Induktive Ladesysteme

Eine bar­ri­ere­freie Alter­na­tive zu Kabel und Stecker
Induk­tive Energieüber­tra­gungssys­teme gehören heute in vie­len Bere­ichen zum Stand der Tech­nik. So wer­den sowohl mobile Kleingeräte (z.B. elek­trische Zahn­bürsten) als auch mobile Ver­brauch­er in Indus­trie und Gewerbe (z.B. autonome Flur­förder­fahrzeuge) induk­tiv mit elek­trisch­er Energie ver­sorgt. Bei Elek­tro­fahrzeu­gen kön­nen diese kon­tak­t­losen Über­tra­gungssys­teme zukün­ftig zu ein­er wichti­gen Alter­na­tive zu kon­duk­tiv­en (d.h. kabel­ge­bun­de­nen) Ladesys­te­men werden.
Der kon­tak­t­lose Energi­etrans­fer eines induk­tiv­en Über­tra­gungssys­tems funk­tion­iert über die mag­netis­che Kop­plung ein­er sta­tionären primären Ein­heit mit einem oder mehreren mobilen, sekundären Empfängern. Das physikalis­che Wirkung­sprinzip induk­tiv­er Energieüber­tra­gungssys­teme entspricht dem elek­trisch­er Trans­for­ma­toren. Da von der primären Seite zur sekundären Seite eine Poten­tial­tren­nung erfol­gt, gewährleis­ten induk­tive Über­tra­gungssys­teme ohne Mehraufwand die für viele Energiesys­teme wichtige Schutztren­nung zwis­chen Netz und Ver­brauch­er. Zu den weit­eren Vorteilen induk­tiv­er Energieüber­tra­gungssys­teme zählen die unkom­plizierte Nutzung, Umwelt­fre­undlichkeit, geringe Wartungskosten sowie eine lange Lebensdauer.
Um eine Ladesta­tion für ein Elek­tro­fahrzeug aufzubauen, wer­den die Leis­tungse­lek­tron­ik und die in der primären Ein­heit vorhan­dene Wick­lung in den Boden eines Park­platzes ein­ge­lassen, so dass das Gesamt­sys­tem gegen Ver­schmutzung, ein­drin­gen­des Wass­er und Van­dal­is­mus geschützt ist. Am Fahrzeu­gun­ter­bo­den befind­et sich die sekundäre Ein­heit, in der die mag­netis­che Energie wieder in elek­trische Energie umge­wan­delt und anschließend dem Bor­d­netz zur Ver­fü­gung gestellt wird. Das Straßen­bild wird so durch den Ein­satz dieser Ladesta­tio­nen unter die Erdober­fläche nicht verän­dert, was z.B. bei his­torischen Stadt­bildern von großer Bedeu­tung ist. Der bar­ri­ere­freie Zugang zu dieser Tech­nolo­gie (d.h. Parken und ein sofort und automa­tisch star­tender Lade­vor­gang) gewährleis­tet auch, dass z.B. Men­schen mit ein­er kör­per­lichen Beein­träch­ti­gung sehr ein­fach Strom für ihr Elek­troau­to »tanken« können.
Die genan­nten Vorteile bieten die Möglichkeit, dass induk­tive Ladesys­teme zu ein­er höheren Nutzer­akzep­tanz elek­trisch­er Fahrzeuge beitra­gen können.
Die Kop­plung der induk­tiv­en Über­tra­gung ist in der Regel sehr ger­ing. Gle­ichzeit­ig ist der durch die Wick­lun­gen erzeugte mag­netis­che Fluss durch die großen Luftspalte sehr klein. Die Über­tra­gung ein­er hohen Leis­tung ist daher nur mit ein­er rel­a­tiv hohen Betrieb­s­fre­quenz möglich. Die Betrieb­s­fre­quenz ist in der VDE-Anwen­dungsregel (VDE-AR-E-2122–4‑2) auf Werte im niedri­gen dreis­tel­li­gen kHz-Bere­ich (z.B. f=140kHz) fest­gelegt. Das gesamte Über­tra­gungssys­tem beste­ht neben der induk­tiv­en Primär- und Sekundärein­heit aus ein­er primären Leis­tungse­lek­tron­ik, die die Net­zs­pan­nung in eine höher­fre­quente Wech­selspan­nung (d.h. auf Betrieb­s­fre­quenz) wan­delt. Des Weit­eren benötigt das Sys­tem einen sekundär ange­ord­neten Gle­ichrichter, der die Span­nungsver­sorgung für die Fahrzeug­bat­terie sicherstellt.
