt natür­lich zunächst nur für Kun­den, die das Glück haben in ein­er Region zu leben, in der der Staat den Sys­temwech­sel hin zur Elek­tro­mo­bil­ität sub­ven­tion­iert. Zum Beispiel in Kali­fornien. Hier kostet ein Nis­san Leaf in der Anschaf­fung genau­so viel wie ein VW Golf. Allerd­ings zahlt man später nur etwa ein Drit­tel der »Ben­zinkosten«. Die Angst vor ein­er »kaput­ten Bat­terie« wird den Kun­den mit ein­er sehr großzügi­gen Garantieregelung genom­men: 8 Jahre und 150.000 km.
Welche »Wette«, gehen diese bei­den Neuzeit-Pio­niere der Autoin­dus­trie ein?
Sie wet­ten auf ihre Fähigkeit eAu­tos in Massen­pro­duk­tion kostengün­stig herzustellen. In diese Fähigkeit haben bei­de Unternehmen bis­lang schon Mil­liar­den investiert. Hier­bei spielt die Lithi­um-Ionen-Bat­terie die mit Abstand größte Rolle. Nicht nur, dass sie, bezo­gen auf die Gesamtkosten, die größte Einzelkom­po­nente darstellt. Vielmehr sind die Her­stell­prinzip­i­en für solche Bat­te­rien für die Autoin­dus­trie gän­zlich neu. Deshalb sind GM und Nis­san Koop­er­a­tio­nen mit etablierten Unternehmen aus der Bat­ter­ieszene einge­gan­gen. Diese Gemein­schaft­sun­ternehmen haben nun die Auf­gabe Pro­duk­tion­san­la­gen aufzubauen, in denen hochw­er­tige Lithi­um-Ionen-Bat­te­rien in riesi­gen Stück­zahlen zu gün­sti­gen Kosten hergestellt wer­den kön­nen. Der Part­ner von GM, der kore­anis­che Spezial­ist LG Chem, investiert dazu in Michi­gan in der Nähe des GM-Stammw­erkes in Detroit ca. 500 Mio. Dol­lar in neue Pro­duk­tion­san­la­gen. Und LG ist nicht alleine. Ins­ge­samt wer­den im Großraum Michi­gan in den näch­sten drei Jahren fast vier Mil­liar­den Dol­lar in den Auf­bau von Mega-Bat­terie-Fab­riken investiert. Auch hier ist der Staat als Mit-Finanzier­er kräftig dabei. Ca. 1,4 Mil­liar­den Dol­lar ste­hen in Form von Steuervergün­s­ti­gun­gen oder Bil­ligkred­iten zur Verfügung.
Lohnt sich eine solche Wette?
Aus der Sicht der bei­den Indus­trie­un­ternehmen kön­nte die »Wette« aus zwei Grün­den aufge­hen. Ein­er­seits wür­den sich bei­de Unternehmen zu den glob­alen Mark­t­führern bei der neuen Fahrzeuggen­er­a­tion auf­schwin­gen, und damit ihren Wet­tbe­wer­bern empfind­liche Mark­tan­teile abluchsen. Ander­er­seits hal­ten diese Unternehmen auf Jahre hin den Schlüs­sel für die Massen­pro­duk­tion von Bat­te­rien in ihren Hän­den. Kaum ein Wet­tbe­wer­ber wird die so entste­hende Know-How‑, Kosten- und Zeitlücke bei der Bat­teriefer­ti­gung schließen kön­nen. Ein lukra­tives Zusatzgeschäft würde so entste­hen: Den Wet­tbe­wer­bern (selek­tiv) Bat­te­rien für deren eAu­tos verkaufen und kräftig daran mit verdienen.
Ist die Massen­fer­ti­gung von Bat­te­rien wirk­lich ein so bedeu­ten­der Schlüssel?
Lithi­um-Ionen-Bat­te­rien sind nur kostengün­stig in Massen­pro­duk­tion herzustellen. Der Rohstof­fan­teil ist rel­a­tiv zum Gesamt­preis ein geringer Fak­tor. Die Investi­tio­nen in die Pro­duk­tion­san­la­gen hinge­gen sind enorm. Ins­beson­dere schlägt hier die Zel­len­fer­ti­gung zu Buche. Lithi­um-Ionen-Zellen sind die kle­in­sten Ele­mente, aus denen Bat­te­rien hergestellt wer­den. Die Investi­tio­nen in die Pro­duk­tion­san­la­gen amor­tisieren sich nur über sehr große Stück­zahlen. Sind die gegeben, beste­ht allerd­ings kein Grund mehr, dass Lithi­um-Ionen-Bat­te­rien vom heuti­gen Niveau aus nicht viel, viel bil­liger wer­den. Genau das wurde bere­its bei den Zellen für Lap­tops und Handys erre­icht. Erst mit der Massen­fer­ti­gung der Lithi­um-Ionen-Zellen wird das Elek­troau­to gegenüber dem Ben­z­in­au­to wirtschaftlich und damit auch massentauglich.
