Mit 73 Jahren auf dem Elektroroller durch Europa

Vom Bodensee nach Schwe­den und wieder zurück – das mag noch keine große Leis­tung sein. Die 3.300 Kilo­me­ter lange Strecke bei Wind und Wet­ter auf einem e‑scooter im Alter von 73 Jahren zu bestre­it­en schon! Zwanzig Tage lang saß Reimar Hell­wig bis zu acht Stun­den täglich auf seinem emco Elek­tro­roller. Die Mis­sion: Men­sch und Mas­chine einem ordentlichen Prax­is­test unterziehen und mit Vorurteilen über Elek­tro­mo­bil­ität aufräumen!
Der pen­sion­ierte Inge­nieur aus Herd­wan­gen am Bodensee kann sich für eMo­bil­i­ty begeis­tern. Grund dafür sind nicht nur die gerin­gen Betrieb­skosten seines NOVUM S5000, der mit 5.000 Watt über 80 km/h auf die Straße bringt. Er legt auch großen Wert auf einen kli­mafre­undlichen Lebensstil. »Natür­lich kenne ich all die Argu­mente gegen elek­trisches Reisen«, erk­lärt Hell­wig. »Es heißt, die Reich­weite sei zu ger­ing, die Ladezeit­en zu lang und Strom­tankstellen gibt es auch zu wenige. Aber let­ztlich sind das alles Vorurteile. Ich glaube nur das, was ich selb­st erlebe.« Die Vor­bere­itun­gen für die Reise sind schnell erledigt, denn geplant hat er kaum – auch nicht, wie er auf seinem Weg an Strom gelan­gen würde. »Mein NOVUM schafft unge­fähr 130 Kilo­me­ter am Stück, aber ich habe ganz bewusst vorher keine Strom­tankstellen her­aus­ge­sucht. Strom­tanken sollte die große Unbekan­nte sein; ich wollte sehen, ob ich es auch so schaffe.«
Außer­dem verzichtete der selb­st­ständi­ge Inno­va­tions­ber­ater nahezu voll­ständig auf tech­nis­che Medi­en, um endlich mal ein wenig Zeit zu haben. »Wofür? Inter­es­sante Büch­er während der Ladezeit­en lesen, Sehenswürdigkeit­en anse­hen, vor allem aber mit Men­schen sprechen. Ich habe auf mein­er Reise so viel Fre­undlichkeit, Hil­fs­bere­itschaft und Unter­stützung erfahren, dass ich mein Welt­bild von der Men­schheit noch mal weit­er ins Pos­i­tive kor­rigieren kon­nte«, erzählt Hell­wig bewegt.
Zum Beispiel war da diese Not­si­t­u­a­tion kurz vor Wolfha­gen. Auf der Tour von Nien­burg durch das Exter­tal tobte ein heftiger Sturm, der schräg von vorn kam. Dadurch erhöhte sich der Stromver­brauch deut­lich und Hell­wigs Reich­weit­enkalku­la­tion stimmte nicht mehr. »Die Hoff­nung, es bis zur geplanten Über­nach­tung bei einem Ver­wandten nahe Kas­sel zu schaf­fen, erfüllte sich nicht und am Ort­sein­gang von Wolfha­gen waren die Bat­te­rien leer. Ich klin­gelte an der Tür des ersten Haus­es ein­er kleinen Neubausied­lung. Ein fre­undlich­er Haus­be­sitzer öffnete die Tür und ich schilderte kurz das Prob­lem. Er öffnete das Gara­gen­tor und stellte mir eine Steck­dose zur Ver­fü­gung. Dann fol­gte eine nette Unter­hal­tung und nach 30 Minuten kon­nte ich die Fahrt bis zum Tagesziel fortsetzen.«
Als größte Her­aus­forderung beschreibt der 73-jährige den Ver­lust seines Ruck­sacks mit per­sön­lichen Din­gen. So sehr der Ver­lust ihn auch schmerzte, so begeis­terte ihn die spon­tane Hil­fs­bere­itschaft eines Polizis­ten: »Der Polizeioberkom­mis­sar wollte eigentlich Feier­abend machen und nach Hause zu sein­er Fam­i­lie fahren; extra für mich blieb er aber noch länger auf der Wache. Mit seinen ruhi­gen, sach­lichen Fra­gen nach Art und Inhalt des Ruck­sacks und dem Hin­weis, dass er möglicher­weise beim örtlichen Fund­büro abgegeben wer­den würde, senk­te sich der Blut­druck allmäh­lich wieder etwas. Als er hörte, dass ich kein Ladegerät mehr für mein Handy hätte, schenk­te er mir spon­tan sein pri­vates und blieb auf der Polizeis­ta­tion, bis ich mein Handy geladen hatte.«