Induk­tive Über­tra­gungssys­teme wer­den bei Res­o­nanzfre­quenz betrieben, d.h. die durch die induk­tiv­en und kapaz­i­tiv­en Bauele­mente des Sys­tems erzeugte bzw. aufgenommene Blind­leis­tung wird ins­ge­samt auf ein Min­i­mum (nahezu Null) reduziert. Pas­sive kapaz­i­tive Bauele­mente in Form von Kon­den­satoren wer­den benötigt, da anson­sten die durch die sys­tem­be­d­ingt sehr großen Induk­tiv­itäten des Über­tra­gungssys­tems benötigte Blind­leis­tung die über­trag­bare Wirkleis­tung auf nahezu Null begren­zen würde. Für die Aus­führung dieser soge­nan­nten Blind­leis­tungskom­pen­sa­tion existieren diverse Schaltungsvarianten.
Aktuelle Sys­teme deutsch­er und inter­na­tionaler Her­steller zeigen, dass induk­tive Ladesta­tio­nen für Elek­tro­fahrzeuge grund­sät­zlich funk­tion­ieren. Um eine serien­mäßige Ein­führung dieses Sys­tems in den Kfz-Markt zu ermöglichen, müssen diese Sys­teme opti­miert und erweit­ert wer­den. Das Arbeits­ge­bi­et Elek­tro­mo­bil­ität der Ber­gis­chen Uni­ver­sität Wup­per­tal beschäftigt sich inten­siv mit der Weit­er­en­twick­lung dieser Sys­teme mit dem Ziel, den Sprung zur Mark­treife zu schaf­fen. So muss z.B. eine kor­rek­te Posi­tion­ierung von primär­er und sekundär­er Ein­heit zueinan­der gewährleis­tet sein. Ein exak­tes Parken des Fahrzeuges ist nicht unmöglich, aber ein Aut­o­fahrer wird in der Regel (zumin­d­est ohne Hil­f­s­mit­tel) nicht dazu in der Lage sein, das Fahrzeug immer opti­mal über der Ladesta­tion zu pos­ti­tion­ieren. Um Abwe­ichun­gen zu ver­mei­den, ist ein Parkas­sis­ten­zsys­tem im Auto notwendig, welch­es mit der Ladesta­tion kom­mu­niziert, um den Ein­parkvor­gang zu steuern und Infor­ma­tio­nen (z.B. aktueller Lade­stand der Bat­terie, Iden­ti­fika­tion des Fahrzeugs, usw.) auszu­tauschen. Bei den bish­er entwick­el­ten Sys­te­men kann eine Leis­tung von 3,3 kW über­tra­gen wer­den. Weit­er­er Entwick­lungs­be­darf beste­ht bei der Ein­hal­tung der geset­zlichen und nor­ma­tiv­en Vor­gaben zur elek­tro­mag­netis­chen Verträglichkeit (EMV). So dür­fen z.B. andere elek­trische und elek­tro­n­is­che Bor­d­kom­po­nen­ten nicht durch Einkop­plun­gen, verur­sacht durch das Über­tra­gungssys­tem, bee­in­flusst wer­den. Des Weit­eren müssen Feld­gren­zw­erte in der Umge­bung des Fahrzeugs und auch im Fahrzeug einge­hal­ten wer­den, um eine Beein­träch­ti­gung von Men­sch und Umwelt zu vermeiden.
Bish­er wer­den induk­tive Über­tra­gungssys­teme option­al für einzelne Elek­trokraft­fahrzeuge ange­boten. Ein weit ver­bre­it­eter Ein­satz dieser Sys­teme wird ins­beson­dere durch z.Zt. noch sehr hohe Mehrkosten ver­hin­dert. Diese Kosten wer­den unter anderem durch fehlende Erfahrung und fehlende Tech­nolo­gie für eine kostengün­stige Fer­ti­gung der notwendi­gen Kom­po­nen­ten und Sys­teme in großen Stück­zahlen verur­sacht. Dies wird dazu führen, dass zunächst über­wiegend Fahrzeuge des Pre­mi­um­seg­ments mit dieser Tech­nolo­gie aus­ges­tat­tet wer­den. Diese Mark­te­in­führung wird aber zu weit­eren Kostensenkun­gen führen, was nach und nach den Anwen­dungs­bere­ich des induk­tiv­en Ladens ver­größern wird.
In abse­hbar­er Zeit kön­nen induk­tive Ladesta­tio­nen für Elek­tro­fahrzeuge somit eine sin­nvolle Alter­na­tive zu kon­ven­tionellen kon­duk­tiv­en Ladesta­tio­nen bieten. Große Vorteile wie Van­dal­is­mus­sicher­heit und Bar­ri­ere­frei­heit wer­den vor allem im öffentlichen Raum den Ein­satz dieser Tech­nolo­gie fördern.
Sarp Güney Çimen und Prof. Dr. Benedikt Schmülling
Arbeits­ge­bi­et Elektromobilität
Ber­gis­che Uni­ver­sität Wuppertal
⇢ www.emobil.uni-wuppertal.de

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