Sauber und leise durch die Stadt

Sauber und leise durch die Stadt

Novem­ber 2017 / Artikel erschienen in SONNE, WIND & WÄRME 11/17
In den von Fein­staub, Abgas und Lärm geplagten Städten wären Elek­trobusse im ÖPNV eine echte Ent­las­tung – und sie kön­nten Fahrver­bote ver­hin­dern. Immer mehr Kom­munen steigen um, in Deutsch­land und weltweit.
Da staunten die Pas­sagiere auf der Lin­ie 14 der Stadtwerke Mün­ster: Als sie in den Bus stiegen, war eine ver­i­ta­ble Band an Bord. Sie spielte »Just the two of us« (https://youtu.be/CJ7unroA4PQ). Ohne störende Motorg­eräusche war das ein Genuss. Denn der ungewöhn­liche Auftrittsort war ein­er von fünf Elek­trobussen des nieder­ländis­chen Her­stellers VDL, die seit 2015 in Mün­ster einge­set­zt wer­den. Die Strecke der Lin­ie 14 ist rund elf Kilo­me­ter lang. Schnel­l­ladesta­tio­nen an den bei­den End­hal­testellen laden die Akkus im Heck der Fahrzeuge während der Wen­dezeit in fünf bis zehn Minuten wieder auf. Dafür ste­hen sehr hohe Ladeleis­tun­gen von bis zu 400 kW zur Ver­fü­gung. Ein Pkw wäre mit dieser Lade­pow­er in weni­gen Minuten voll­ge­laden. Kann der Bus ein­mal nicht so lange warten, kön­nen bis zu zwei Ladun­gen aus­ge­lassen werden.
Hohe Ladeleis­tun­gen
Wer­bung für die umweltscho­nende Mobil­ität der eBusse war der Hin­ter­grund der ungewöhn­lichen Aktion des inter­na­tionalen Verkehrsver­bunds UITP. Das tat er nicht nur in Mün­ster. Auch in Lon­don, Barcelona, Bonn, Pilsen, Cagliari und Warschau informierte die Kam­pagne zusam­men mit lokalen Kün­stlern über die Vorteile von eBussen. Verbinden­des Ele­ment aller Städte ist das ZeEUS-Pro­jekt, das eBusse in diesen Städten gefördert hat. ZeEUS ste­ht für Zero Emis­sion Urban Bus Sys­tem und wird von der EU mit ins­ge­samt 22,5 Mio. € gefördert. Das im Novem­ber 2014 ges­tartete Pro­jekt läuft noch bis April 2018.
Doch nicht nur die EU fördert eBusse. Baden-Würt­tem­berg bezuschusst im Rah­men der »Lan­desini­tia­tive Elek­tro­mo­bil­ität III — Mark­twach­s­tum Elek­tro­mo­bil­ität BW« 50% der Mehrkosten bei Kauf- bzw. Umrüs­tung. Max­i­mal ste­hen 100.000 € je Elek­tro- und 60.000 € je Hybrid­bus als Förder­summe bere­it. Selb­st für Fahrzeuge, die sich bere­its im Betrieb befind­en, wer­den 50% der Umrüstkosten über­nom­men. Und Hes­sen stellt Verkehrsun­ternehmen für die Umstel­lung auf Elek­trobusse einen Förder­tops von 5 Mio. € pro Jahr zur Verfügung.
Die Förderung ist auch nötig, denn noch sind die Mehrkosten erhe­blich. Die Faus­tregel lautet: Ein Elek­trobus kostet etwa dop­pelt so viel wie ein ver­gle­ich­bar­er Diesel. Fast die Hälfte der Mehrkosten ent­fällt auf die Bat­te­rien. Dem ste­hen Vorteile wie gün­stigere Betrieb­skosten für den »Treib­stoff« Strom, Wartun­gen und Repara­turen gegenüber. Sie liegen um drei bis fünf Mal niedriger, wie Mateusz Figaszews­ki, Pressechef und Vor­stands­bevollmächtigter für Elek­tro­mo­bil­ität beim pol­nis­chen Bush­er­steller Solaris gegenüber SW&W ver­sichert. Hinzu kom­men die wirtschaftlich nur indi­rekt zählbaren Plus­punk­te der Elek­tro­mo­bil­ität wie lokale Emis­sions- und Geräuschfrei­heit. Das hat auch die Bun­desregierung erkan­nt. Beim zweit­en »Diesel­gipfel« Anfang Sep­tem­ber kündigte sie an, den Förder­topf zur Verbesserung der Luftqual­ität in den Städten auf eine Mil­liarde Euro zu verdoppeln.
Davon kön­nten Verkehrs­be­triebe prof­i­tieren, die in die Elek­tro­mo­bil­ität ein­steigen möcht­en oder bere­its pos­i­tive Erfahrun­gen gesam­melt haben und gern weit­ere Elek­trobusse anschaf­fen wür­den, wie etwa die üstra in Han­nover. Bere­its im Juli 2008 kaufte sie den ersten Solaris-Hybrid­bus. Das Fahrzeug wird von zwei Elek­tro- und einem Diesel­mo­tor angetrieben und spart gegenüber Diesel­bussen bis zu 23% Kraft­stoff. Inzwis­chen sind 62 Hybrid­busse – von Solaris und MAN – im Ein­satz. Das ist immer­hin die Hälfte aller 136 Üstra-Busse. Dazu kamen im April 2016 drei vol­lelek­trische Busse, eben­falls von Solaris.ril 2016 drei vol­lelek­trische Busse, eben­falls von Solaris.
