Artikel: Das Straßenduell

Artikel aus »Die Zeit« — von Petra Pinzler
Wirtschaftsmin­is­ter Sig­mar Gabriel will Kauf­prämien für Elek­troau­tos. Der Verkehrsmin­is­ter hält das für Quatsch.
Wenn Kurt Sigl durch Deutsch­land fährt, dann hat er zehn unter­schiedliche Ladekarten dabei. Die braucht der Mann, um sein Elek­troau­to wieder mit Strom aufzu­laden, für jede Säule in ein­er neuen Stadt oder ein­er neuen Gegend eine andere. Sigl ist Chef des Bun­desver­ban­des eMo­bil­ität, schon deswe­gen glaubt er an die Zukun­ft des elek­trischen Fahrens. Doch manch­mal bekommt selb­st Sigl so seine Zweifel: wenn er erfährt, dass die Schnel­l­ladesys­teme, die an den Auto­bah­nen aufge­baut wer­den, von japanis­chen und franzö­sis­chen Mod­ellen nicht genutzt wer­den kön­nen. Wenn er sieht, wie die Nieder­lande in nur weni­gen Monat­en ein funk­tions­fähiges Netz von Ladesta­tio­nen aufge­baut haben. Oder wenn er liest, dass andere Län­der bei der Entwick­lung der nöti­gen Bat­te­rien längst viel weit­er sind. Dann sorgt sich Sigl, dass Deutsch­land bei dieser Tech­nolo­gie endgültig den Anschluss ver­lieren könnte.
Tat­säch­lich hat die Bun­desregierung bei der E‑Mobilität bish­er viel ver­sprochen, aber nur wenig gehal­ten. Von der »Nord­see bis an die Zugspitze« solle man elek­trisch fahren und tanken kön­nen, hat­te Verkehrsmin­is­ter Alexan­der Dobrindt noch vor zwei Jahren gesagt und ver­sprochen, dass die Infra­struk­tur aus­ge­baut werde. Geschehen ist sei­ther wenig, zumin­d­est zu wenig, um die Deutschen zum Kauf eines Elek­troau­tos zu ani­mieren: Die meis­ten find­en die Fahrzeuge immer noch zu teuer für das, was sie bieten.
Also wird auch das erk­lärte Ziel der Bun­desregierung immer unre­al­is­tis­ch­er. Eine Mil­lion E‑Autos soll­ten eigentlich 2020 auf den deutschen Straßen fahren – also in vier Jahren. Doch während in Nor­we­gen, Japan und sog­ar den USA inzwis­chen das Geschäft mit den Stromge­fährten wächst, düm­peln die Verkauf­szahlen hierzu­lande auf niedrigem Niveau. Anfang 2015 fuhren nach Angaben des Kraft­fahrzeug­bun­de­samtes ger­ade mal 18.948 E‑Autos, und im Laufe des Jahres kamen ger­ade mal 12.363 neue hinzu.
Zum Ver­gle­ich: Ins­ge­samt ließen die Deutschen im ver­gan­genen Jahr 3,2 Mil­lio­nen Autos neu zu, davon waren knapp die Hälfte Die­selfahrzeuge – trotz des VW-Skan­dals. Bis­lang regte das allerd­ings in Berlin kaum jeman­den beson­ders auf. Eigentlich hätte zumin­d­est die Nationale Plat­tform Elek­tro­mo­bil­ität (NPE) laut und stetig protestieren müssen. Die Bun­desregierung hat­te dieses Beratungs­gremi­um unter Leitung des ehe­ma­li­gen SAP-Man­agers Hen­ning Kager­mann extra zu diesem Zweck ein­gerichtet. Die E‑Truppe sollte dafür sor­gen, dass Deutsch­land »zum Lei­tan­bi­eter und Leit­markt für Elek­tro­mo­bil­ität« wird. Mith­il­fe von 150 Experten sollte sie neue Ideen entwick­eln und die Poli­tik­er in Bund und Län­dern zu mehr Tat­en drän­gen. Funk­tion­iert hat das nicht. Zwar schrieb die NPE Konzepte, organ­isierte Ver­anstal­tun­gen und forschte, aber umge­set­zt wurde davon kaum etwas. Am Ende bewegte die NPE so wenig, dass sich Hen­ning Kager­mann kurz vor Wei­h­nacht­en am Tele­fon frus­tri­ert bei der Kan­z­lerin beklagte.
Ganz offen­sichtlich hat das gewirkt. Für Anfang Feb­ru­ar hat Kan­zler­amtsmin­is­ter Peter Alt­maier nun die Staatssekretäre aus mehreren Min­is­te­rien geladen. Dabei sind das Wirtschafts‑, das Finanz- und das Verkehrsmin­is­teri­um. Auch im Kan­zler­amt sieht man offen­sichtlich ein, dass Deutsch­land ein E‑Au­to-Prob­lem hat. Zum einen, weil tat­säch­lich die Gefahr zutage tritt, dass andere Län­der Deutsch­land bei der Zukun­f­stech­nolo­gie endgültig davoneilen – dort entwick­eln sich die Märk­te für Elek­tro­mo­bil­ität und zugle­ich neue Konzepte, wie die E‑Flotten auch als Spe­ich­er fürs Strom­netz einge­set­zt wer­den. Zum anderen wegen der Klimabilanz.
Im Wirtschaftsmin­is­teri­um sieht man das neue Inter­esse im Kan­zler­amt als große Chance. Wirtschaftsmin­is­ter Sig­mar Gabriel will sog­ar den Kauf von E‑Autos prämieren. Wie hoch der Zuschuss sein wird, will man im Min­is­teri­um noch nicht genau bez­if­fern, ins­ge­samt sollen aber zwei Mil­liar­den Euro aus dem Bun­de­shaushalt fließen – ohne das Bun­des­bud­get in die roten Zahlen zu rück­en. Verkehrsmin­is­ter Dobrindt ist aber dage­gen. »Die Elek­tro­mo­bil­ität wird sich durch­set­zen«, sagte er lap­i­dar und lehnt Kauf­prämien ab. Es gebe bere­its Pilot­pro­jek­te und Steuer­be­freiun­gen für Elek­tro­fahrzeuge. Und es sei dur­chaus möglich, dass 2020 die eine Mil­lion E‑Autos herum­fährt, ganz ohne neue Pro­gramme. Dobrindt glaubt allerd­ings auch, dass die Maut noch kommt.

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