Nur ein einziges Mal steck­te Hell­wig so richtig in der Klemme. Der Aus­fall eines Relais unter­brach den Fahrstrom und führte zu ein­er Panne im Dauer­re­gen bei Lengerich. Der Pan­nen­di­enst brachte den durch­nässten Reisenden mit seinem Roller ins nahegele­gene Lin­gen, die Heimat der emco Elek­tro­roller. Bei emco nahm man sich gle­ich nach der Ankun­ft des Rollers an und küm­merte sich um ein Hotel sowie einen Fahrer. Die Mitar­beit­er von emco lokalisierten den Fehler gle­ich am näch­sten Mor­gen, tauscht­en das defek­te Teil aus und macht­en den Roller starkre­gen­sich­er. »Obwohl mein NOVUM die Garantiezeit schon etwas über­schrit­ten hat­te, führte emco alle Arbeit­en in Kulanz aus«, lobt Hellwig.
Ohne Zweifel weiß der Roller­reisende, wie man mit Men­schen umge­ht. »In Schwe­den bei Göte­borg zum Beispiel half mir ein junger Schwede ein Hotelz­im­mer mit Hil­fe seines Smart­phones zu besor­gen. Bei der Buchung wollte er dann auch noch die Kosten übernehmen! Ich kon­nte ihn ger­ade noch daran hin­dern und bit­ten, die Buchung tele­fonisch durchzuführen.«
Über die gesamten 3.300 Kilo­me­ter ver­traute Hell­wig auf die Hil­fs­bere­itschaft der Men­schen – und wurde nicht ent­täuscht. Abge­se­hen von zwei Ladun­gen an öffentlichen Ladesta­tio­nen fie­len für die gesamte Reise keine Stromkosten an. »Strom gibt es über­all«, ist Hell­wig überzeugt, »man muss nur fra­gen!« Und im Fra­gen ist Hell­wig kreativ: »Ich habe in meinem Leben einen Käfer, zwei Golf und drei Aud­is gefahren«, erk­lärt der pfif­fige Aben­teur­er dem Angestell­ten im VW-Auto­haus »und jet­zt bräuchte ich 2 kWh Strom.« Im Auto­haus ver­sorgte man Hell­wig nicht nur mit ein­er Steck­dose, son­dern auch mit ein­er heißen Tasse Kaf­fee und ein­er Sitzmöglichkeit im Auto­haus. Eine Toi­lette, eine Bank zum Aus­ruhen und etwas zu essen – mehr braucht ein Elek­tror­eisender Hell­wig zufolge nicht. Stieß der 73-jährige auf Skep­sis, wenn er darum bat, seinen e‑scooter laden zu dür­fen, klärte er Vorurteile ele­gant auf: »Er zieht nur halb so viel Strom wie ein Staub­sauger!« Tat­säch­lich kosten 100 Kilo­me­ter mit dem emco Elek­tro­roller umgerech­net nur 50 Cent.
Hell­wigs Faz­it zu 3.300 Kilo­me­tern in zwanzig Tagen fällt pos­i­tiv aus – zumin­d­est, was den Elek­tro­roller ange­ht: »Generell hat der Roller meine Erwartun­gen bis auf eine kleine Aus­nahme übertrof­fen. Sowohl bei der Reich­weite als auch bei der Funk­tion habe ich nichts zu bean­standen.« Eine Reich­weite von durch­schnit­tlich 120 Kilo­me­tern reiche völ­lig aus, wenn das Ver­hält­nis von Lade­strom zu Bat­terieka­paz­ität gün­stig aus­fällt, wie beim Novum S5000. Die Angst, mit leeren Bat­te­rien ste­hen zu bleiben, erwies sich für Hell­wig als unbe­grün­det. Die Schwach­stelle bei ein­er solchen Reise sieht der Inno­va­tions­ber­ater nicht in der Mas­chine, son­dern im Men­schen. Kör­per­liche Fit­ness ist Voraus­set­zung, bis zu acht Stun­den täglich ver­bringt man still auf seinem Fahrzeug. Kleine Pausen zwis­chen­durch sind auf jeden Fall von Vorteil »und zwar bevor sich das Hin­terteil bemerk­bar macht«. Wie es für Hell­wig weit­erge­ht? Die näch­ste Reise werde schon geplant, bestätigt der 73-jährige und zwinkert: »Aber dies­mal passe ich bess­er auf meinen Ruck­sack auf.«
5 Tipps für Reisen mit dem Elektroroller

  1. Bei län­geren Reisen sollte man sich nicht unter Zeit­druck set­zen: 250 Kilo­me­ter am Tag sind ein guter Wert.
  2. Man ist nicht zwin­gend auf Strom­tankstellen angewiesen: Ket­ten wie Aldi und McDon­alds eröff­nen mehr und mehr Ladesta­tio­nen, weil sie das Bedürf­nis der Roller­fahrer nach Pausen und Verpfle­gung erkan­nt haben.
  3. Ein Ver­längerungsk­a­bel von ca. 5 Metern ist oblig­a­torisch für die Reiseausstat­tung, um auch von ungewöhn­lichen Quellen prob­lem­los Strom zu beziehen.
  4. Zur Absicherung vor Ver­lust und Dieb­stahl sollte man stets einen zweit­en Schlüs­sel in der Motor­rad­jacke mit sich tragen.
  5. Eine Abdeck­plane nimmt nicht viel Platz ein, schützt vor Regen und vor allem vor neugieri­gen Blick­en und Herum­spie­len am Fahrzeug.

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PDF-Down­load: ⇢ Reise­bericht Reimar Hellwig

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