Und was passiert bei uns in Deutschland?
Deutsch­land ist in Bezug auf Elek­tro­mo­bil­ität noch ein Entwick­lungs­land. Das liegt haupt­säch­lich an drei wesentlichen Faktoren:
Erstens begin­nt die heimis­che Autoin­dus­trie erst gegen Mitte des Jahrzehnts mit der Fer­ti­gung größer­er Stück­zahlen, wenn denn die Pläne auch wirk­lich so umge­set­zt wer­den. Zwar bringt BMW »bere­its« 2013 sein dur­chaus bahn­brechen­des »Project i«. Dieses Fahrzeug wird aber eher »Pre­mi­um« sein und wohl — ver­glichen mit den Plä­nen von Nis­san und GM — zunächst in homöopathis­chen Stück­zahlen pro­duziert. Daim­ler und VW wer­den bis 2015 nur umge­baute Ben­z­in­au­tos präsen­tieren. Auch hier kann von echter Massen­pro­duk­tion kaum die Rede sein. Einzig Opel bringt den Ampera, der bau­gle­ich mit dem Volt ist, allerd­ings voll­ständig in den USA gebaut wird.
Zweit­ens gibt es keine bedeu­tende Pro­duk­tions­ba­sis für Lithi­um-Ionen-Bat­te­rien in Deutsch­land. Auch bis­lang keine Pläne dafür. Lediglich Bosch wird zusam­men mit seinem Part­ner Sam­sung Bat­te­rien anbi­eten. Deren Pro­duk­tion wird aber haupt­säch­lich in Korea stat­tfind­en. Daim­lers Zel­len­fab­rik Li-Tec ste­ht erst ganz am Anfang und kämpft mit der Aufhol­jagd gegenüber der asi­atis­chen Konkur­renz. Die Investi­tio­nen in die Fer­ti­gungsan­la­gen sind ver­glichen mit denen in Asien und USA ver­schwindend ger­ing, somit ist nicht damit zu rech­nen, dass die Lücke schnell geschlossen wird. Auch der Bedarf der heimis­chen Indus­trie (siehe Erstens) hält sich eben auch in Gren­zen, so dass der Anreiz für weit­ere Investi­tio­nen so nicht gegeben ist.
Drit­tens wird der Staat in Deutsch­land beim Sys­temwech­sel zur Elek­tro­mo­bil­ität rel­a­tiv wenig beitra­gen. Die poli­tis­che Bere­itschaft, mas­siv zu investieren und damit die ein­heimis­che Indus­trie zu fördern, ist (ver­ständlich) außeror­dentlich ger­ing. Die deutsche Autoin­dus­trie ist dazu viel zu erfol­gre­ich. Deshalb sind Sub­ven­tio­nen poli­tisch nicht durch­set­zbar. Wed­er durch Förderung von Pro­duk­tion­san­la­gen, noch durch direk­te Förderung eines Autokaufs bei End­kun­den. Let­zteres wäre ohne­hin im Moment nicht zielführend da man damit nur die aus­ländis­che Autoin­dus­trie fördern würde (siehe Erstens). Fol­glich verkaufen Nis­san und GM ihre inno­v­a­tiv­en eAu­tos wohl zulet­zt bei uns in Deutsch­land. Natür­lich begin­nt man zunächst dort, wo es die meis­ten Erfol­gsaus­sicht­en sprich Sub­ven­tio­nen gibt. Und das ist nicht in Deutsch­land son­dern z.B. USA (5.780€), Frankre­ich (5.000€), Spanien (5.000€), Japan (bis zu 6.000€) und Chi­na (bis zu 8.000€). »Ear­ly Adopter« in Deutsch­land müssen ihre eAu­tos teuer importieren. Nichts Neues! War so auch schon bei Fax, Flach­bild­schir­men und vie­len anderen Inno­va­tio­nen, die ursprünglich hier mal erfun­den wur­den. Und die deutsche Autoin­dus­trie wird dann wohl sagen: Seht mal unsere eAu­tos will kein­er kaufen. Viel zu teuer. Nehmt doch einen Diesel. Auch ne Wette!
Dr.-Ing. Jan Traenck­n­er, Ven­tureCheck Company
jan.traenckner@venturecheck.com
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