Han­nover europaweit­er Vorreiter
Damit zählen sich die Han­nover­an­er zu den Vor­re­it­ern. »Europaweit sind wir die erste Großs­tadtre­gion, die so inten­siv auf eMo­bil­ität im ÖPNV set­zt«, sagt Ulf-Birg­er Franz, Verkehrs­dez­er­nent der Region Han­nover. Die vol­lelek­trischen Üstra-Busse fahren auf ein­er 16 km lan­gen Ringlin­ie in der Innen­stadt. Ein Umlauf mit 42 Hal­testellen dauert im Ide­al­fall, also ohne Staus oder durch Baustellen bed­ingte Verzögerun­gen, 54 Minuten. Dann bleibt genug Zeit (4 bis 6 Minuten) für das Nach­laden der Lithi­um-Titanat- Akkus (Kapaz­ität 125 kWh). Im Som­mer wer­den rund 25 und im Win­ter bis zu 40 kWh benötigt (Ver­brauch von 200 kWh auf 100 km). Dazu parken die Busse unter speziellen Lade­mas­ten und fahren vom Fahrzeug­dach den Pan­tografen aus. Dieser Stromab­nehmer klinkt sich in den Mas­ten ein und wird mit CO2-freiem Strom aus dem Fahrleitungsnetz der Stadt­bah­nen versorgt.
Damit man die extrem leisen Busse auch her­an­fahren hört, wird bei Geschwindigkeit­en unter 15 km/h ein kün­stlich­es Geräusch erzeugt. »Es ähnelt dem Klap­pern, wenn ein Hochzeit­sauto mit ange­bun­de­nen Dosen los­fährt «, erzählt Üstra-Sprecherin Kat­ja Rad­datz. Bei den Fahrern kom­men die Elek­trobusse sehr gut an. »Sie beschle­u­ni­gen schneller, weil das Drehmo­ment sofort da ist, fahren sich leichter und ein­fach­er als ein Diesel«, sagt Detlef Urban, seit 25 Jahren Bus­fahrer bei der Üstra. Wenn es nach ihm und den Kol­legin­nen und Kol­le­gen gin­ge, kön­nten noch mehr eBusse angeschafft werden.
Ver­bände fordern eAntrieb
Das wäre auch Jür­gen Resch von der Deutschen Umwelthil­fe recht. »Uns reichen keine Mooswände oder die Ankündi­gung irgendwelch­er Mod­ell-Elek­trobusse«, sagte er der Han­nover­schen All­ge­meinen Zeitung Ende Sep­tem­ber. »Wir erwarten einen Plan, wie etwa die Bus- und Tax­i­flot­ten in der Stadt auf emis­sions­freien Elek­tro­be­trieb umgestellt wer­den kön­nen.« In die gle­iche Kerbe schlug der Bun­desver­band eMo­bil­ität (BEM). »80.000 Diesel­busse in Deutsch­lands Städten tra­gen erhe­blich zur NOx-Belas­tung bei. Sie müssen bis 2025 kom­plett durch Elek­trobusse erset­zt wer­den«, forderte BEM-Vize-Präsi­dent Chris­t­ian Heep nach dem ersten »Diesel-Gipfel« im August. Um Fahrver­bote dauer­haft zu ver­mei­den, müssten Städte und Gemein­den nun selb­st handeln.
Vielle­icht liegt die fehlende bun­desweite Strate­gie am man­gel­nden nationalen Ange­bot: Deutsche Her­steller wie Mer­cedes-Benz oder MAN pro­duzieren keine vol­lelek­trischen Busse. Daher kaufen deutsche Verkehrs­be­triebe zwangsläu­fig in Polen (Solaris), Chi­na (BYD) oder den Nieder­lan­den (VDL). Die Münch­n­er Verkehrs­ge­sellschaft (MVG) entsch­ied sich jet­zt, nach zwei­jähri­gen Tests, für Ebus­co. Der Her­steller sitzt eben­so wie VDL in den Nieder­lan­den und überzeugte mit ein­er Diesel-Zusatzheizung. Bei extremer Kälte wird so die Bat­terie nicht zu stark belastet und damit die Reich­weite von 250 km nicht zu sehr reduziert. MVG-Chef Ingo Wort­mann: »Wir wollen unsere gesamte Flotte auf Elek­trobusse umstellen, um in Zukun­ft unab­hängig vom Öl zu sein. Wir sind ges­pan­nt, wie sich unsere bei­den ersten Elek­trobusse im Betrieb­sall­t­ag bewähren.« In Chi­na ist man da schon weiter:In Peking wird der Anteil der eBusse bis 2020 von derzeit 10 auf 60 % erhöht – in Stück­zahlen: von 1.000 auf 10.000.

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